"Coco-Bonds" sollen Geldinstitute sicherer machen Die Wunderanleihe der Deutschen Bank
Als erstes deutsches Geldhaus emittiert die Deutsche Bank an diesem Montag "Coco-Bonds". Die neuartigen Anleihen sollen nicht nur Geld einbringen, sondern auch künftige Finanzkrisen verhindern. Doch halten die Wunderpapiere, was sie versprechen?
Der erste Impuls ist, das Thema einfach den Finanzexperten zu überlassen - weil alles wieder mal so fürchterlich kompliziert klingt. Es geht um hartes und weniger hartes Kernkapital; es geht um "nachrangige Anleihen", die gar nicht so nachrangig sind; es geht um eine Kennziffer, die sich "Leverage Ratio" nennt. Vor allem aber geht es um "Contingent Convertible Bonds", kurz: Coco-Bonds. Das könnte man nun zwar übersetzen. Es würde die Sache aber auch nicht besser machen.
Also, warum das Thema nicht einfach ignorieren? Erstens: Weil es dafür zu wichtig ist. Die Coco-Bonds stehen nämlich im Mittelpunkt der umstrittenen Fragen, wer in Zukunft bei der Schieflage von Banken einspringen soll: die Investoren oder wieder die Steuerzahler? Und zweitens: Weil das Thema gar nicht so fürchterlich kompliziert ist, wie es klingt.
Also: Coco-Bonds sind eine neue Form von Anleihen - und so was wie der neuste Schrei in der Finanzbranche. 2013 haben Europas Banken laut dem Datenanbieter Dealogic Coco-Papiere über 14,2 Milliarden Euro begeben, ein Volumen, das in diesem Jahr noch einmal deutlich übertroffen werden wird.
Nach den Pionieren wie der spanischen Santander oder der Kopenhagener Danske Bank wagt sich an diesem Montag nun auch das erste deutsche Institut mit den neuartigen Anleihen an der Kapitalmarkt - die Deutsche Bank. Als sicher gilt, dass bald weitere Institute nachziehen. Die Commerzbank, der Hypothekenfinanzierer Aareal und die staatliche NordLB haben dies schon angekündigt.
Teufelskreis aus Kreditausfällen und geringem Eigenkapital
Um Sinn und Zweck der Coco-Bonds zu verstehen, muss man sich kurz den Aufbau einer Bankbilanz vor Augen führen. Auf der einen Seite finden sich die Vermögenswerte, die die Bank selbst besitzt - also vor allem Forderungen aus Krediten. Demgegenüber stehen die Quellen, die die Bank anzapft, um sich selber Geld zu beschaffen. Diese teilen sich grob gesagt auf in Eigenkapital (begebene Aktien) und Fremdkapital (begebene Anleihen und stinknormale Spareinlagen). Fallen auf der einen Seite nun in großer Zahl Kredite aus und reicht auf der anderen Seite das Eigenkapital nicht, um die Verluste zu kompensieren, dann steht die Bank vor der Pleite - weil sie ihre eigenen Schulden gegenüber Sparern und Anleihegläubigern nicht mehr bedienen kann.
Irische Steuerzahler retten deutsche Großinvestoren
In der großen Finanzkrise geschah genau das. Zunächst in den USA, bald aber auch in Europa gerieten Banken in Schieflage, nachdem amerikanische Hypothekenkredite im großen Stil auszufallen begannen. Die Regierungen sprangen mit Milliardenhilfen ein - allerdings nicht nur, um vernünftigerweise die normalen Sparer zu schützen. Sondern auch, um die großen Anleihe-Investoren zu entschädigen, also Fonds, Versicherer, Pensionskassen, vermögende Privatleute und natürlich auch Banken, die anderen Banken Geld geliehen hatten. Die Begründung: Nur so könne eine Epidemie verhindert werden, in der eine kranke Bank die nächste ansteckt.
So kam es, dass zum Beispiel irische Steuerzahler hohe Milliardensummen aufbringen mussten, um deutsche Großinvestoren zu retten, die irischen Banken zu viel Geld geliehen hatten. Selbst die Halter "nachrangiger" Anleihen, die im Pleitefall erst als letzte Gläubiger bedient werden sollten, wurden meist komplett entschädigt.
Die wesentliche Lehre aus der Krise lautete deshalb: Banken sollen mehr Eigenkapital halten, um Ausfälle aus eigener Kraft zu absorbieren. Und reicht das Eigenkapital trotzdem nicht aus, dann sollen eben auch die Anleihe-Gläubiger bluten. Soweit die Theorie.
