Kolumne Euroschau Trump setzt die EZB unter Druck
Immer mehr wird der US-Handelskonflikt mit China zur Gefahr für Europas Wirtschaft. Die Europäische Zentralbank will auf der Ratssitzung in Vilnius Auswege suchen. Viele Mittel hat sie nicht.
Litauens Zentralbank ist ein unscheinbarer Barockbau mitten im Zentrum der hübschen Hauptstadt Vilnius. Vor dem weiß-gelb gestrichenen Gebäude weht die gelb-grün-rote Flagge des Landes. Alles wirkt ruhig und etwas behäbig. Doch hinter den Kulissen ging es in den vergangenen Wochen eher turbulent zu. Anfang Mai überstand Notenbankchef Vitas Vasiliauskas ein Misstrauensvotum im Parlament.
Einige Abgeordnete hatten ihm vorgeworfen, während der Finanzkrise nicht mit den Parlamentariern kooperiert zu haben. Die wollten ihn daraufhin stürzen, was rechtlich aber gar nicht möglich ist. Mit Rückendeckung der damaligen Präsidentin Dalia Grybauskaité überstand Vasiliauskas die Attacke, die offenbar eine Retourkutsche war. Denn zuvor hatte der Notenbankchef heftige Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung geübt.
Die St. Stanislaus-Kathedrale in der litauischen Hauptstadt Vilnius.
Unter diesen Vorzeichen ist Vasiliauskas diese Woche Gastgeber des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), der einmal im Jahr in einem der Mitgliedsstaaten tagt. Litauen ist das jüngste Land im Euroraum. Erst im Januar 2015 wurde die Gemeinschaftswährung in dem baltischen Staat eingeführt. Für Litauen ging es dabei ähnlich wie bei den Nachbarn Estland und Lettland, die bereits 2011 und 2014 dem Euro beitraten, um eine starke politische Anbindung an den Westen.
Litauer wurden mit dem Euro lange nicht warm
Jubel in der Bevölkerung hat der Abschied von der heimischen Währung Litas nicht ausgelöst. Nur rund 40 Prozent der Bevölkerung sprachen sich damals für den Euro aus - aus Sorge, die neue Währung werde zum Teuro. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Litauen eines der ärmsten Länder im Club der 19 Eurostaaten ist. Allerdings haben sich die Befürchtungen nur teilweise bewahrheitet. Zwar wurden Dienstleistungen teurer, viele Lebensmittel aber billiger. Die Löhne stiegen und der Wohlstand auch. Heute liegt die Zustimmung zur Gemeinschaftswährung bei 70 Prozent.
Der Blick des EZB-Rates dürfte allerdings nicht lange auf dem Gastgeberland verweilen. Denn die Wirtschaftslage im gesamten Euroraum macht den Währungshütern immer größere Sorgen. Zwar sind die harten Wachstumsdaten zum Jahresanfang etwas besser ausgefallen als erwartet. Doch die Stimmung ist schlecht. Das dürfte sich auf der Sitzung in Vilnius auch in den Konjunkturprognosen widerspiegeln, die von den EZB-Volkswirten veröffentlicht werden. Sie sind eine wichtige Grundlage für die Geldpolitik der Währungshüter.
Wie schwach sich die Wirtschaft derzeit entwickelt, zeigen die jüngsten Daten zur Preissteigerung. Im Mai rutschte die Inflationsrate mit nur noch 1,2 Prozent auf den tiefsten Stand in diesem Jahr. Damit entfernt sie sich weiter vom selbst gesteckten Ziel von knapp zwei Prozent. Deshalb befürchtet die EZB, die Konjunktur in Europa werde sich auch im zweiten Halbjahr äußerst holprig entwickeln.
Angst vor US-Sanktionen schreckt viele ab
Schuld daran ist vor allem US-Präsident Donald Trump. Sein Handelskonflikt mit China und anderen Teilen der Welt führt immer mehr zu Verunsicherung bei Unternehmen und an den Finanzmärkten. Trump will nicht nur die aufstrebende Wirtschaftsmacht China schwächen. Er will auch Europa weiter spalten. Seine direkte Unterstützung der Brexit-Hardliner bei seinem dreitägigen London-Besuch könnte dies nicht deutlicher zum Ausdruck bringen.
In Deutschland geht die Sorge um, Trump könnte Zölle auf Autos verhängen. Und die Spannungen der USA mit dem Iran führen nicht nur zu Unruhe an den Rohölmärkten, sondern schrecken Unternehmen aus Europa ab. Schließlich müssen sie US-Sanktionen befürchten, wenn sie nicht vor dem Weißen Haus kuschen.
Handelskrieg, Konjunkturabkühlung und die niedrige Inflation. Unter diesen Vorzeichen dürften die neuen Hilfen der EZB für Banken relativ großzügig ausfallen. Sie sollen im September kommen. Der Zentralbankrat wird in Vilnius voraussichtlich über Umfang und Modalitäten diskutieren und möglicherwiese auch entscheiden. Mit dem Paket sollen Banken animiert werden, mehr Kredite an die Wirtschaft zu geben - ähnlich wie bei den vorangegangenen Geldspritzen zum Höhepunkt der Finanzkrise. Damals gab es die Kredite zum Nulltarif. Die Banken erhielten zusätzlich eine Prämie von bis zu 0,4 Prozent, wenn sie nachweislich mehr Darlehen an die Wirtschaft vergaben. Ähnliche Konditionen winken den Banken auch jetzt.
Vitas Vasiliauskas, Chef der litauischen Notenbank, der damalige Finanzminister Rimantas Sadzius und der damalige Premierminister Lithuania Algirdas Butkevicius (v.l.n.r.) bei der Einführung des Euro im Jahr 2015.
Normalisierung der Geldpolitik zeichnet sich nicht ab
Die Maßnahme ist im EZB-Rat umstritten. Denn sie ist ein Zeichen dafür, dass die lockere Geldpolitik unvermindert fortgesetzt wird. Hoffnungen, es käme nach dem Ende des Ankaufs neuer Staatsanleihen zu einer Normalisierung der Geldpolitik, werden damit eine Absage erteilt. Einige EZB-Ratsmitglieder fordern deshalb, die Konditionen für die Banken zumindest weniger generös zu gestalten.
Auch knapp ein halbes Jahr nach dem Ende des EZB-Anleihekaufprogramms ist von Normalität in der Geldpolitik nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil. Trübt sich die Konjunktur noch weiter ein, wird die EZB die Zügel wieder deutlich lockern. Die Zinswende verschiebt sich damit immer weiter in die Zukunft. Für Europas Sparer ist kein Land in Sicht.
Das weiß auch der Gastgeber, Litauens Notenbankchef Vasiliauskas. Den 45-Jährigen kann nicht mehr viel erschüttern. Er ist Sorgen gewohnt.