EU-Finanzplanung von 2014 bis 2020 Das große Ringen um eine Billion Euro

Stand: 07.02.2013 11:27 Uhr

Beim EU-Sondergipfel soll endlich der Finanzrahmen für 2014 bis 2020 beschlossen werden. Ein erster Anlauf war im Herbst gescheitert. Jetzt geht es wieder um rund eine Billion Euro - die genaue Summe ist umstritten. Und wohin soll das Geld fließen? tagesschau.de erläutert die vertrackte Lage.

Von Fabian Grabowsky und Julia Kuttner, tagesschau.de

Worum geht es in Brüssel?

Der EU-Sondergipfel beschäftigt sich mit dem mehrjährigen Finanzrahmen. Dieser legt die Obergrenzen für die gesamten EU-Ausgaben in den jeweils kommenden sieben Jahren fest. Dieses Mal geht es um die Jahre 2014 bis 2020. Diesen Finanzrahmen müssen die 27 Staats- und Regierungschefs einstimmig verabschieden. Das heißt also auch: Kein einziges Land darf Nein sagen. Und dann muss erstmals auch noch das Europaparlament zustimmen.

Alle sieben Jahre ist eine Einigung schwierig – dieses Mal aber besonders. Zudem stehen die Regierungen nach den gescheiterten Verhandlungen im vergangenen Herbst massiv unter Druck. Aber: Viele Länder wollen eine erneute Pleite auf jeden Fall vermeiden. Deutschland und Frankreich sorgen sich vor einer weiteren Destabilisierung der EU. Auch viele Nehmerländer sind sehr an einer Einigung interessiert: Sie hängen stark von EU-Geldern  ab – bei Ungarn und Lettland machen sie beispielsweise fast fünf Prozent des nationalen Etats aus.

Woher kommt das Geld?

Die EU darf keine eigenen Steuern erheben. Sie ist also auf Zuwendungen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Der Topf wird zum einen aus einem festgesetzten Anteil der Mehrwertsteuereinnahmen der EU-Staaten gespeist. Hinzu kommen Zölle auf Warenimporte und Strafzahlungen von Firmen, die gegen EU-Recht verstoßen haben. Für eine mögliche EU-Finanztransaktionssteuer gibt es momentan unter den Regierungen keine Mehrheit.

Aber zum größten Teil müssen die EU-Länder das Geld selbst aufbringen. Dies macht mehr als drei Viertel des Budgets aus. Diese Beiträge zahlen die Staaten anteilig nach ihrer Wirtschaftskraft. Deutschland ist mit rund 20 Prozent des Gesamtbeitrags der größte Beitragszahler.

Als Nettozahler werden jene Länder bezeichnet, die mehr an die EU zahlen als sie zurückbekommen. Deutschlands Nettobeitrag lag beispielsweise 2011 bei rund neun Milliarden Euro. Große Nettozahler sind auch Frankreich, Italien, Großbritannien und die Niederlande. Für mehrere Länder, darunter Deutschland, gelten allerdings auch Rabatte - am bekanntesten ist aber der "Britenrabatt" von 66 Prozent des Nettobetrags. Allerdings halten Kritiker das Modell der reinen Nettobetrachtung für einseitig: So profitiert die deutsche Wirtschaft überproportional vom gemeinsamen EU-Wirtschaftsraum. Polen war 2011 mit rund elf Milliarden Euro hinsichtlich der Gesamtsumme größter Nettoempfänger. Es folgen Griechenland, Ungarn, Spanien und Portugal.

Um welche Summe geht es?

Um rund eine Billion Euro - dabei ist das Wort "rund" entscheidend. Der letzte konkrete Vorschlag für den Finanzrahmen stammt vom erfolglosen Herbst-Gipfel: Van Rompuy hatte damals 1,01 Billionen Euro vorgeschlagen und von eine "Etat der Mäßigung" gesprochen - scheiterte aber unter anderem am deutschen und britischen Widerstand. Dabei liegt sein Vorschlag in realen Preisen unter dem noch geltenden Finanzplan. Vor diesem Treffen hatte die EU-Kommission, die das Erstvorschlagsrecht hat, sogar rund 1,09 Billionen Euro gefordert. Das umfasste Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 1,03 Billionen Euro und - wie bei Van Rompuy - Gelder für den Forschungsreaktor ITER und mehrere Hilfsfonds.

