Hohe Energiekosten Industrie kritisiert das Strompreispaket
Macht der Strompreis-Kompromiss deutsche Firmen wettbewerbsfähiger? Die Rückmeldungen aus der Industrie sind schlecht, wie eine Umfrage des ARD-Hauptstadtstudios zeigt. Unzufriedenheit gibt es auch in der SPD.
Die deutsche Wirtschaft klagt seit langem über hohe Strompreise. Die Bundesregierung hat sich deshalb auf Strompreis-Entlastungen für die Industrie geeinigt, die fünf Jahre lang gelten sollen. Für das kommende Jahr soll die Entlastung bis zu 12 Milliarden Euro betragen. Trotzdem sind viele Unternehmen unzufrieden, wie Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios zeigen.
So schreibt zum Beispiel der Chemiekonzern BASF auf Anfrage, es sei gut, dass sich die Bundesregierung auf ein Strompaket geeinigt habe, das eine Reihe von positiven Maßnahmen enthalte. "Allerdings werden die Maßnahmen nach erster Einschätzung für BASF nicht zu einem Strompreis von 6 Cent pro kWh führen." Sechs Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen - das war aber das eigentliche Ziel von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gewesen.
"Nur ein schlechter Kompromiss"
Auch der Verband der Chemischen Industrie schreibt dem ARD-Hauptstadtstudio: "Kompromisse retten Koalitionen, nicht aber den Industriestandort im internationalen Wettbewerb." Das Strompreispaket der Regierung sei für die energieintensive Industrie kein Befreiungsschlag, "sondern nur ein schlechter Kompromiss". Die Maßnahmen erhielten den Status quo, brächten der Branche aber nicht die zwingend notwendige Entlastung.
Auch in der Chemiebranche ist das Unternehmen Dow tätig. Zum Beispiel in Stade in Niedersachsen stellt die Firma mit über 1000 Mitarbeitern Grund- und Spezialchemikalien her.
Auf Anfrage schreibt das Unternehmen, es sei zwar ein guter Schritt, dass sich die Bundesregierung auf ein Strompreispaket geeinigt habe. "Nach erster Einschätzung gehen wir aber davon aus, dass sich die angekündigten Maßnahmen nur minimal auf uns als energieintensives Unternehmen auswirken werden." Insbesondere werde man damit keinen Strompreis erreichen können, der im Bereich des gewünschten Brückenstrompreises liege.
Weiter heißt es von Dow: "Ein zeitlich begrenzter Brückenstrompreis wäre der Schlüssel gewesen, um den Industriestandort Deutschland international wettbewerbsfähig aufzustellen und der Transformation zu einer CO2-neutralen Wertschöpfungskette einen Schub zu versetzen." Dieser entscheidende Hebel bleibe leider aus.
"Kein großer Wurf"
Auch andere energieintensive Branchen haben Zweifel, ob die Maßnahmen der Bundesregierung den erwünschten Effekt haben können. Volkswagen braucht beispielsweise viel Energie für seine künftige Batteriezellenproduktion in Salzgitter. Dem ARD-Hauptstadtstudio schreibt das Unternehmen auf Anfrage, die Wirtschaft habe jetzt zwar Planungssicherheit und in der Breite werde es für viele Entlastungen geben. "Aber ganze Bereiche energieintensiver Industrien, die auf grüne Zukunftstechnologien umstellen, wie zum Beispiel die Fertigung von Batteriezellen, müssen im Wettbewerbsvergleich weiterhin zu hohe Energiekosten tragen."
Die Stahlbranche zieht ein ähnliches Fazit. Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt lobt zwar den enthaltenen Bürokratieabbau im Paket, schreibt aber gleichzeitig, der große Wurf sei die Einigung nicht: "Das erklärte Ziel wettbewerbsfähiger Strompreise für energieintensive Unternehmen ist mit diesem Kompromiss nicht erreicht." Dieser dringenden Aufgabe müsse sich die Bundesregierung weiter stellen.
Ernüchterung in der Stahlbranche
Ähnlich sieht man das auch bei der Stahl-Holding-Saar. Das Unternehmen schreibt, man begrüße, dass Bewegung in das Thema Strompreise komme: "Die konkrete Absenkung des Strompreises auf sechs Cent wäre ein klares Signal in Richtung der energieintensiven Unternehmen gewesen."
Wolle man den Industriestandort Deutschland erhalten, müsse es eine dauerhafte Lösung mit international wettbewerbsfähigen Strompreisen in ausreichenden Mengen geben. Das schaffe Vertrauen in den Industriestandort Deutschland und sei Voraussetzung für die erforderlichen Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Aktuell sei der von der Regierung angekündigte Strompreis von sechs Cent für das saarländische Unternehmen nicht zu erreichen.
SPD-Politiker sehen Nachbesserungsbedarf
Dass die Industrieunternehmen mit der Entscheidung der Ampel nicht zufrieden sind, ist offenbar auch in der Politik angekommen. Schon am vergangenen Sonntag sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem ARD-Hauptstadtstudio, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sei die Messlatte. Sein Eindruck sei: "Da muss noch nachgearbeitet werden."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verwies gestern auf beihilferechtliche Probleme auf EU-Ebene, die verhindert hätten, dass man den Weg habe gehen können, den seine Fraktion bevorzugt habe. Der Politiker tat sich ich sichtlich schwer, den Kompromiss öffentlich gut zu finden.
Und auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) zeigt sich noch nicht zufrieden. Auf Anfrage teilt sie mit, endlich bewege sich etwas bei Thema Strompreis, aber das reiche noch nicht: "Wir müssen sehen, dass wir in Deutschland deutlich teurer sind als andere Länder. " Das werde durch die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen nicht für alle ausreichend ausgeglichen. Noch scheint beim Thema Industriestrompreis also das letzte Wort nicht gesprochen.