Hydra

Corona-Auswanderer Homeoffice fern der Heimat

Stand: 28.11.2020 09:15 Uhr

Vielen Menschen hat Corona das Homeoffice beschert - und einige haben aus der Not eine Tugend gemacht und ihr "Home" dorthin verlagert, wo es am schönsten ist.

Erica Scouti lebt in einer schönen Wohnung im angesagten Athener Viertel Koukaki. Wenn sie vor die Tür geht, kommt sie an kleinen Cafes und Läden vorbei und hat einen atemberaubenden Blick auf die Akropolis. Mit dem Fahrrad ist es nicht weit zum Strand. Die Herbstsonne scheint, der Himmel ist klar bei milden 18 Grad.

In London, wo eigentlich Ericas Arbeitsplatz ist, ist es neblig bei drei Grad. Sie lehrt Kunstgeschichte an einer Londoner Universität. Die Dozentin war gerade in Griechenland in den Ferien, als ihr Land den Lockdown verhängte - und sie beschloss, hier zu bleiben. "Ende September fing ich mich ernsthaft an zu fragen, warum ich zurückkehren sollte, wenn die Infektionszahlen in England weiter ansteigen, die Regierung das aber nicht ernst nimmt und das Wetter auch noch schlecht wird."

Mehr Luxus fürs gleiche Geld

Aus einem Monat wurden zwei, und jetzt plant Erica, mindestens bis Januar in Griechenland zu bleiben. Ihre Studierenden kann sie problemlos aus Athen online unterrichten. Beide Länder sind im Teil-Lockdown, also muss man sich ohnehin digital mit seinen Freunden und Kollegen vernetzen. "Ich kann also irgendwie noch in England sein, gleichzeitig aber die Vorteile hier genießen: das Wetter, die Mentalität und die kleinere Stadt. Das macht mein Leben sehr angenehm."

Erica Scouti

Erica Scouti unterrichtet ihre Studierenden in London von Athen aus.

In London lebte Erica in einem Haus mit fünf Mitbewohnern. Den gleichen Preis zahlt sie jetzt für ihre eigene Wohnung im Herzen Athens. Ihr britisches Gehalt erlaubt ihr ein komfortables Leben in Griechenland. "Du kannst Dir für das gleiche Geld hier definitiv ein besseres Leben leisten. Und man verschwendet nicht so viel Zeit und Geld fürs Pendeln, weil alles gut zu Fuß erreichbar ist. Irgendwelche Schwierigkeiten gab es für sie bisher nicht. Nur manchmal vermisst sie eben doch die britische Kultur.

Expat Jack auf Hydra
Corona-Auswanderer: Was sagt das deutsche Arbeitsrecht?
Der Arbeitgeber sollte unbedingt darüber informiert werden, wenn man sein mobiles Büro ins Ausland verlegt. Je nach Unternehmen können die arbeitsvertraglichen Regelungen, einschließlich zugrundeliegender Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, sehr unterschiedlich gestaltet sein.

Unter Umständen ist auch eine explizite Zustimmung erforderlich. Denn die Mitarbeitenden könnten im Ausland krank werden und dort festsitzen. Wer bewusst in ein Risikogebiet fährt, könnte auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aufs Spiel setzen. Große Teile Griechenlands zum Beispiel gelten mittlerweile als Risikogebiete.

Vom Lockdown überrumpelt, das Beste daraus gemacht

Jack und Emma wurden mehr oder weniger überrumpelt. Während eines Kurztrips auf die griechische Ferieninsel Hydra strich Griechenland plötzlich alle Flüge nach England - das Paar saß fest. Er ist Forscher, sie Fotografin. Über Umwege hätten sie nach Hause kommen können. Doch wozu? Beide arbeiteten in England im Homeoffice. Die idyllische Landschaft Hydras schien ihnen verlockender als ein Lockdown in Leeds, sagt Jack.

"Es sah jetzt nicht so aus, als gäbe es zu Hause viel für mich zu tun. Meine Arbeit könnte ich auch problemlos von hier machen. Und hier ist es schöner und wärmer." Das Jahr habe sie beide gelehrt, flexibel zu werden, ergänzt Emma. "Das Verrückte ist, dass man sich dieses Jahr ständig an so viel Neues gewöhnen musste, dass diese Entscheidung uns am Ende leicht fiel." Für einen Forscher sei es nicht ungewöhnlich, irgendwo auf der Welt zu arbeiten, sagt Jack. Aber ohne Corona wäre er jetzt sicherlich nicht auf dieser einsamen Insel gelandet.

Unter Schriftstellern und freundlichen Einheimischen

Auch Emma hätte normalerweise Aufträge in England gehabt. Mit Laptop, Festplatte und gutem WLAN kommt sie aber auch hier gut zurecht. "Aufzuwachen und im November blauen Himmel zu sehen, das ist fantastisch. Ich habe das Gefühl, dass es uns so gelungen ist, aus diesem verrückten Jahr noch etwas Gutes zu machen und einfach eine positive Erfahrung mitzunehmen", schwärmt sie.

Jack und Emma

Vom Lockdown überrascht, sind Jack und Emma kurzerhand auf Hydra geblieben.

Die positiven Erfahrungen der Corona-Auswanderer sprechen sich im Netz herum, und so haben sich einige in den letzten Wochen mit ihren mobilen Arbeitsplätzen auf den Weg nach Griechenland gemacht. Die Bewohner von Hydra sind das gewohnt: Viele Schriftsteller verbringen den Winter auf der Insel. Fremde werden freundlich aufgenommen. Auch Jack und Emma stellen fest, dass sie inzwischen Einheimischen-Preise für ihren Kaffee bezahlen. Rückkehrpläne haben sie noch keine gemacht.

Eine griechische Flagge weht vor der Akropolis.
Griechenland: Lockdown trotz überschaubarer Infektionszahlen
Griechenland hat vergleichsweise niedrige Infektionszahlen: Etwa 97.000 Covid19-Fälle sind bestätigt, 1900 Menschen starben bisher an oder mit Corona (Stand: Ende November 2020). Das griechische Gesundheitssystem ist seit der Finanzkrise stark geschwächt und die Zahl der Intensivbetten im Verhältnis zur Bevölkerung gering. Die Regierung ist daher angesichts der Zahlen alarmiert und verhängt strenge Maßnahmen.

Gerade wurde der Lockdown bis zum 7. Dezember verlängert: Tavernen, Bars und Geschäfte bleiben also weitgehend geschlossen. Wer das Haus verlässt, um Sport zu machen, Familienangehörige zu besuchen, den Hund auszuführen, einzukaufen oder zum Arzt zu gehen, muss darüber den griechischen Zivilschutz per SMS informieren.