EU-Haushalt 2017 Wer zahlt die Krisen-Rechnung?
Die EU zückt die Rechenbücher und plant ihren Haushalt für das kommende Jahr. Dabei wird vor allem offensichtlich: Die Krisen und ihre Folgen hinterlassen ziemliche Löcher im Zahlenwerk. Nun stellt sich die Frage: Wie die Finanzlücken am besten schließen?
Von Karin Bensch, ARD-Studio Brüssel
Kriege, Krisen, Katastrophen: Wie will die EU im nächsten Jahr all die Folgekosten zahlen, zum Beispiel die der Flüchtlingskrise? In der EU-Türkei-Vereinbarung hat die Europäische Union der türkischen Regierung drei Milliarden Euro zugesagt, mit denen vor allem syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei besser versorgt werden sollen, sagt Jens Geier von der SPD, stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Europaparlament. Er ist der Berichterstatter für den EU-Haushalt 2017.
Der europäische Haushalt solle dazu eine Milliarde beitragen, sagt Geier weiter: "250 Millionen Euro stehen dazu im Haushalt 2016, der jetzt läuft, bereit. 750 Millionen müssten wir also nächstes Jahr noch aufbringen."
Ungenutztes Geld soll Löcher stopfen
Doch woher soll das Geld kommen? Der EU-Haushalt für 2017 soll knapp 140 Milliarden Euro betragen. Das ist etwa doppelt so viel wie der Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen. Das Geld kommt durch Umverteilung zustande, sagt Geier. Die gesamte europäische Entwicklungs- und Außenpolitik werde "ausgekämmt", um möglichst viel Geld zusammenzukratzen.
Ein Vorschlag dabei: Ungenutztes Geld aus 2016 soll laut Geier für sogenanntes "front loading" bereitgestellt werden, um im nächsten Haushalt entsprechend weniger einsetzen zu müssen. "Das würde uns Luft verschaffen, um mehr Geld in die Entwicklungspolitik zu tun", führt Geier aus. Ungenutztes Geld entsteht zum Beispiel dadurch, dass europäische Länder bei der EU-Kommission angeben, dass sie im nächsten Jahr Millionensummen für regionale Großprojekte brauchen, etwa für Flughäfen. Wenn solche Projekte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung durchfallen, bleibt das dafür vorgesehene Geld im laufenden Haushalt liegen und kann dann für andere Dinge genutzt werden.
Schwaches Pfund greift auch EU an
Es gibt aber noch einen Brennpunkt im EU-Haushalt: die schwache Währung der Briten. Großbritannien zahlt seinen Euro-Beitrag für den EU-Haushalt in britischen Pfund nach einem bestimmten Wechselkurs, der zu Jahresanfang festgelegt wird. Nach dem Brexit-Referendum ist das britische Pfund allerdings ordentlich abgerauscht, es hat fast zehn Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro verloren. "Die Pfunde, die die Briten aufwenden, reichen nicht aus, um in Euro ihren Beitrag zu erstatten. Daraus entsteht ein Defizit. Und die EU darf kein Defizit machen. Das ist verboten laut Vertrag", sagt Geier.
Wer zahlt also das britische Loch im EU-Haushalt? Erste Möglichkeit: Die Briten zahlen selbst. Doch die neue britische Regierung hat bereits angedeutet, dass sie dazu nicht bereit ist.
Keine "vergoldeten Weihnachtsgeschenke"
Die zweite Option wäre, dass andere EU-Länder für die Briten zahlen. Ebenfalls eine sehr unpopuläre Lösung. Die dritte und möglicherweise beste Möglichkeit könnte lauten: Das britische Defizit wird mit Geld bezahlt, das in den EU-Haushalt reinkommt und erst einmal keinem gehört - etwa aus Strafzahlungen gegen Großkonzerne wegen Wettbewerbsverzerrung.
Dieses Geld wird im Haushalt nur gesammelt und fließt normalerweise am Ende des Jahres nach einem bestimmten Schlüssel in die EU-Länder, erklärt Geier: "Das wäre ein aus meiner Sicht interessanter Präzedenzfall, dieses Geld endlich mal für gemeinsame europäische Politik nutzbar zu machen - und nicht den nationalen Finanzministern ein vergoldetes Weihnachtsgeschenk zu überreichen."