In Frankfurt-Höchst Erstes Passivhaus-Klinikum der Welt
Krankenhausbetrieb rund um die Uhr sorgt für einen Spitzenverbrauch an Energie. Das Klinikum Frankfurt-Höchst spart jetzt als erstes Krankenhaus der Welt mit einem Passivhaus-Neubau effizient Energie ein.
Die Aufregung ist groß, als am vergangenen Wochenende die ersten Patienten vom maroden Altbau in den hochmodernen Neubau des Klinikums in Höchst, einem Stadtteil von Frankfurt am Main, verlegt werden. Alles muss möglichst schnell gehen. "Wir haben seit Tagen und Wochen schon Stressschweiß auf der Stirn," erzählt Oberärztin Samantha Wittner.
Den Umzug von 350 Patienten, unter ihnen auch die Schwerkranken der Intensivstation, innerhalb von nur zwei Tagen zu bewältigen, ist eine echte Mammutaufgabe für das Krankenhauspersonal. Vier Jahre lang wurde das Ganze akribisch vorbereitet. Monatelang wurde geprobt, insgesamt 7000 Kisten gepackt. Und nun ist es endlich geschafft.
Stolz auf eine Weltneuheit
"Das war eine logistische Meisterleistung von allen Beteiligten", freut sich Martin Menger, Vorsitzender der Geschäftsführung des kommunalen Klinikverbundes varisano Kliniken Frankfurt-Main-Taunus. Abgesehen von einigen "Anfangs-Wehwehchen" in der Logistik, IT und Haustechnik habe alles sehr gut funktioniert, sagt Menger gegenüber tagesschau.de. "Ich denke, dass wir alle sehr stolz darauf sind, in dieses wunderschöne Krankenhaus jetzt eingezogen zu sein." Der Chef des städtischen Klinikums spricht begeistert von einem "Quantensprung".
Bereits im Sommer erhielt der neue Klinikteil für seine energetisch vorbildliche Bauweise als erstes Krankenhausgebäude der Welt das Siegel als zertifiziertes Passivhaus. 260 Millionen Euro hat das hochenergieeffiziente Gebäude gekostet, ausgestattet mit modernster Medizintechnik. Auf einer Gesamtfläche von 79.000 Quadratmetern bietet es Platz für 675 Betten sowie 40 Plätze in der Tagesklinik.
Die Mehrinvestitionskosten für die Passivhaus-Bauweise lagen bei etwa sechs Prozent der Gesamtinvestitionskosten. Das entspreche rund 15,6 Millionen Euro, rechnet Berthold Kaufmann vom Darmstädter Passivhaus Institut vor. Das unabhängige Forschungsinstitut hat den Bauprozess seit 2011 begleitet. "Die Kosten für das Krankenhaus in Höchst sind absolut im Rahmen von anderen Kliniken", erklärt Kaufmann.
Enorme Energieeinsparungen und Erleichterungen
Die Gebäudehülle der neuen Passivhaus-Klinik erhielt eine 20 Zentimeter dicke Wärmedämmung. Die Fenster sind dreifachverglast und ihre Rahmen ebenfalls wärmegedämmt. Dazu kommt die automatische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die auf den Stationen dauerhaft für frische Luft sorgt und dadurch das Klinikpersonal stark entlastet. "Es muss also niemand mehr Fenster öffnen und schließen, wenn es stickig wird, sondern das macht die Lüftung. Das sehen wir als wirklich großen Meilenstein", so Energieexperte Kaufmann.
Das Besondere bei der Herangehensweise waren die detaillierten Messungen im Vorfeld, die bislang nicht zur Standardroutine gehören. "Die besonderen medizintechnischen Anforderungen für Sterilisation, aber auch Wäscherei oder Küche erzeugen Wärme," erläutert Kaufmann. Detailliert berechnete das Passivhaus Institut den individuellen Energiebedarf des Klinikums. Das Ergebnis: "Wir kommen jetzt für Heizung, Kühlung, Warmwasser, elektrischen Strom und Lüftung auf einen Primärenergiebedarf von etwa 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr." Im Vergleich dazu seien es beim alten Klinikgebäude, das aus den 1960er-Jahren stammt, mehr als 500 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr gewesen.
Vorbild für die weltweite Krankenhaus-Landschaft
Für die kriselnde Krankenhausbranche sind die Energiekosten zu einem immer wichtigeren Faktor geworden. "Keiner konnte wissen, dass wir so eine Energiekrise kriegen und uns die Preise so davongaloppieren," sagt Klinik-Geschäftsführer Menger. Nun profitiere das Krankenhaus stark: "Wir gehen beim Gasverbrauch pro Quadratmeter von 80 Prozent Einsparung aus." Das Gebäude könne bei konstanten Raumtemperaturen kalten Wintern und heißen Sommern problemlos trotzen.
"Weniger CO2-Ausstoß, Wärmerückgewinnung und Einsparungen - da suchen ja alle nach", betont Menger stolz. "Es wird sicherlich Nachahmer geben", erwartet er. Der Ansturm an Anfragen aus der ganzen Welt sei so groß, dass er für das Krankenhaus in Frankfurt-Höchst kaum noch zu bewältigen sei.
Auch Experte Kaufmann vom Passivhaus Institut hofft, dass das Passivhaus-Modell Schule macht, "in die allgemeine Krankenhausplanung einfließt" und weitere Kliniken in Zukunft energieeffizient geplant werden. Der 14-stöckige Altbau des Klinikums Frankfurt-Höchst soll in den kommenden zwei Jahren abgerissen und durch einen weiteren Neubau ersetzt werden - wieder in der weltweit vorbildlichen Passivhaus-Bauweise.