Die Gläubiger verlieren ihre Rückzahlungsansprüche
In der Praxis dagegen ist die Frage der Gläubigerhaftung weiterhin umstritten. Und die Eigenkapitaldecken sind weiterhin dünn. Das gilt vor allem für die Deutsche Bank. Obwohl ihr Chef Anshu Jain erst vorige Woche wieder betonte, dass "Kapital absoluten Vorrang" habe, liegt die "Leverage Ratio" des Instituts bei gerade einmal rund drei Prozent. Das heißt: Auf drei Euro Eigenkapital kommen 97 Euro Fremdmittel.
Reicht das aus? Vermutlich schon, sagen Politik und Regulierer. Sind sich aber offenbar nicht sicher. Und wollen darum um den wesentlichen Krisenpuffer (also die ausgegebenen Aktien - das harte Kernkapital) nun einen weiteren Sicherheitspuffer bauen: die Coco-Bonds. Die sind zwar als Anleihen zunächst mal Fremdkapital. Sollen sich aber, sobald eine Bank in ernste Schwierigkeiten kommt, automatisch in haftendes Kapital verwandeln - die Gläubiger verlieren also ihre Rückzahlungsansprüche.
Die Bank erhält dadurch finanzielle Luft, und die Sparer können im Optimalfall auch ohne Steuergeld geschützt werden. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen. "Wenn die Deutsche Bank neue Aktien begibt, verlangen Investoren wegen des hohen Risikos rund zehn Prozent Rendite. Für die Coco-Bonds hingegen wird eher eine Verzinsung von sechs bis sieben Prozent erwartet", sagt Marc Hellingrath, Fondsmanager bei Union Investment und einer der größten Coco-Bond-Investoren hierzulande.
Coco-Bonds werden als Eigenkapital behandelt
Hinzu kommt, dass die Cocos regulatorisch zwar wie Eigenkapital behandelt werden, steuerlich aber als Fremdkapital gelten und damit abzugfähig sind, wie das Finanzministerium kürzlich klargestellt hat. "Damit sinken die Refinanzierungskosten für die Banken de facto nochmals um fast ein Drittel", so Hellingrath.
Man mag das für einen fragwürdigen Steuervorteil halten - andererseits: "Der Ruf nach mehr Eigenkapital ist zwar grundsätzlich berechtigt. Aber man muss auch sehen, dass Kapitalerhöhungen für die Banken momentan sehr teuer sind", sagt Martin Faust, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance. "Coco-Bonds sind darum eine sinnvolle Alternative."
Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen. „Wenn die Deutsche Bank neue Aktien begibt, verlangen Investoren wegen des hohen Risikos rund zehn Prozent Rendite. Für die Coco-Bonds hingegen wird eher eine Verzinsung von sechs bis sieben Prozent erwartet“, sagt Marc Hellingrath, Fondsmanager bei Union Investment - und einer der größten Coco-Bond-Investoren hierzulande.
Man mag darin eine fragwürdigen Steuervorteil sehen - andererseits: „Der Ruf nach mehr Eigenkapital ist zwar grundsätzlich berechtigt. Aber man muss auch sehen, dass Kapitalerhöhungen für die Banken momentan sehr teuer sind“, sagt Martin Faust, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance. „Coco-Bonds sind darum eine sinnvolle Alternative.“
Gibt es gleiche Sicherheit zum halben Preis?
Gleiche Sicherheit zum halben Preis? Andere Experten sind sich da nicht so sicher. Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim hält die vermeintlichen Wunderanleihen zwar „für ein nettes und vielleicht auch nützliches Instrument. Richtiges Eigenkapital können sie aber nicht ersetzen“. Noch skeptischer sind der Münchener Finanzprofessor Christoph Kaserer und sein Bonner Kollege Tobias Berg. In einem noch unveröffentlichten Fachaufsatz warnen sie sogar vor möglichen Gefahren durch Coco-Bonds. So hätten Aktionäre einen Anreiz, die Bank in einer schwierigen Situation statt zu stützen noch ein wenig länger dahinsiechen zu lassen - weil sie wissen, dass dann die Coco-Gläubiger in Mithaftung genommen, die Kosten für die Rettung also geteilt werden. In der Theorie macht dieser Einwand Sinn. Ob es in der Praxis so kommt, steht dahin.
Doch so oder so, eines dürfte klar sein: Selbst wenn die Coco-Bonds „die Banken unterm Strich ein Stück sicherer machen“, wie Professor Faust feststellt - dass sie Wunder vollbringen, müssen sie in der nächsten Krise erst noch beweisen.