Riesiges Sparpotenzial Warum der Stromnetzausbau so teuer ist
Für die Energiewende müssen Tausende Kilometer neue Stromleitungen verlegt werden. Ein erheblicher Anteil davon sollen Erdkabel sein - die aber sind wesentlich teurer als Freileitungen.
Es ist eine Mammutaufgabe: Für die Energiewende müssen tausende Kilometer neue Stromleitungen verlegt werden, die vor allem Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren sollen. Ein großer Anteil davon sollen Erdkabel sein - die allerdings extrem teuer sind.
Neue Berechnungen der Bundesnetzagentur zeigen nun, wie teuer: Würden statt Erdkabeln Freileitungen verlegt, ließen sich 35,3 Milliarden Euro einsparen. Von den Einsparungen beim Ausbau würden auch die Endverbraucher profitieren. Denn die Kosten für den Netzausbau werden über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt.
Derzeit geht die Behörde für den Ausbau der Strom-Übertragungsnetze bis 2045 von Gesamt-Investitionen in Höhe von rund 320 Milliarden Euro aus - sollten wie geplant vor allem Erdkabel verlegt werden. "Auf Basis aktueller Prognosen kann ein Investitionsvolumen ohne Erdkabel in Höhe von 284,7 Milliarden Euro geschätzt werden", teilte die Behörde auf Anfrage der dpa mit.
Seit 2016 haben Erdkabel Vorrang
Die neuen Leitungen sollen für eine bessere Verteilung von erneuerbarem Strom in Deutschland sorgen. Dies gilt als Voraussetzung für den Aufbau eines klimaneutralen Energiesystems. Um die Akzeptanz für den Ausbau in der Bevölkerung zu erhöhen, hatte die große Koalition aus Union und SPD 2016 einen Erdkabel-Vorrang eingeführt.
Hintergrund waren Sorgen vor "Monstertrassen". Mittlerweile sprechen sich aber mehrere Bundesländer unter Verweis auf eine mögliche Kostenersparnis dafür aus, statt auf Erdkabel auf günstigere Freileitungen zu setzen, wie eine dpa-Umfrage ergab. Und auch die Union, die den Erdkabel Vorrang einst mit eingeführt hatte, hat im Bundestag angekündigt, einen Antrag einzubringen, dass beim Ausbau künftig nicht mehr auf Erdkabel, sondern in der Regel auf Freileitungen gesetzt wird.
Habeck gegen Änderung der Regelungen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will beim Ausbau allerdings nicht umschwenken: Er sieht den Kostenaspekt, ist aber dennoch dagegen, die Regelungen zu ändern. "Wollte man auf Freileitungen umswitchen, ginge das allenfalls, wenn die Länder schnell und in großer Gemeinsamkeit inklusive Bayern die Bundesregierung auffordern, das zu tun. Und alle müssten dann geschlossen in den Regionen dafür werben. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich", sagte der Grünen-Politiker im März in einem Interview der "Zeit".
Durch lange Debatten darüber werde der Ausbau nur noch teurer. "Wir haben den Netzausbau jetzt so beschleunigt, weitere Verzögerungen wären schädlich", so Habeck. Nach Angaben seines Ministeriums müssen für die Energiewende bis 2045 rund 18.000 Kilometer an Netz verstärkt oder ausgebaut werden. Dieses Jahr werde ein Rekordzubau von rund 1.500 Kilometern erwartet.
Trassenverläufe könnten sich ändern
Die Bundesnetzagentur bestätigt, dass bei einem Umschwenken von Erdkabeln auf Freileitungen bei Vorhaben, die sich bereits im Genehmigungsprozess befänden, mit Verzögerungen zu rechnen sei. "Eine Entscheidung, den Erdkabelvorrang anzupassen, wäre politisch zu treffen", erklärte ein Behördensprecher "Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass bei den Gleichstromvorhaben der Gesetzgeber die Entscheidung trifft, ob die Projekte als Freileitung oder Erdkabel realisiert werden."
Der Netzagentur lägen keine Erkenntnisse vor, die technisch oder raumplanerisch gegen eine Umsetzung der Erdkabelprojekte als Freileitungen sprächen, hieß es weiter: "Die Vereinbarkeit von Netzausbauvorhaben mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung kann sowohl für Erdkabel- als auch für Freileitungsvorhaben gleichermaßen geprüft werden." Aufgrund methodischer Unterschiede bei der Untersuchung könne es allerdings zu verschiedenen Trassenverläufen kommen.