Frankfurter Hochhäuser und Bankentürme

Bankenkrise Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr?

Stand: 20.03.2023 17:58 Uhr

Auch wenn sich die Finanzmärkte zuletzt beruhigt haben, bleibt die Sorge, dass sich die aktuelle Vertrauenskrise im Bankensektor ausweitet. Welche Gefahren gibt es noch?

Von Detlev Landmesser, tagesschau.de

Nach einem turbulenten Wochenende haben die Finanzmärkte hochnervös auf die Nachrichten zur Notrettung der Schweizer Credit Suisse reagiert. Europäische Bankaktien zogen die Märkte am Morgen zunächst kräftig nach unten, bevor sich die Lage im Verlauf wieder deutlich beruhigte. Es bleibt aber die große Frage, welche Ansteckungsgefahr noch von den jüngsten Zusammenbrüchen im Bankensektor ausgeht.

Eine unmittelbare Ansteckung Europas durch die Probleme einiger Regionalinstitute in den USA sei ausgeschlossen, versichern Experten immer wieder. Es gebe kaum geschäftliche Verflechtungen mit diesen Instituten. Vor allem aber sei deren Risikostruktur mit dem europäischen Finanzsektor nicht zu vergleichen. Auf der Suche nach höheren Renditen hatten diese Institute stark in risikoreichere Anlagen investiert, die in einer Krise nur mit hohen Verlusten zu verkaufen sind; ein Problem, das letztlich zum Kollaps des Spezialinstituts Silicon Valley Bank (SVB) geführt hat.

Europas Banken hätten dagegen in weit geringerem Umfang etwa in langlaufende Anleihen investiert, deren Wert durch das ansteigende Zinsniveau deutlich unter Druck geraten ist. Spätestens seit der umfassenden Liquiditätszusage der großen Notenbanken von gestern sind Notverkäufe vor der Anleihefälligkeit, mit denen diese Verluste realisiert werden müssten, sehr unwahrscheinlich geworden.

Eine Vertrauenskrise

Während also eine direkte Ansteckung der Branche aus den USA weitgehend ausgeschlossen wird, liegt die eigentliche Gefahr in der Basis jedes Bankgeschäfts: dem Vertrauen, dass die Geldhäuser ihre Verpflichtungen jederzeit erfüllen können. Dieses wurde in den vergangenen Tagen schwer erschüttert.

Dass die Credit Suisse gerade jetzt gerettet werden musste, war kein Zufall, sondern eine direkte Folge der Verwerfungen in den USA, auch wenn dieser Fall sonst nichts mit den dortigen Problemen zu tun hat. Tatsächlich hatte die Schweizer Großbank schon seit Jahren mit hausgemachten Problemen zu kämpfen, die angesichts der aktuellen Vertrauenskrise nicht mehr zu kontrollieren waren. Typisch war aber auch, dass das einst so stolze Geldhaus erst kürzlich und damit viel zu spät "erhebliche Schwächen" der internen Finanzkontrolle eingeräumt hatte.

Finanzökonom Hans-Peter Burghof, Universität Hohenheim, zum Ende der Credit Suisse

tagesthemen, tagesthemen, 20.03.2023 22:15 Uhr

Das weckte an den Märkten frische Erinnerungen an die Finanzkrise 2007/08, was am Montagmorgen erneut die Bankaktien in Europa zu spüren bekamen. Zeitweise stürzte etwa das Papier der Deutschen Bank um weitere zehn Prozent ab, bevor es die Verluste deutlich eindämmen und schließlich sogar ins Plus drehen konnte.

Denn auch wenn die Finanzmärkte die Branche wieder deutlich skeptischer einschätzen: Untereinander vertrauen sich die Banken nach wie vor. Darauf deuten zumindest die Zinsen am Interbankenmarkt hin. Der Zinssatz Euribor, zu dem sich die Banken gegenseitig für drei Monate Geld leihen, notierte auch am Montag deutlich unter der Marke von 3,0 Prozent. Die Banken sind also weiterhin bereit, sich zu moderaten Konditionen mit Geld zu versorgen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 hatte der Euribor dagegen über 5,0 Prozent gelegen.

