Energetische Sanierung Sanierungsquote für Klimaziele viel zu gering
Zahlreiche Gebäude und Wohnhäuser in Deutschland sind sanierungsbedürftig. Einer Studie zufolge ist daher das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 aktuell nicht zu schaffen. Dafür fehlen schlichtweg die Handwerker.
Das von der Bundesregierung angepeilte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ist aus Sicht von Expertinnen und Experten im Gebäudesektor unter derzeitigen Bedingungen nicht zu schaffen. Bei energetischen Sanierungen gebe es wegen des "Nadelöhrs" Fachkräftemangel massive Kapazitätsengpässe, heißt es in einer Studie des Münchner Beratungsunternehmens "S&B Strategy", die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
"Es fehlen schlichtweg die erforderlichen Handwerker, um die Sanierungsarbeiten umfänglich durchzuführen. Damit bedrohen die Kapazitätsengpässe im Handwerk die gesamte Klimastrategie Deutschlands", sagte Manager Fabio Meggle. Für die Studie wurden unter anderem Daten des Umweltbundesamtes, des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, der Deutschen Energie-Agentur sowie von S&B erhobene Daten verwendet.
"Meilenweit" von Sanierungszielen entfernt
Deutschland fahre zweigleisig und setze bei der Minderung des Treibhausgasausstoßes neben der Elektrifizierung der Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen auch auf eine Verringerung des Energiebedarfs durch Dämmungen der Gebäudehüllen, so Meggle. Gerade bei Dächern und Fassaden sei man jedoch "meilenweit von einem Szenario entfernt, die Sanierungsziele bis 2045 zu schaffen", sagte Christoph Blepp, Managing Partner bei S&B, die Unternehmern und Investoren in den Bereichen Gebäude und Infrastruktur berät.
Den gesamten Investitionsbedarf, um das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2045 zu erreichen, schätzen die Expertinnen und Experten auf rund 1,2 Billionen Euro - in den wichtigsten vier Gewerken Heizung, Fenster, Dach und Fassade. So gebe es allein im Bereich Wohnen deutschlandweit 15,7 Millionen Gebäude, die seit ihrer Errichtung nicht oder nur teilweise energetisch saniert wurden. Hinzu kämen rund 1,7 Nicht-Wohn-Gebäude, die vor 2001 erreichtet wurden und damit potenziell sanierungsbedürftig seien.
Mehr Personal lasse sich kurzfristig allerdings kaum rekrutieren, heißt es in der Studie. Im Gegenteil: In den kommenden Jahren werden zahlreiche Handwerker in den Ruhestand gehen und ausreichend Nachwuchs fehlt.
Steigerung der Produktivität und Anreize nötig
Zentraler Hebel, um bei der Sanierung im Gebäudebereich voranzukommen, sei eine deutliche Steigerung der Produktivität - etwa durch eine stärkere Vorkonfektionierung, fertige Module, neue Geschäftsmodelle und effizientere Prozesse. Viele Bauzulieferer arbeiteten an Lösungen, die die für die Installation von Heizungen oder Fassaden benötigte Zeit deutlich verringerten, so Meggle. Auch eine Entschlackung von Normen und Regularien sei nötig.
Die Umweltschutzorganisation BUND und der Deutsche Mieterbund (DMB) hatten im April ebenfalls kritisiert, dass der Klimaschutz in Gebäuden hinterher hinke. Sie forderten eine "sofortige Kurskorrektur". Und das heißt insbesondere: mehr staatliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung.
"Die Ziellücke bis 2030 droht, immer größer zu werden. Es reicht nicht, einfach nur die Energieversorgung umzustellen", sagte Antje von Broock, Geschäftsführerin beim BUND. Bislang werde erstens zu selten saniert und zweitens blieben die Kosten der Sanierungen in der Regel an den Mietern hängen. "Jeder dritte Mieterhaushalt ist von seinen Mietkosten her bereits jetzt überlastet", betonte DMB-Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz.