Debatte über Euro-Rettungsschirm "Europa braucht eine neue Stabilitätskultur"
Kanzlerin Merkel hat den Euro-Rettungsschirm verteidigt. Der Euro sei in Gefahr, sagte sie in ihrer Regierungserklärung. Als Konsequenz forderte sie strengere Regeln für die Stabilität der Staatsfinanzen in Europa. Die SPD ließ weiter offen, ob sie dem Rettungspaket zustimmt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat als Konsequenz aus der hohen Verschuldung vieler Staaten der Euro-Zone einen strikten Konsolidierungskurs in den EU-Ländern gefordert. "Europa braucht eine neue Stabilitätskultur", sagte sie in einer Regierungserklärung im Bundestag. Bei allen Mitgliedsstaaten müsse die Überwachung der Haushalte verbessert werden, forderte sie. Die Ursache des Problems liege darin, dass zu viele Länder der Euro-Zone über ihren Verhältnisse gelebt hätten. "Auch wir leben auf Pump", räumte sie ein.
Als Lehre aus der Krise müssten künftig alle Mitgliedsstaaten ihrer Eigenverantwortung für eine stabile Haushaltspolitik gerecht werden. "Langfristige Stabilität ist ohne gesunde Staatsfinanzen undenkbar", sagte sie. Zugleich forderte Merkel eine engere wirtschaftliche Verzahnung innerhalb der Europäischen Union. Die Regeln müssen sich dabei nach den Stärksten richten. Die Bundeskanzlerin trat zudem für eine Änderung der EU-Verträge ein. So solle die Möglichkeit geschaffen werden, notorischen Defizitsündern zeitweise das Stimmrecht zu entziehen.
"Euro ist in Gefahr"
Zugleich verteidigte sie zum Auftakt der Bundestagsberatungen den Euro-Rettungsschirm. "Der Euro ist in Gefahr", sagte sie. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", betonte sie. Die aktuelle Bewährungsprobe sei existenziell.
Merkel verwies darauf, dass Deutschland nur unter der Bedingung helfe, dass die betroffenen Staaten zu umfassenden Eigenanstrengungen bei der Sanierung ihrer Haushalte verpflichtet würden. Die Umsetzung dieser Programme werde durch die Einbindung des Internationalen Währungsfonds (IWF) kontrolliert. Zugleich sei gesichert, dass die Euro-Staaten die volle Kontrolle über die mit ihrer Hilfe gewährten Kredite behielten. Die Auszahlung sei zudem an eine vorherige Überprüfung durch die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und den IWF gebunden.
Bis zu 750 Milliarden Euro sollen künftig als Kredithilfen für Länder der Euro-Zone bereitstehen. 60 Milliarden Euro davon stammen aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union. Kredite in Höhe von bis zu 440 Milliarden Euro können mit Hilfe der Staaten der Euro-Zone gewährt werden. Wenn der Antrag eines Euro-Landes von den anderen Staaten einstimmig bewilligt wird, besorgt sich eine neue Zweckgesellschaft das notwendige Kapital auf den Finanzmärkten und reicht es in Form von Krediten an das betroffene Land weiter.
Die anderen Staaten der Euro-Zone stehen dafür mit Garantien gerade. Für wieviel Geld jedes Land garantiert, richtet sich dabei nach dem jeweiligen Anteil am Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank. Deutschlands Kreditgarantien umfassen bis zu 123 Milliarden Euro. Im äußersten Fall könnte diese Summe noch auf knapp 148 Milliarden Euro steigen.
Zusätzlich zu den europäischen Hilfen gewährt der Internationale Währungsfonds als Teil des Rettungspakets Kredite in Höhe von bis zu 250 Milliarden Euro. Wer Geld erhält, muss aber Auflagen erfüllen. Das betrifft Reformen und Sparvorgaben für die nationalen Haushalte.
Grüne wollen Gesetz nicht zustimmen
Die Opposition übte in der Bundestagsdebatte scharfe Kritik an der Bundesregierung. Der Bundestag solle über Kreditermächtigungen in Höhe von knapp 148 Milliarden Euro entscheiden, ohne die dafür notwendigen Umsetzungen zu kennen, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Das ist eine Brüskierung des Parlaments." Der Vorwurf betrifft in erster Linie die Zweckgesellschaft, über die der größte Teil der Kredite abgewickelt werden soll. Der Vertrag über deren Arbeit steht bislang noch nicht. Die Bundeskanzlerin bot vor diesem Hintergrund an, "Mittel und Wege zu finden", um sicherzustellen, dass Geld erst dann fließt, wenn der Vertrag bekannt sei. Die Grünen wollen dem Gesetz jedoch angesichts der fehlenden Informationen nicht zustimmen.
SPD stellt Bedingungen
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, dass zwar die Entscheidungen der EU-Finanzminister zur Euro-Rettung richtig gewesen seien. Die Zustimmung der Sozialdemokraten zu dem Gesetzentwurf ließ er aber offen. "Bei einer reinen Kreditermächtigung kann es nicht bleiben", sagte er. Steinmeier verlangte, dass die Bundesregierung "schwarz auf weiß" Zusagen für eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte und für eine Finanzmarktsteuer mache, um die Branche an den Krisenkosten zu beteiligen. "Bloße Ankündigungen werden da nicht reichen."
Merkel hatte zuvor erklärt, sich für eine schärfere Finanzmarktregulierung einzusetzen. Mit Blick auf den Beschluss der Koalitionsfraktionen vom Vortag versprach sie zudem, sich auf europäischer und internationaler Ebene für eine Besteuerung der Finanzmärkte einzusetzen - in Form einer Finanztransaktionssteuer oder einer Finanzaktivitätssteuer. Unionsfraktionschef Volker Kauder appellierte an die SPD, angesichts dieser Zusagen dem Gesetz zuzustimmen.
Linkspartei: Die Schwächsten zahlen die Zeche
Die Partei Die Linke wandte sich gegen die Regierungspläne. Die neue Parteichefin Gesine Lötzsch kritisierte, dass das Vertrauen der Märkte durch harte Sparanstrengungen erreicht werden soll. Dies heiße weniger Geld für Krippen und Kindergärten, weniger Geld für Bildung, weniger Geld für Forschung und Entwicklung. Damit müssten wieder einmal die Schwächsten die Zeche für die Zockerei von Spekulanten zahlen.
Bereits am Freitag soll der Bundestag das Gesetz in dritter Lesung beschließen. Noch am selben Tag könnte der Bundesrat darüber in einer Sondersitzung abstimmen.