Details zum EU-Haushalt Milliardenversprechen ohne Zahlungsgarantie
Die Obergrenze von 960 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 ist der Kern der Einigung beim EU-Gipfel. Doch wofür soll das Geld ausgegeben werden? Warum ist die Aufregung im Europaparlament groß? Und warum ist das Thema noch nicht vom Tisch? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Von Fabian Grabowsky und David Rose, tagesschau.de
Was haben die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen?
Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf den sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 geeinigt. Dieser legt die Obergrenzen für die gesamten EU-Ausgaben sowie die Verteilung der Gelder auf wichtige Aufgabenbereiche fest. Diese Vorgaben müssen dann später eingehalten werden, wenn die jährlichen EU-Haushalte verabschiedet werden.
Der EU-Gipfel beschloss, dass die EU-Ausgaben in den kommenden sieben Jahren insgesamt bei maximal 960 Milliarden Euro liegen dürfen. Das liegt deutlich unter dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission von 1,09 Billionen Euro. Die neue Obergrenze bedeutet aber auch eine Kürzung im Vergleich zur laufenden Haushaltsperiode. Im mehrjährigen Finanzrahmen 2007-2013 sind Ausgaben bis zu 993,6 Milliarden Euro erlaubt.
Wofür soll das Geld ausgegeben werden?
Auch das war auf dem Gipfel ein strittiges Thema, um das bis zuletzt gerungen wurde. Das meiste Geld soll laut dem letzten Kompromissvorschlag von Ratspräsident Herman Van Rompuy weiter für den Agrarbereich ausgegeben werden. Dafür sind bis zu 373,5 Milliarden vorgesehen und damit rund 47 Milliarden Euro weniger als in der laufenden Periode. Zweitgrößter Posten soll auch künftig die Strukturförderung sein. In diesen Bereich fließen künftig 324,7 Milliarden Euro und damit ebenfalls deutlich weniger als bisher. Kräftig erhöht werden laut der Einigung die Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung. Hier ist eine Aufstockung um etwa 34 auf insgesamt 125,7 Milliarden Euro vorgesehen. Für die Verwaltung der EU sind 61,6 Milliarden Euro vorgesehen, für die Außenpolitik sind 58,8 Milliarden Euro eingeplant und für den Bereich Unionsbürgerschaft 15,7 Milliarden Euro.
Ist der Streit um den EU-Haushalt damit gelöst?
Nein. Denn der mehrjährige Finanzrahmen 2014 bis 2020 kann nur in Kraft treten, wenn die Regierungen aller 27 EU-Staaten und das Europäische Parlament zustimmen. Auf dem Gipfel fanden die Regierungen zwar zu einer einheitlichen Position. Doch es ist fraglich, ob auch die Abgeordneten des Europaparlaments diesen Kompromiss unterstützen. Denn sie hatten deutlich höhere Ausgaben gefordert und bemängelten in ersten Reaktion die zu geringen Investitionen. Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte den Gipfelbeschluss scharf und sprach von einem "verbotenen Defizithaushalt" und dem Weg in einen Defizitunion.
Warum gibt es Widerstand aus dem Europäischen Parlament?
Die Kritik des Europaparlaments entzündet sich einerseits an den Kürzungen im Vergleich zur laufenden Finanzperiode. Vor allem wichtige Ausgabenposten, die für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa sorgen sollen, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, so das Argument. Die Kritik setzt aber auch am Unterschied zwischen den sogenannten Zahlungs- und Verpflichtungsermächtigungen an. Die vom Gipfel beschlossene Obergrenze von 960 Milliarden Euro bezieht sich auf die Verpflichtungsermächtigungen. Die Zahlungsermächtigungen sollen dagegen bei höchstens 908,4 Milliarden Euro liegen. Das bedeutet, dass sich die EU in den kommenden Jahren zwar zu Ausgaben von bis zu 960 Milliarden Euro verpflichten, aber höchstens 908,4 Milliarden Euro ausgeben dürfte. Eine Lücke zwischen diesen beiden Zahlen ist zwar aufgrund einer Besonderheit des europäischen Haushaltsrechts üblich. Die vorgesehen Dimension dieser Lücke führt aber nach Ansicht von Europarlamentspräsident Schulz zwangsläufig zu einem Defizit, was auf EU-Ebene verboten ist.
