Interview

ARD-Rechtsexperte Bräutigam zum Gauweiler-Eilantrag "Ein Ausnahmeantrag, wie er im Buche steht"

Stand: 10.09.2012 13:12 Uhr

Peter Gauweiler will mit einem neuen Eilantrag erreichen, dass das Verfassungsgericht seine Entscheidung über den ESM verschiebt. Der CSU-Politiker sieht in dem EZB-Beschluss, Staatsanleihen zu kaufen, einen Dammbruch für unbegrenzte Euro-Hilfen, so ARD-Experte Bräutigam. Morgen geben die Richter ihre Entscheidung über den Eilantrag bekannt.

ARD-Morgenmagazin: Warum hat Herr Gauweiler diesen zweiten Eilantrag gestellt, worum geht es da?

Frank Bräutigam: Er vergleicht zwei Arten von Rettungssystemen, die auf dem Tisch liegen: Da ist zum einen der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM. Bei dem betont die Bundesregierung immer wieder, dass es eine Höchstgrenze der deutschen Haftung gibt und dass der Bundestag bei wichtigen Entscheidungen eingebunden wird. Zum anderen gab es nun die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen.

Peter Gauweiler sagt dazu, dass hier gerade nicht garantiert sei, dass es Höchstgrenzen gibt und außerdem in diese Entscheidung die nationalen Parlamente nicht eingebunden seien. Er sieht also durch die Entscheidung der EZB eine Umgehung der Regeln des dauerhaften Rettungsschirms, so dass die Hilfen nach oben hin offen sein könnten. Deswegen müsse der ESM erst recht gestoppt werden, um zu erreichen, dass die EZB ihre Entscheidung zurücknimmt. Das ist das Ziel von Peter Gauweiler.

"Verschiebung des Gerichtstermins wäre eine Überraschung"

ARD-Morgenmagazin: Wie wahrscheinlich ist es, dass Gauweiler damit durchkommt?

Bräutigam: Er möchte, dass der Termin am Mittwoch verschoben wird, da seiner Ansicht nach neue Tatsachen auf dem Tisch liegen, die verhandelt werden müssten. Das Gericht hat bestätigt, dass der Antrag eingegangen ist. Eine Stellungnahme dazu gibt es nicht. Es wäre schon eine sehr dicke Überraschung, wenn der Mittwochstermin verschoben würde. Es ist auch so, dass das Thema Ankauf von Staatsanleihen in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli durchaus ein Thema war. Das belastet natürlich die nationalen Haushalte und kann die Gesamthöhe der deutschen Haftung erhöhen.

Ich würde nicht völlig ausschließen, dass das Gericht ohnehin ein bis zwei Sätze zu diesem Thema sagt. Aber: Genau sagen, ob es eine Verschiebung gibt oder nicht, kann man in diesem Moment nicht.

ARD-Morgenmagazin: Kann ein einfacher Bürger, in dem Fall Peter Gauweiler, die Europäische Zentralbank in Karlsruhe verklagen?

Bräutigam: Nein, das geht grundsätzlich nicht, ist aber eine ganz wichtige formale Frage. Wenn man die EZB verklagen möchte - eine europäische Institution - muss man das vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg machen. Das kann auch keine Einzelperson, das müsste die Bundesregierung machen. Was Gauweiler hier tut: Er greift in Karlsruhe den ESM an und verknüpft das mit der Entscheidung, Staatsanleihen zu kaufen. Er sagt, hier würden die Kompetenzen der EZB so weit überschritten, da müsse Karlsruhe eingreifen. Das ist ein Ausnahmeantrag, wie er im Buche steht. Rechtlich sind diese Fragen hoch umstritten.

Das Interview führte Sven Lorig, ARD-Morgenmagazin.