Brexit-Verhandlungen May lädt EU-Wirtschaftsverbände ein
Zum Abschluss der jüngsten Brexit-Runde ziehen der EU-Unterhändler Barnier und sein britischer Kollege Davis heute eine Zwischenbilanz. Premierministerin May lädt indes die europäischen Wirtschaftsverbände zu Gesprächen ein, um britische Chancen nach dem Brexit auszuloten.
Bei Deutschlands mächtigsten Wirtschaftsverbänden ist Nacht-und Wochenendarbeit angesagt: Ohne vorherige Ankündigung erreichte den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin eine Einladung der britischen Premierministern Theresa May nach London.
Jetzt feilen die beiden deutschen Verbände an einer Gesprächsstrategie- gemeinsam mit Industrieverbänden aus Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Schweden, Polen und Tschechien. Am Montagmittag will May gemeinsam mit ihrem Brexit-Unterhändler David Davis in Downing Street Number 10 mit EU-Industrieverbänden die Chancen einer Partnerschaft nach dem Brexit ausloten.
Hinweis auf BMW
"Großbritannien bleibe eine globale Freihandelsnation und der engste Freund und Partner in der EU", heißt es zu der Einladung aus dem Büro der Premierministerin. Downing Street Number 10 weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das BMW-Werk in Oxford hin, in dem der Mini mit Elektroantrieb produziert wird.
Die britische Premierministerin May will bei den europäischen Wirtschaftsverbänden gute Stimmung machen.
Indem sie die Vertreter der mächtigsten EU-Industrieverbände trifft und auf das Beispiel BMW hinweist, will May offenbar Druck vor allem auf die Kanzlerin des Autolandes Deutschland machen: Angela Merkel soll beim kommenden EU-Gipfel im Dezember gemeinsam mit den anderen Staats-und Regierungschefs grünes Licht für Gespräche über die zukünftigen Handelsgespräche geben.
Sorge vor hartem Brexit
"Wir riskieren derzeit dass es einen harten Brexit gibt", warnt seit Wochen der CSU-Politiker und EVP-Chef Manfred Weber. Insgesamt drei Brexit-Verhandlungsrunden vor dem kommenden EU-Gipfel im Dezember hatte Kommissionsunterhändler Michel Barnier den Briten vorgeschlagen, doch bisher konnte man sich nur auf eine einzige Runde einigen.
EVP-Chef Weber befürchtet ein Scheitern der Verhandlungen.
Und auch bei dieser Brexit-Runde, die gestern in Brüssel begann und bereits heute Nachmittag endet, ist die Chance gleich Null, bei gleich drei seit Monaten strittigen Punkten den Durchbruch zu erzielen: bei der Frage der sogenannten Brexit-Bill, also den britischen Zahlungen an die EU nach dem Austritt, bei den noch strittigen Punkten der zukünftigen Rechte der Briten in der EU und der EU-Bürger im Vereinigten Königreich. Und bei der Frage, wie sie eigentlich konkret aussehen soll - die zukünftige Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland.
Die Zeit wird knapp
"Die Uhr tickt, die Zeit läuft uns davon", warnt David McAllister, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, via BBC die britische Seite. Schließlich müssten die Verhandlungen über den gesamten Austrittsvertrag bereits in elf Monaten abgeschlossen sein, damit dieser Vertrag rechtzeitig zum Austritt Ende März 2019 von allen Beteiligten unterzeichnet auf dem Tisch liegt.
Der britische Brexit-Minister Davis (links) und der EU-Chefunterhändler Barnier hoffen auf einen Durchbruch.
Damit diese Verhandlungen überhaupt beginnen können, muss der EU-Gipfel im Dezember dafür grünes Licht geben. Und das kann er nur, wenn es deutlich erkennbare Fortschritte bei den Brexit-Gesprächen gibt.
"Hoffentlich kommen die Staats-und Regierungschefs bei ihrem Treffen Mitte Dezember in Brüssel übereinstimmend zu der Einschätzung, dass bei den Brexit-Gesprächen genügend Fortschritt erreicht wurde, damit die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen beginnen können" betont McAllister. Dieser Fortschritt setzt allerdings eine klar erkennbare britische Verhandlungsposition voraus.
Britische Zugeständnisse bleiben vage
So hat Theresa May zwar in ihrer September-Rede in Florenz angekündigt, kein EU-Mitglied werde während der laufenden Haushaltsperiode bis 2020 mehr ausgeben müssen oder weniger einnehmen. Und das Vereinigte Königreich werde den während seiner Mitgliedschaft entstandenen finanziellen Verpflichtungen nachkommen.
Doch dieses Zugeständnis der Theresa May wurde bis heute in den Brüsseler Brexit-Gesprächen nicht konkretisiert. Auf die BBC-Frage, ob er ernsthaft glaube, dass die britische Premierministerin noch die Richtlinien bestimme, antwortet McAllister ausweichend: "May ist die Premierministerin. Und solange sie das ist,wird sie als solche behandelt."
Ungeklärte Kompetenzen in London
EVP-Chef Manfred Weber kritisiert indes scharf, in puncto Brexit wisse die EU überhaupt nicht mehr, wen sie in London anrufen solle - Theresa May oder deren innerparteiliche Rivalen Boris Johnson oder Brexit-Unterhändler David Davis.
Am Montag haben die europäischen Industrievertreter die Chance herauszufinden, ob May und Davis einen Brexit-Plan haben. Und ob sie an Europas strengen Regeln festhalten wollen: in Sachen Lebensmittelsicherheit, Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz. Oder ob sie sich im Vorgriff auf ein mögliches Handelsabkommen mit den USA auch Chlorhühnchen und Hormonrinder in Großbritannien vorstellen können.
Dann allerdings seien Handelsvertrage zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nur schwer vorstellbar, betonte EU-Kommissionsunterhändler Barnier gestern in Rom.