Was ist der Unterschied zwischen Zahlungs- und Verpflichtungsermächtigungen?
Verpflichtungsermächtigungen geben an, bis zu welcher Höhe sich die EU zu Ausgaben verpflichten darf, zum Beispiel in Form von Aufträgen, Verträgen und Zusagen. Wie viel Geld aber tatsächlich ausgegeben werden darf, wird durch die Zahlungsermächtigungen festgelegt. Dass sich beide Zahlen in der Regel deutlich unterscheiden, hat mehrere Gründe.
Es ist üblich, dass die EU für bestimmte Aufgaben Fördergelder bereithält, die dann aber am Ende nicht in voller Höhe abgerufen werden. Das bedeutet, dass Ausgaben zwar eingeplant sind, aber die Hilfen nicht vollständig in Anspruch genommen werden - zum Beispiel, weil die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern nicht erfüllt werden. Auch in verschiedenen Notfallfonds bleibt oft am Ende einer Finanzperiode Geld übrig. Aufgrund dieser Erfahrungswerte ist es üblich, dass die EU mehr Geld zusagt, als sie tatsächlich ausgibt.
Besonders bei großen Projekten passiert es zudem oft, dass zum Beispiel ein Preis oder bestimmte Finanzhilfen zu Beginn festgelegt werden, aber erst nach und nach oder sogar erst Jahre später tatsächlich Geld fließt. Das bedeutet zwar, dass die EU kurzfristig mehr versprechen kann, als sie dann auch direkt ausgeben muss. Zugleich werden aber auch in jeder Haushaltsperiode Rechnungen fällig, die auf Zusagen der Vergangenheit beruhen.
Was passiert, wenn sich Regierungen und EU-Parlament nicht einigen?
Sollte es bis zum Ende des Jahres keine Einigung geben, gälten die Höchstgrenzen des Jahresetats 2013 plus Inflationsausgleich vorerst weiter. Er sieht Verpflichtungsermächtigungen von 152,5 Milliarden Euro vor. Die Mitgliedsstaaten müssten diese Jahresbudgets jeweils mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Die Nehmerländer hätten dann die Stimmenmehrheit - und würden sie sicherlich nicht für radikale Kürzungen einsetzen. Ein einzelnes Land könnte ein Jahresbudget nicht mehr per Veto blockieren.
Woher kommt das Geld für den EU-Haushalt?
Die EU darf keine eigenen Steuern erheben. Sie ist also auf Zuwendungen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Der Topf wird zum einen aus einem festgesetzten Anteil der Mehrwertsteuereinnahmen der EU-Staaten gespeist. Hinzu kommen Zölle auf Warenimporte und Strafzahlungen von Firmen, die gegen EU-Recht verstoßen haben. Für eine mögliche EU-Finanztransaktionssteuer gibt es momentan unter den Regierungen keine Mehrheit.
Aber zum größten Teil müssen die EU-Länder das Geld selbst aufbringen. Dies macht mehr als drei Viertel des Budgets aus. Diese Beiträge zahlen die Staaten anteilig nach ihrer Wirtschaftskraft. Deutschland ist mit rund 20 Prozent des Gesamtbeitrags der größte Beitragszahler.
Als Nettozahler werden jene Länder bezeichnet, die mehr an die EU zahlen als sie zurückbekommen. Deutschlands Nettobeitrag lag beispielsweise 2011 bei rund neun Milliarden Euro. Große Nettozahler sind auch Frankreich, Italien, Großbritannien und die Niederlande. Für mehrere Länder, darunter Deutschland und die Niederlande, gelten allerdings auch Rabatte - am bekanntesten ist aber der "Britenrabatt" von 66 Prozent des Nettobetrags. Neu hinzukommen soll laut der Gipfeleinigung ein Rabatt für Dänemark.
Kritiker halten das Modell der reinen Nettobetrachtung für einseitig: So profitiert die deutsche Wirtschaft überproportional vom gemeinsamen EU-Wirtschaftsraum. Polen war 2011 mit rund elf Milliarden Euro hinsichtlich der Gesamtsumme größter Nettoempfänger. Es folgen Griechenland, Ungarn, Spanien und Portugal.