Interview

Vor Abstimmung über Hilfen für Spaniens Banken "Das ist kein Freifahrtschein"

Stand: 19.07.2012 11:37 Uhr

Spanien müsse die Gelder zur Rettung seiner Banken bekommen, meint Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Im Gespräch mit tagesschau.de erklärt er, warum die Hilfen kein Freifahrtschein für die spanischen Banken sind. In der Vergangenheit hätten Staaten von solchen Rettungen meist sogar profitiert.

tagesschau.de: Nicht wenige Abgeordnete sehen die Rettungsaktion skeptisch. Spüren auch Sie ein Unbehagen?

Folker Hellmeyer: Ich spüre kein Unbehagen. Banken haben eine systemimmanente Wirkung auf die Volkswirtschaft. Wir können nicht ohne Banken moderne Volkswirtschaft betreiben. Spanien hat durch die Immobilienkrise ein Problem, und dieses Problem wird bereinigt. Spanien kommt gut voran bei Reformen. Wir haben auch die Handels-, Waren- und Dienstleistungsbilanz-Defizite massiv eingekürzt. Spanien ist auf einem guten Weg, aber die Banken brauchen Hilfe. Obwohl sie kein so problematisches Szenario haben wie die USA. Die Kredite im Verhältnis zum Beleihungswert liegen nur bei 73 Prozent. In Amerika lagen sie bei 100 Prozent.

Zur Person

Folker Hellmeyer ist seit 2002 Chefanalyst der Bremer Landesbank. Er liefert aus dem Handelszentrum der Bank regelmäßig Analysen und Berichte zum aktuellen Geschehen an den Finanz- und Kapitalmärkten.

In der Vergangenheit haben die Staaten profitiert

tagesschau.de: Wie klar ist es denn heute, wer für die Rettung der Banken haftet?

Hellmeyer: Wir haben für die erste 30-Milliarden-Tranche eine Haftung des spanischen Staates, also bleiben 70 Milliarden hier zunächst offen. Ich halte das für unproblematisch. Wenn es später eine direkte Bankenhilfe gibt, ist diese an Konditionen gebunden. Das ist also kein Freifahrtschein für die Banken. Und mehr noch, wir haben die Erfahrung aus den vergangenen 30 Jahren. Wenn der Staat sich an Banken beteiligt hat, ist das meist sehr gut ausgegangen. Der US-amerikanische Staat erfreut sich, nachdem er bei der Finanzkrise 2008/2009 große Teile der Banken übernommen hat, jetzt großer Gewinne beim Verkauf dieser Anteile. Dasselbe war in Schweden 1992 der Fall. Ich halte diesen Weg für angemessener, um die Interessen des Steuerzahlers zu gewährleisten, als den Weg nur über Kredite.

"Deutschland hat am meisten zu verlieren"

tagesschau.de: Wenn wir es pessimistischer betrachten: Was würde es denn bedeuten, wenn die Eurozone auseinanderbricht?

Hellmeyer: Dieser Punkt ist ganz wesentlich für die deutsche Politik. Wir wären der größte Verlierer bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone. Wir haben ein exportseitiges Geschäftsmodell. 2009 haben wir die größten Rückgänge der Wirtschaftsleistungen im Vergleich zu den anderen Ländern gesehen. Wir haben hier am meisten zu verlieren, insofern ist es angemessen, dass wir Spanien unterstützen. Denn Spanien ist auf einem sehr guten Weg und hat eine geringere Staatsverschuldung als Deutschland.

Das Gespräch führt Ina Böttcher, tagesschau24