Börsen-Rally pausiert Wird es turbulenter an den Börsen?
Es war ein Aufschwung sondergleichen: Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz und die Zinsphantasie trieben die Börse auf Rekordniveau. Jetzt stoppt die Rally. Wird es turbulenter an den Märkten?
Wenn das Aushängeschild einer Branche schwächelt, ist die Branche aufgeschreckt. Nvidia ist so ein Star und die Branche in dem Falle die Börsen. Das fast aus dem Nichts zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegene Unternehmen Nvidia gab in dieser Woche kurz mal um 16 Prozent nach.
Ein Warnschuss, meint Thomas Altmann von QC Partners. Er rechnet vor, dass Nvidia zu den immer weniger werdenden Unternehmen gehört, die die Märkte nach oben ziehen: "Wir sprechen an der Börse immer dann von einer gesunden Rallye, wenn sie in der Breite ankommt, wenn viele Aktien einen Index nach oben ziehen. Im Umkehrschluss von einer ungesunden Rallye, wenn sie nur noch an wenigen, einzelnen Aktien hängt. Im jetzt zu Ende gehenden zweiten Quartal haben nur noch 50 Aktien aus dem NASDAQ 100 ihren Wert steigern können. Das heißt, in der Breite kommt dieser Aufschwung eben nicht mehr an."
Da stimmt ihm Oliver Roth zu, er ist Leiter des Aktienhandels beim Bankhaus Oddo BHF. Ausgelöst hätten den Aktienboom zwei Themen: Künstliche Intelligenz (KI) und starke Zinssenkungen. Aber gerade letzteres habe es im erhofften Maße nicht gegeben. "Jetzt haben wir nur noch KI und wenn da der eine oder andere schwächelt, wie wir bei Nvidia gesehen haben, dann rumort es und dann gibt es Korrekturen und die sind tatsächlich im zweiten Halbjahr zu erwarten."
Vorsicht vor Wahlen in Frankreich und den USA
Auch die Politik spielt eine zunehmende Rolle. So verweist Verena Ross, die Chefin der EU- Finanzmarktaufsicht ESMA im "Handelsblatt" auf die nervösen Reaktionen nach der jüngsten Europawahl. Die kommenden Parlamentswahlen in Frankreich mit dem erwarteten Rechtsruck und die Präsidentschaftswahl in den USA würden die Märkte stark bewegen.
Experte Altmann kommt zusätzlich mit einer Statistik: Beispiel DAX. Der erlebte in den 35 Jahren seit seinem Bestehen immer große Korrekturen. Zwischen Höchst- und Niedrigst-Stand lagen im Schnitt 17 Prozent. "Im ersten Halbjahr hatten wir nur einen Rücksetzer von maximal fünf Prozent. Wenn das so bleiben würde, dann würde tatsächlich das Jahr 2024 beim DAX als das Jahr mit der geringsten Korrektur in die Geschichtsbücher eingehen. Das ist natürlich möglich, besonders wahrscheinlich ist es aber nicht."
KI - die Technologie der Zukunft?
Nvidia und andere Unternehmen profitieren vom KI- Hype. Die Technologie der Zukunft mutmaßen die Anlegerinnen und Anleger. Das hatten sie mit dem Entstehen des Internets auch gedacht. Kurz nach der Jahrtausendwende aber platzten die Träume. Internetkonzerne hatten noch kein Geld verdient, gekauft wurden die Aktien dennoch. Es folgte das Platzen der sogenannten dot.com-Blase. Der Technologie-Index NASDAQ hatte sich innerhalb weniger Monate halbiert und sich jahrelang von diesem Schock nicht erholt.
So eine Blase befürchtet Altmann beim Thema KI nicht: "Wir haben diesmal eine Kursentwicklung, die von deutlich höheren Gewinnentwicklungen begleitet ist, sprich die Unternehmen verdienen Geld. Das glaube ich, ist der große Unterschied zur vergangenen Rallye."
Experten: KI ist keine Blase
Nicht alle Unternehmen, die sich KI auf die Fahne geschrieben hätten, seien in Zukunft auch erfolgreich. Aber so unseriös wie zu dot.com-Zeiten gehe es nicht zu, so Roth. "Da wurde auf Unternehmen gesetzt, in die keine Gelder geflossen sind." Das sei nun anders.
Denn KI sei nun mal die Zukunft: "Grundsätzlich ist das keine Blase, sondern hier wird massiv in dieses Thema investiert und wir alle sehen ja schon beim täglichen Arbeiten, dass KI jetzt schon in unserem Leben eine gewisse Rolle spielt und die wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verstärken."
Die Marktbeobachterinnen und Marktbeobachter sind sich einig: Die Märkte sind auf einem übertrieben hohen Niveau, es wird Rücksetzer geben, auch noch in diesem Jahr. Aber eine Börsenblase kurz vorm Platzen sehen sie nicht.