Tendenziell gilt: Die Nehmerländer wollen ein möglichst großes Budget und unterstützen den Kommissionsvorschlag. An ihrer Seite steht das EU-Parlament, das dem Finanzrahmen ja ebenfalls zustimmen muss. Parlamentspräsident Martin Schulz drohte mit einem Veto, sollten die Kürzungen aus Sicht der Abgeordneten zu massiv sein.

Die Geberländer wie Deutschland wiederum wollen signifikante Kürzungen. Die Bundesregierung will, dass die EU-Ausgaben nicht höher sind als ein Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU sein - Van Rompuys Vorschlag liegt bei 1,01 Prozent. Großbritannien, Schweden und die Niederlande wollen noch stärker kürzen. Frankreichs Präsident Francois Hollande wehrte sich hingegen gegen diejenigen, die den Finanzrahmen "über das vernünftige Maß hinaus amputieren wollen".

Am lautstärksten machte zuletzt Großbritannien Druck. Premier David Cameron drohte mehrfach mit einem Veto gegen den EU-Haushalt. Mitte Januar forderte er massive Reformen der EU und kündigte sogar ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft an, sollte er wiedergewählt werden. Cameron ist für eine britische EU-Mitgliedschaft - steht aber unter dem heftigen Druck von EU-Skeptikern auch in seiner Partei.

Wofür soll das Geld ausgegeben werden?

Auch das ist umstritten. In der öffentlichen Debatte geht es zwar vorwiegend um die Gesamtsumme, aber die Akteure ringen auch um die konkreten Ausgaben. Der Verteilungskampf dürfte härter werden, weil das Gesamtbudget ja kleiner werden soll.

Größter Ausgabenblock ist "Nachhaltiges Wachstum", zu dem auch die Umverteilung zwischen reicheren und ärmeren Regionen gehört. Weil letztere vor allem in Südeuropa und den Ländern im EU-Osten liegen, kommt von dort der größte Widerstand gegen Kürzungen. Van Rompuys gescheiterter November-Kompromissvorschlag sah hier eine Obergrenze von 459 Milliarden Euro vor - das wären rund 45 Prozent der Gesamtsumme.

Die Agrarpolitik ist der zweitgrößte Ausgabenblock. Van Rompuy wollte hier 372 Milliarden Euro oder rund 37 Prozent des Gesamtvolumens. Aber gleich elf Staaten - darunter Frankreich - lehnen Kürzungen in diesem Bereich ab. Einige Staaten sind vor allem gegen weniger Direktzahlungen an Bauern (Frankreich, Irland und Spanien) - anderen geht es vor allem um die Entwicklung des ländlichen Raumes.

Vergleichsweise bescheiden sind die übrigen Ausgabenblöcke, darunter die Verwaltungsausgaben. Für sie sollen 62,6 Milliarden Euro aufgewendet werden. Gerade dieser Posten war zuletzt stark umstritten: Unter anderem Cameron kritisierte, die EU-Beamten verdienten zu viel Geld. Die EU-Kommission rechtfertigte die Gehälter mit dem internationalen Wettbewerb um Spezialisten. Außerdem seien die Gehälter geringer als kritisiert wird.

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 07.02.2013 10:59 Uhr

Und wenn es keinen Kompromiss gibt?

Dann geht es trotzdem irgendwie weiter. Theoretisch haben die Staaten aber noch bis zum Jahresende Zeit, erst dann endet der aktuell noch gültige Finanzrahmen. Aber je später eine Einigung in diesem Jahr kommt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Beschlüsse im Haushalt 2014 - dem ersten des neuen Finanzrahmens - berücksichtigt werden können.

Sollte es bis zum Ende des Jahres aber keine Einigung geben, gälten die Höchstgrenzen des 2013er Jahresetats plus Inflationsausgleich vorerst weiter. Er sieht sogenannte Verpflichtungsermäßigungen von 152,5 Milliarden Euro vor. Das sind 1,15 Prozent des zusammengerechneten Bruttonationaleinkommens aller Staaten - mehr als selbst die als zu großzügig kritisierten Vorschläge von EU-Kommission und Ratspräsident Herman Van Rompuy vorsehen. Es würde also noch teurer - und langfristige Planungen würden viel schwieriger.

Die Mitgliedsstaaten müssten diese Jahresbudgets jeweils mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Die Nehmerländer hätten dann die Stimmenmehrheit -  und würden sie sicherlich nicht für radikale Kürzungen einsetzen. Ein einzelnes Land könnte ein Jahresbudget nicht mehr per Veto blockieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 07. Februar 2013 um 12:00 Uhr.