EU-Gipfel zum Haushaltsstreit 960 Milliarden Euro für sieben Jahre Europa
Jetzt ist es offiziell: Der EU-Gipfel hat im Haushaltsstreit einen Kompromiss gefunden. EU-Ratspräsident Van Rompuy gab die Einigung nach stundenlangen Verhandlungen bekannt. Klar war schon seit dem Morgen, dass die Obergrenze der Ausgaben von 2014 bis 2020 bei 960 Milliarden Euro liegen soll.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich nach mehr als 25-stündigen Verhandlungen auf die Eckpunkte für den EU-Haushalt der Jahre 2014 bis 2020 geeinigt. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy verbreitete die Nachricht per Twitter, nachdem die Staats- und Regierungschefs nochmals mehrere Stunden über letzte Details verhandelt hatten. "Deal perfekt. Gipfel einigt sich auf Haushalt für den Rest des Jahrzehnts." Und wenig später sagte es Van Rompuy auch in die Mikrofone: "Vielleicht ist dieser Haushalt für niemanden perfekt, aber darin steckt eine Menge für jeden."
Erste Kürzung des EU-Haushalts
Bereits am Morgen war nach den nächtlichen Gesprächen bekannt geworden, dass die Obergrenze für den Sieben-Jahres-Haushalt bei 960 Milliarden Euro liegen soll. Das bedeutet eine Kürzung von drei Prozent im Vergleich zur laufenden Finanzperiode 2007-2013 und den ersten Rückgang überhaupt. Ursprünglich hatte die EU-Kommission für die kommenden sieben Jahre Ausgaben von 1,09 Billionen Euro vorgeschlagen. Vor allem die Nettozahler hatten aber auf einen deutlich niedrigeren Etat gedrängt.
Viele Sieger
Großbritanniens Premierminister David Cameron, der auf strikte Kürzungen gedrängt hatte, fühlte sich als Sieger. "Im Endeffekt ist es mir gelungen, 24 Milliarden Euro zu kürzen". Der Deal ermögliche es der EU, "die Dinge zu tun, die wichtig sind", sagte Cameron mit Blick auf seine Forderung nach Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit.
Von einem "guten Kompromiss" sprach auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande. Wesentliche Forderungen Frankreichs seien erfüllt worden. "Man kann sagen, dass wir unsere Ziele erreicht haben." Vor allem im Agrarbereich habe Frankreich die EU-Subventionen aus Brüssel bewahren können. "Für die französischen Bauern - und darüber habe ich besonders gewacht - haben wir die direkten Zahlungen stabilisiert und eine Verbesserung bei den Geldern für die ländliche Entwicklung erreicht." Frankreich ist mit rund zehn Milliarden Euro jährlich der größte Profiteur der EU-Agrarzahlungen.
Auch die Bundeskanzlerin äußerte sich zufrieden. "Die Einigung ist gut, und sie ist wichtig", sagte Angela Merkel. Es gebe jetzt Planbarkeit für wichtige Projekte und Klarheit. Mit der finanziellen Vorausschau sei zudem ein Zeichen der Solidarität gesetzt worden. "Jetzt werden wir sehen, wie das Parlament darauf reagiert", sagte sie mit Blick auf den angekündigten Widerstand aus Reihen der Europaparlamentarier.
Klippe Europaparlament
Denn es ist offen, was die Einigung unter den Staats- und Regierungschefs wert sein wird. Der mehrjährige Finanzrahmen der EU kann nur mit Zustimmung des Europaparlaments in Kraft treten. Parlamentspräsident Martin Schulz hatte bereits erklärt, dass er den Kompromiss des EU-Gipfels für nicht zustimmungsfähig und für ein "illegales Budget" halte. Er begründete dies mit der großen Differenz zwischen der Obergrenze von 960 Milliarden, die allerdings nur für Zusagen der EU gilt, und der ebenfalls vereinbarten Obergrenze von 908 Milliarden Euro für tatsächliche Zahlungen.
Zwei Zahlen, zwei Geschichten
"Wie soll man das nennen?", fragt Guy Vehofstadt, der Chef der europäischen Liberalen, mit Blick auf den Sieben-Jahres-Haushalt, der zwei unterschiedliche Geschichten enthalte: "Die eine Geschichte können die Nettozahler erzählen: 'Schaut her, wir müssen nur noch 908 Milliarden Euro bezahlen.' Und die andere Geschichte können die Empfängerländer erzählen: 'Nein nein, wir kriegen aber 960 Milliarden Euro.' Wie soll man das nennen? Ist das Haushaltsbetrug?"
Auch aus anderen Fraktionen des Europarparlaments hagelte es Kritik. "Meine erste Reaktion ist negativ, weil ich glaube, dass wichtige europäische Aufgaben nicht entsprechend berücksichtigt worden sind", sagte Hannes Swoboda, der Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, und nannte sie: "Wachstum, Beschäftigung, Unterstützung der Jugend, Innovation." Auf diese Politikbereiche bezog sich auch Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms mit ihrer Kritik: "Dass das alles eher ärmlich ausgestattet wird, dass da sogar gekürzt wird, finde ich ein erschütternd schlimmes Signal aus Brüssel."
Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU Obergrenzen und Schwerpunkte ihrer Haushalte fest. Für einen Zeitraum von sieben Jahren werden unter anderem die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung auf wichtige Aufgabenbereiche vereinbart. Innerhalb dieser Vorgaben müssen sich später die jährlichen Etats bewegen.
Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.