Serie zur Euro-Krise, Teil 3 "Weiter so" könnte die teuerste Lösung werden
Die falsche Krisenstrategie der Bundesregierung ist die Hauptursache für die zunehmende Instabilität des Euroraums. Nun müssen die Problemländer vor der Panik der Investoren geschützt werden - am besten durch einen Schuldentilgungspakt. Sonst ist auch ein Zusammenbruch nicht ausgeschlossen.
Ein Gastbeitrag von Peter Bofinger
In den vergangenen 24 Monaten hat sich der Zustand der Europäischen Währungsunion zunehmend verschlechtert, ohne dass eine rasche Besserung in Sicht wäre. Anders als dies in der deutschen Öffentlichkeit oft gesehen wird, lässt sich diese Zuspitzung der Krise nicht mit einer mangelnden Konsolidierungsbereitschaft in den Problemländern erklären. Diese haben durchweg sehr schmerzhafte Sparprogramme in Angriff genommen, allen voran Griechenland, das seinen Bürgern auf diese Weise einen Einkommensverzicht von 15 Prozent zugemutet hat. Wenn es diesen Ländern gleichwohl nicht gelungen ist, ihre Defizite wie geplant zu reduzieren, so ist das auf die von den Sparprogrammen ausgelöste Konjunkturschwäche und die steigenden Kapitalmarktzinsen zurückzuführen.
Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Würzburg. Seit März 2004 gehört er als "Wirtschaftsweiser" dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. Er gilt als führender deutscher Vertreter einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik.
Falsche Signale an die Finanzmärkte
Die Hauptursache für die zunehmende Instabilität des Euroraums liegt in einer von Anfang an falschen Krisenstrategie der Bundesregierung. Sie hat in den ersten Rettungsprogrammen darauf bestanden, dass die Problemländer für ihre Kredite bei der EFSF erhebliche Zinsaufschläge bezahlen mussten. Das hat die ohnehin labile Situation zusätzlich erschwert. Im Herbst 2010 wurde dann von der Bundeskanzlerin die Forderung nach einer Beteiligung des Privatsektors in den Raum gestellt, wenn immer ein Land in Refinanzierungsschwierigkeiten gerät. Damit wurde den Finanzmärkten signalisiert, dass Staatsanleihen, die bisher in allen Regulierungen des Finanzsystems als absolut sicher eingestuft worden waren, grundsätzlich einem Ausfallrisiko ausgesetzt seien. Mit dem Schuldenschnitt für griechische Anleihen und dem Modell einer Hebelung des EFSF, die de facto eine massive Kreditversicherung für Staatsanleihen bedeutet, wurde das Signal in diesem Jahr noch einmal deutlich verstärkt.
Vertrauen zerbröselt - Bankensystem destabilisiert
Es ist daher nicht überraschend, dass die Zinsaufschläge für die Problemländer in den vergangenen 18 Monaten dramatisch angestiegen sind, wobei die Europäische Zentralbank mit umfangreichen Interventionen am Kapitalmarkt noch das Schlimmste verhindert hat. Da steigende Refinanzierungskosten die ohnehin nicht leichte Konsolidierungsaufgabe der Problemländer erschweren, werden die Investoren immer weiter verunsichert, so dass sie noch weniger bereit sind, Staatsanleihen zu erwerben. Dieser Teufelskreis wird verstärkt durch die negativen Auswirkungen dieses Vertrauensverlusts auf die Kurse von Staatsanleihen, die für viele Banken die sicherste Anlagekategorie sind. Die Erosion des Vertrauens in Staatsanleihen hat das europäische Bankensystem so massiv destabilisiert, dass viele Banken nur noch mit ungewöhnlich hohen und ungewöhnlich langfristigen Refinanzierungskrediten der EZB über Wasser gehalten werden können. Die Schwäche des Finanzsystems wirkt sich über eine Einschränkung der Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte wiederum nachteilig auf die Realwirtschaft aus.
Die Problemländer müssen nicht "gerettet werden"
Bei diesen Fehlentwicklungen sollte man jetzt alles tun, dass die enorm ambitionierten Konsolidierungsprogramme der Problemländer nicht länger durch einen völlig erratischen Finanzmarkt konterkariert werden. Die Länder müssen dabei nicht "gerettet" werden, sie müssen vielmehr vor Panikattacken der Investoren geschützt werden. Das wichtigste Instrument hierfür ist eine gemeinsame Haftung, wie sie der Sachverständigenrat in seinem Schuldentilgungspakt vorgeschlagen hat. Dies würde die Zinsbelastung der Problemländer auf ein erträgliches Maß reduzieren. Mit den jetzt vereinbarten zusätzlichen Disziplinierungsmechanismen für die Fiskalpolitik wäre die Wahrscheinlichkeit gering, dass daraus ein neues Fehlverhalten entstehen könnte.
Zusammenbruch nicht ausgeschlossen
Natürlich sind alle Formen einer gemeinsamen Lösung der Krise mit Risiken für die deutschen Steuerzahler verbunden. Doch eine Politik des "weiter so" könnte am Ende zur teuersten Lösung werden. Ein unkontrollierter Zusammenbruch des Euroraums, der bei der jetzigen Strategie der Bundesregierung nicht mehr ausgeschlossen werden kann, würde nicht nur zu massiven Verlusten bei deutschen Banken und Versicherungen führen. Die davon ausgelöste starke Aufwertung der neuen deutschen Währung würde zudem viele Arbeitsplätze kosten und damit unseren Wohlstand mehr beeinträchtigen als eine mögliche Inanspruchnahme für Garantien zur Absicherung griechischer Staatsanleihen.
Die Zukunft des Euro wird dadurch entschieden werden, ob die Mitgliedsländer bereit sein werden, zur Verteidigung der Währung gemeinsam aufzutreten, oder ob sie weiterhin daran glauben, dass diese Herausforderung dies von 17 einzelnen Ländern gemeistert werden kann. Es gilt die Maxime: "United we stand, divided we fall."