EU-Haushaltsgipfel unterbrochen Hängepartie in Brüssel
Die Staats- und Regierungschefs der EU ringen noch immer um eine Lösung um Streit um den Haushaltsplan für die kommenden Jahre. Die Verhandlungen aller Gipfelteilnehmer wurden am frühen Morgen unterbrochen. Nun soll in kleinen Gesprächsrunden ein Durchbruch erzielt werden.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Angela Merkels Skepsis hat sich als berechtigt herausgestellt: Vor gut 15 Stunden ist die Bundeskanzlerin im Brüsseler Ratsgebäude eingetroffen, und noch immer ist kein Ende der Hängepartie um das künftige EU-Budget abzusehen. "Die Positionen sind doch noch recht weit auseinander. Aber wir müssen hart arbeiten, und ich werde das tun", sagte die Kanzlerin.
Und das tut sie zahlreichen Gesprächen mit wechselnder Zusammensetzung. Eine erste gemeinsame Runde aller Regierungschefs wurde kurz nach Mitternacht unterbrochen. Gipfelchef Herman Van Rompuy versucht derzeit, einen neuen Gesamtvorschlag zusammenzustellen. Es gilt als sicher, dass er darin die Obergrenze für das EU-Budget im Vergleich zu seinem Vorschlag auf dem gescheiterten November-Gipfel noch einmal um 10 bis 15 Milliarden Euro zusammenkürzen wird - auf dann etwa 960 Milliarden Euro für die sieben Jahre von 2014 bis 2020. Damit will er den Geberländern entgegenkommen, also den Ländern, die mehr in die gemeinsame Kasse einzahlen als sie zurückbekommen.
Cameron gibt sich kämpferisch
Besonders lautstark sprach sich der britische Premier David Cameron für weitere Kürzungen aus: "Die Zahlen, die im November vorgeschlagen wurden, sind viel zu hoch. Sie müssen herunter. Und wenn sie nicht herunterkommen, dann wird es keinen Deal geben."
Ganz andere Töne sind da von Frankreichs Staatschef Francois Hollande zu hören. Die EU müsse weiter genug Geld haben, um Wirtschaftswachstum anzuschieben und die Bauern zu unterstützen: "Wenn es welche gibt, die unvernünftig sind, dann werde ich sie zur Vernunft bringen."
Merkel fordert Solidarität zwischen den Gebern und Nehmern
Auch das hört sich nicht nach Samthandschuhen an. Und dann sind da noch die ärmeren und krisengeschüttelten Länder im Osten und im Süden zufriedenzustellen, die keine Abstriche an den EU-Förderfonds hinnehmen wollen. Die Bundeskanzlerin sieht sich da ein bisschen als Mittlerin zwischen den verhärteten Fronten: "Wir müssen auf der einen Seite natürlich sorgsam mit dem Geld umgehen, auf der einen Seite aber natürlich auch solidarisch zwischen Nettozahlern und Empfängerländern sein."
Ohne das Europäische Parlament läuft gar nichts
Diplomaten berichten dennoch von einer langsamen Annäherung der Positionen. Aber selbst wenn die Einigung zustande kommen sollte, ist dann mit dem Widerstand des Europäischen Parlaments zu rechnen. Dessen Präsident Martin Schulz kritisierte, dass die Zukunftsausgaben zu sehr zusammengestrichen werden sollen: Forschung, grenzüberschreitende Energie- und Telekommunikationsnetze, Jugendaustausch: "Der jetzige Vorschlag ist, wenn er wahr würde, der rückwärtsgewandteste Entwurf, den wir jemals für einen mehrjährigen Haushalt hatten."
Von einem Aufbruch, von einer Innovation kann keine Rede sein. Das alles führt dazu, dass das Europäische Parlament sehr skeptisch ist. Und ohne die Zustimmung des Parlaments kann der Finanzplan nicht in Kraft treten.
Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU Obergrenzen und Schwerpunkte ihrer Haushalte fest. Für einen Zeitraum von sieben Jahren werden unter anderem die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung auf wichtige Aufgabenbereiche vereinbart. Innerhalb dieser Vorgaben müssen sich später die jährlichen Etats bewegen.
Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.