Einigung bei Schwarz-Gelb Koalition fordert Finanzmarktsteuer
Überraschende Einigung in der Koalition: Über die geplante Bankenabgabe hinaus wollen Union und FDP die Finanzkonzerne mit einer Steuer an den Kosten der Krise beteiligen. Die Forderung läuft auf die von den Liberalen bislang abgelehnte Finanztransaktionssteuer hinaus. Aber auch die FDP konnte ihr Gesicht wahren.
Die schwarz-gelbe Koalition hat sich auf eine Initiative zur Einführung einer europaweiten Finanzmarktsteuer geeinigt. Der Koalitionsausschuss habe sich darauf verständigt, teilten Unionsfraktionschefs Volker Kauder und die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger nach Beratungen in Berlin mit. In dem gemeinsamen Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, "sich auf europäischer und globaler Ebene für eine wirksame Finanzmarktsteuer - das heißt Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer - einzusetzen". Beide Modelle sollen demnach geprüft werden.
Finanzmärkte sollen sich an Kosten der Krise beteiligen
"Wir wollen die Stabilisierung des Euro, wir wollen aber auch, dass die Finanzmärkte an dieser Stabilisierung beteiligt werden", sagte Kauder. Die Union habe die FDP überzeugen können, dass es über die Bankenabgabe hinaus ein Instrument geben müsse, das "den ungebremsten Hunger der Finanzjongleure" bremse, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich nach der Einigung. Die FDP sprach sich für eine Regulierung von Finanzmarktprodukten auf internationaler Ebene aus. "Diejenigen, die zu Lasten von Steuerzahlern spekulieren, müssen zu den Kosten der Krise herangezogen werden", sagte Homburger.
In der Debatte über die verschiedenen Modelle einer Finanztransaktionssteuer und einer Finanzaktivitätssteuer legte sich der Koalitionsausschuss mit dem Beschluss zwar nicht eindeutig fest. FDP-Fraktionschefin Homburger sagte am Abend, die Diskussion dürfe nicht auf ein Instrument wie die Transaktionssteuer verengt werden, bei dem fraglich sei, ob es tatsächlich den gewünschten Erfolg habe. Laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, hatte sich zuvor eine klare Mehrheit des Vorstands der Unionsfraktion aber für die Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. In Koalitionskreisen hieß es zudem, dass die FDP mit ihrer Zustimmung zu dem Beschluss den bisherigen Widerstand gegen die Finanztransaktionssteuer aufgegeben habe.
Eine neue Steuer könnte dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzudämmen und die Finanzkonzerne an den Kosten der Krise zu beteiligen. Ein Vorschlag ist die Finanztransaktionssteuer. Sie wäre bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien, Devisen, Derivaten, festverzinslichen Wertpapieren und anderen wichtigen Finanzprodukten zu bezahlen. Ein niedriger Steuersatz soll dazu führen, dass langfristige Investitionen kaum darunter leiden. Zugleich sollen aber Gewinne von Spekulanten sinken.
Der Gegenvorschlag des Internationalen Währungsfonds ist die Finanzaktivitätssteuer. Sie soll auf Gewinne von Banken und anderen Finanzkonzernen erhoben werden. Auch Gehälter und Bonuszahlungen will der IWF einbeziehen. Vorrangig geht es dabei darum, Banken und Fonds an staatlichen Kosten bei der Bewältigung der Finanzkrise zu beteiligen.
CSU setzt Forderung durch
Bislang hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso wie die FDP für die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagene Finanzaktivitätssteuer eingesetzt. Die CSU hatte dagegen die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer erhoben. Dagegen hatte sich die FDP bislang abgelehnt. Innerhalb der CDU hatte sich jedoch seit dem Wochenende die Stimmen gehäuft, die eine Finanztransaktionssteuer befürworteten.
Die Einigung auf eine Beteiligung der Finanzkonzerne an den Kosten der Finanzkrise spielt eine wichtige Rolle für die Beratungen des Bundestages über die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm. Die Oppositionsfraktionen drängen die Bundesregierung, sich für eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Die SPD machte ihre Zustimmung zur milliardenschweren Rettungsschirm für überschuldete Länder der Euro-Zone bislang davon abhängig, dass die Bundesregierung die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer unterstützt. Vor diesem Hintergrund erklärten Kauder und Homburger, dass sie nun auf die Zustimmung der Opposition setzen.
Opposition reicht der Beschluss nicht
Die SPD betonte aber, dass ihr der Beschluss der Koalition noch nicht reiche. "Dass sich die Koalition endlich bei der Transaktionssteuer bewegt, ist ein großer Erfolg der SPD", sagte Partei-Chef Sigmar Gabriel. "Jetzt kommt es darauf an, dass sich Union und FDP klar zu der Transaktionssteuer bekennen. Unverbindliche Prüfaufträge reichen nicht aus."
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete das Ergebnis des Koalitionsausschusses als "wirklich beschämend". Es werde offen gelassen, ob die Regulierung global oder europäisch sein solle und welche der beiden Steuern favorisiert werde. Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, kritisierte, die Koalition kündige eine Transaktionssteuer an, die letztlich gar keine sei. Nur die Bankengewinne zu besteuern, werde nicht zur Eindämmung von Spekulationen führen.
Schäuble bleibt skeptisch
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte unterdessen klar, dass er vorerst nur geringe Chancen für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sieht. Die meisten EU-Länder seien so wie die Bundesregierung der Meinung, dass eine solche Steuer nur weltweit sinnvoll sei. In Europa bestünden aber "erhebliche Zweifel", ob sich eine solche Abgabe global durchsetzen lasse, sagte er beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Einführung einer solchen Abgabe. "Es wäre weit hergeholt anzunehmen, dass eine Steuer auf Finanztransaktionen erhoben wird", sagte sie und dämpfte damit Erwartungen, die Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker kurz zuvor geweckt hatte.
Reaktion bei Banken und Sparkassen unterschiedlich
In der deutschen Finanzbranche gehen die Meinungen über eine Finanztransaktionssteuer weit auseinander. "Ohne überhaupt an den Ursachen der Krise anzusetzen, verteuert eine solche Steuer Finanzdienstleistungen", erklärte der Bundesverband deutscher Banken. Die Folge seien höhere Zinsen für Kreditnehmer und niedrigere Renditen für Anleger. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sprach dagegen von einem wirksamen Instrument zur Regulierung internationaler Bankenmärkte. Damit könnten hochspekulative Finanzderivategeschäfte eingedämmt werden, betonte Verbandspräsident Heinrich Haasis. Anders als bei einer reinen Bankenabgabe würden zudem alle Marktteilnehmer wie Versicherungen und Hedgefonds zur Kasse gebeten.