Serie zur Euro-Krise, Teil 1 2012 - das Jahr der Euro-Stabilisierung
Auch wenn die deutsche Wirtschaft ein rekordverdächtig erfolgreiches Jahr hinter sich hat - die Euro-Zone steckt in ihrer tiefsten Krise. Über den Ausweg sind sich vor allem Deutschland und die Angelsachsen uneins. Aber am Ende wird nur eine Kombination ihrer Ansätze helfen können.
Ein Gastbeitrag von Thomas Straubhaar
Was für ein verrücktes Jahr geht zu Ende. Da tobt in Europa eine Staatsschuldenkrise, die sich zu einer Krise der Euro-Zone insgesamt ausgeweitet hat. Und Deutschland erlebt eines der besten Jahre.
Aus dem kranken Mann Europas wurde ein europäischer Kraftprotz. Das Bruttoinlandsprodukt hat real um drei Prozent zugelegt. Ende November waren 2,7 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die Arbeitslosenquote fiel auf 6,4 Prozent. Mehr als 41,5 Millionen hatten einen Job. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag bei fast 29 Millionen.
Thomas Straubhaar ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Er leitet seit 2005 das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Forschungsinteressen: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Ordnungspolitik, Bildungs- und Bevölkerungsökonomie.
"German Miracle" mit unglaublichen Rekorden
Das sind unglaubliche Rekorde. Nie waren im wiedervereinten Deutschland weniger Menschen ohne Arbeit, nie hatten mehr Menschen eine Beschäftigung. Noch vor Kurzem hätte man von solchen Erfolgen nicht zu träumen gewagt. Voller Bewunderung schauen die einen auf das "German Miracle", voller Neid ärgern sich andere über den europäischen Musterschüler.
Immer wieder und immer von Neuem glaubten viele, der Euro würde auseinanderbrechen. Und noch immer lassen sich viele Deutsche von Euro-Untergangsszenarien ins Bockshorn jagen - und binden damit unsinnig Kräfte. Dabei hat sich die Politik eindeutig und unmissverständlich auf den Erhalt des Euro festgelegt. Keine Ernst zu nehmende politische Bewegung will einen Zusammenbruch des Euros provozieren. Alle wichtigen Parteien sind bereit, mit hohem finanziellen Engagement seinen Fortbestand zu sichern.
Die Deutschen setzen auf Fiskalpolitik - ...
Zwei Sichtweisen prallen bei der Frage aufeinander, wie die Staatsschuldenkrise des Euro-Raums zu meistern ist. Die Deutschen bevorzugen die Lösung über den Einsatz fiskalpolitischer Instrumente. Dazu gehören insbesondere die gemeinsamen Rettungsschirme. Euro-Länder - die auf privaten Kapitalmärkten Kredite, wenn überhaupt, dann nur zu horrenden Zinsen erhalten - sollen aus einem gemeinsamen Topf Geld zu günstigen Konditionen leihen können. Als Gegenleistung müssen sie zumindest teilweise auf ihre finanzpolitische Autonomie verzichten.
Ein Finanzkommissar oder eine Euro-Finanzrat aus Brüssel soll dafür sorgen, dass ein effektives Steuersystem etabliert, Steuern eingezogen, Staatsausgaben zurückgefahren und öffentliche Haushalte saniert werden. So dass wenigstens für die lange Frist eine Chance besteht, dass die Länder der eigendynamischen Schuldenfalle entfliehen können, und ein langsamer Abbau der Schuldenberge möglich wird.
... die Angelsachsen wollen eine aktive EZB
Die Angelsachsen verlangen nach einem ganz anderen Ansatz. Sie fordern den Einsatz geldpolitischer Instrumente. Die EZB soll den überschuldeten Euro-Staaten zu günstigen Zinskonditionen jenes Geld geben, das auf privaten Kapitalmärkten nicht mehr zu haben ist. Nach geltendem Recht ist der EZB der "unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln" untersagt. Erlaubt aber ist der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt.
Die geldpolitische Strategie ist weder kosten- noch risikolos. Mit dem Bail-out - also der Enthaftung von den Folgen eigenen Tuns oder Lassens - wird der Schlendrian der überschuldeten Euro-Länder belohnt. Der Wille zur Selbsthilfe, zu ökonomischen Strukturreformen und gesellschaftlicher Modernisierung dürfte erlahmen. Damit wird der Schwache nicht nachhaltig gestärkt und eigenständig. Er dürfte auf lange Zeit vom Starken abhängig und auf dessen Finanzhilfen angewiesen bleiben.
Das eigentliche Risiko jedoch liegt in den Inflationserwartungen, die durch einen Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB geweckt werden. Diese langfristigen Folgekosten sind es, die es den Deutschen unmöglich machen, den kurzfristig einfacheren Weg der geldpolitischen Strategie zu gehen.
Die Lösung ist eine Kombination aus beidem
Für 2012 dürfte es die vernünftigste Vorgehensweise sein, mit einer geldpolitischen Strategie vorerst den Brand zu löschen - dann aber dafür zu sorgen, dass das zur Feuerbekämpfung eingesetzte Wasser in angemessener Zeit und Form wieder eingesammelt werden kann.
Neben den für die längere Zeit sicherlich unverzichtbaren fiskalpolitischen Schuldenbremsen bedarf es des Einsatzes kluger geldpolitischer Instrumente. Sie sollen es der EZB ermöglichen, die Kredite, die sie durch den Kauf alter Staatsanleihen neu gewährt, im Falle eines Falles möglichst rasch zu sterilisieren, um das Entstehen von Inflationserwartungen rasch korrigieren zu können.