Notenbanken zur Eindämmung entschlossen

Entscheidend für die Entwicklung der kommenden Tage und Wochen bleibt der Faktor Vertrauen. Das ist den politisch Verantwortlichen seit der vergangenen Finanzkrise mehr denn je bewusst. Das rasche und radikale Eingreifen zur Notrettung der Credit Suisse und die konzertierte Aktion der Notenbanken zeigen, wie entschlossen die Politik ist, Ansteckungseffekte dieses Mal im Keim zu ersticken. "Wenn irgendwo ein Streichholz angezündet wird, kommen die Löschzüge", kommentierte Robert Halver, Chefanalyst bei der Baader Bank, die neue Strategie gegenüber der ARD.

Zugleich werden die Verantwortlichen dies- und jenseits des Atlantiks nicht müde zu betonen, dass sich die Krisenfestigkeit der Banken seit der Finanzkrise deutlich verbessert habe. "Der Bankensektor des Eurogebiets ist widerstandsfähig und verfügt über eine starke Kapital- und Liquiditätsposition", erklärte EZB-Chefin Christine Lagarde. Die Lage sei mit der damaligen Krise nicht vergleichbar, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über einen Sprecher versichern. Das deutsche Bankensystem sei "gut aufgestellt". Auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin erklärte, das deutsche Finanzsystem sei "stabil und robust".

Aufruhr am Markt für CoCo-Bonds

An den Märkten wurde nun auch der Ausfall der so genannten Additional-Tier-1-Anleihen der Credit Suisse diskutiert. Diese auch "CoCo-Bonds" genannten Papiere im Volumen von rund 16 Milliarden Schweizer Franken waren von der Schweizer Finanzaufsicht Finma per Federstrich für wertlos erklärt worden.

Das führte erstmals dazu, dass bestimmte Anleihegläubiger noch schlechter davon kamen als die stark gebeutelten Aktionäre. Nicht allen Investoren dürfte das Ausmaß dieses Risikos bewusst gewesen sein. Während Großbanken wie Deutsche Bank und Commerzbank betonten, fast keine beziehungsweise keine AT1-Anleihen der Credit Suisse zu halten, sackten deren eigene AT1-Emissionen und die der UBS, HSBC und BNP Paribas am Montag deutlich ab.

Dennoch sind AT1-Anleihen - immerhin ein Markt von rund 250 Milliarden Euro - weniger ein neuer Ansteckungsmechanismus, als vielmehr ein Instrument der Risiko-Umverteilung. Die neue Anlageklasse war nach der Finanzkrise geschaffen worden, um Institute in Krisenzeiten besser abzusichern. Denn diese nachrangigen Anleihen können in Aktien umgewandelt oder abgeschrieben werden, wenn die Kennzahlen einer Bank unter bestimmte Schwellen fallen. Das heißt im Fall eines Zusammenbruchs, dass ein Teil der Kosten von den Steuerzahlern hin zu den Anleiheinvestoren verlagert wird.

Das Vertrauen in diesen jungen Markt dürfte durch den aktuellen Präzedenzfall aber nachhaltig erschüttert werden. Das Vorgehen der Finma werde CoCo-Bonds anderer Banken in Europa schaden, aber auch die Refinanzierung und die Kapitalkosten der Institute allgemein verteuern, kommentierten die JPMorgan-Analysten Kian Abouhossein und Amit Ranjan.

Weitere Überraschungen möglich

Auch wenn das entschlossene Auftreten der Geldpolitik die Märkte im Tagesverlauf beruhigte und neue Problemfälle aktuell nicht in Sicht sind, ist die Bankenkrise noch lange nicht ausgestanden. Eine Lehre aus den vergangenen Krisen sei, dass sie sich länger hinzögen als gedacht, erklärte Arthur Brunner, Chef des Anleihenhandels der ICF Bank, gegenüber der ARD.

Die aktuelle Vertrauenskrise könnte durchaus noch durch weitere Probleme bei den US-Regionalbanken im aktuellen Zinsumfeld befeuert werden. Der Fall der Credit Suisse, der eine klare Informationsasymmetrie zwischen Insidern der Bank und der Öffentlichkeit offenbarte, hat auch die Gefahr weiterer versteckter Risiken im Bankensektor deutlich gemacht.

Marktteilnehmer sollten also jederzeit auf weitere Überraschungen gefasst sein. "Hätten Sie mich vor einer Woche gefragt, ob es die Credit Suisse in einer Woche noch gibt, hätte ich gesagt, mit Sicherheit gibt es die Credit Suisse noch", fasste Anleihenexperte Brunner die aktuelle Unsicherheit zusammen.