Ferngesteuerte Binnenschifffahrt Schiff auf dem Wasser, Kapitän im Büro
Auf deutschen Binnengewässern sollen bald Schiffe ohne Besatzung unterwegs sein - ferngesteuert mit Hilfe von Kameras und Funk. In Duisburg hat die Leitzentrale den Testbetrieb aufgenommen. Ist das die Zukunft der Schifffahrt?
Es ist ein außergewöhnlicher Ausblick für einen Schiffskapitän. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind die Ziegeldächer von Wohnhäusern zu sehen. Patrick Hertoge schaut konzentriert auf sechs Monitore. Mitten aus der Duisburger Innenstadt steuert er ein Binnenschiff, das mehrere hundert Kilometer entfernt in Belgien auf dem Weg nach Antwerpen ist.
Die Systeme sind genauso aufgebaut wie in dem Steuerstand eines Schiffes. Die Kameras liefern dem Kapitän einen Rundumblick um das Schiff. "Es ist gleiche wie an Bord. Wenn du an Bord fahren kannst, kannst du auch hier fahren", so Hertoge. "Wir haben immer Verbindung mit den Schiffen. Wenn etwas schiefgehen sollte, dann können wir immer Kontakt aufnehmen." Noch läuft das System im Testbetrieb, auf dem Schiff selbst ist zur Sicherheit noch ein zweiter Kapitän. Doch schon bald sollen die Schiffe komplett aus der Zentrale gesteuert werden.
Rund 8.000 Binnenschiffe in Europa unterwegs
Steffen Bauer, Geschäftsführer der Reederei HGK-Shipping, ist überzeugt, dass in den nächsten fünf Jahren Schiffe "besatzungsreduziert" fahren werden - "auf dem Rhein, dem westdeutschen Kanalnetz, dem norddeutschen Kanalnetz". Und dass so die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Schiffe irgendwann vollautonom fahren können.
Rund 8.000 Binnenschiffe transportieren aktuell Güter auf Europas Flüssen und Kanälen, doch mehr als die Hälfte ihrer Zeit liegen sie im Hafen. Während dieser Ladezeiten müssen die Schiffsführer weiterbezahlt werden. Fernsteuernde Kapitäne hingegen nicht.
Doch das Sparen von Personalkosten sei nicht der Hauptgrund für das neue System, heißt es. Vielmehr wollen die Reedereien den Job wieder attraktiver machen. Denn auch diese Branche hat Nachwuchssorgen und leidet unter Fachkräftemangel. Zwischen 2008 und 2018 schrumpfte die Berufsgruppe in Deutschland um 24 Prozent. Ein Drittel der Binnenschiffkapitäne ist nach Angaben der HGK heute über 55 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren werden also viele Arbeitskräfte wegfallen.
Durch die Fernsteuerung soll der Job für die nachfolgende Generation attraktiver werden. "Die jungen Menschen haben klar das Ziel, mehr Zeit bei der Familie zu verbringen. Es wäre durch die technologische Umstellung möglich, acht Stunden im Büro zu arbeiten, das Schiff zu steuern und dann nach Hause zur Familie zu gehen", sagt Steffen Bauer.
Mehr Schiffstransporte nur mit Automatisierung?
Im Nachbarland Belgien fahren bereits Schiffe ferngesteuert. Um den Kontakt nicht zu verlieren, werden 4G- und 5G-Mobilfunknetze mehrerer Anbieter gleichzeitig genutzt.
Rupert Henn arbeitet am Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme. Die Automatisierung des Schiffsverkehrs hält er für essentiell. "Warenverkehr, Logistik wird immer wichtiger, nimmt immer weiter zu. Straße und Schiene haben natürliche Begrenzungen", sagt Henn. "Man würde gerne mehr Transport aus Wasser bekommen, aber so wie das aussieht, ist das fast gar nicht möglich. Der Fachkräftemangel ist tatsächlich ein großes Problem."
Technik muss noch weiterentwickelt werden
Die Assistenzsysteme seien aber noch in der Entwicklungsphase. "Die funktionieren teilweise schon sehr gut. In gewissen Aufgaben kann man die sehr gut einsetzen. Eine Vollautomatisierung haben wir noch nicht. Da muss die Technik noch weiterentwickelt werden. Das wird noch einige Jahre dauern", so seine Einschätzung.
Alles laufe auch in enger Abstimmung mit den Behörden, heißt es von der Reederei HGK. Denn damit die Fernsteuerung von Schiffen in Deutschland in den Regelbetrieb gehen kann, müssen auch die Behörden ihr Okay geben.