Pläne der Labour-Regierung Warum Großbritannien zurück zur Staatsbahn will
Kritiker der Deutschen Bahn fordern eine Zerschlagung des Konzerns für mehr Wettbewerb. Das sollte in Großbritannien die Privatisierung der Bahn erreichen. Dort soll sie nun teilweise in staatliche Hand zurückkehren.
Verspätungen, Zugausfälle, überfüllte Wagons und Streiks - diese Probleme plagen deutsche wie auch britische Zugreisende. Nur ein Großbritannien-Ticket à la Deutschlandticket gibt es auf der Insel nicht. Wünschen dürften es sich viele Briten, denn Bahnfahren ist notorisch teuer. Die neue Labour-Regierung will jetzt vieles anders machen.
In den 1980er-Jahren privatisierte Großbritanniens konservative Premierministerin Margaret Thatcher dutzende Staatsunternehmen. Die Wirtschaftslage war schlecht, die Infrastruktur überaltert, und die Regierung glaubte, die für die Sanierung notwendigen Milliarden nicht aufbringen zu können.
Mehr Wettbewerb als Ziel der Regierung in London
Im Jahr 1994 zerschlug Thatchers konservativer Nachfolger John Major dann auch British Railways, die staatliche Eisenbahngesellschaft. Das sollte der Regierung Geld bringen, langfristig Kosten sparen und den Zugreisenden durch mehr Wettbewerb besseren Service liefern.
Es war dasselbe Jahr, in dem die Deutsche Bahn durch die Bahnreform zum privatrechtlichen Unternehmen und einer Aktiengesellschaft wurde - allerdings zu 100 Prozent in der Hand des Bundes. Zwar sind inzwischen auch einige wenige private Bahnunternehmen auf deutschen Schienen unterwegs, das Bahnfahren findet hierzulande aber weiterhin hauptsächlich mit und durch den DB-Konzern statt.
Flickenteppich aus Bahnunternehmen
In England sieht das Bahnsystem heute zumindest oberflächlich so aus, wie es unter anderem die Unionsfraktion im Bundestag und die Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, gefordert haben: Netz und Betrieb sind voneinander getrennt. Im Detail ist die Aufgliederung jedoch komplex.
Meist private, aber vom Staat subventionierte Bahnunternehmen, sogenannte "Train Operating Companies", mieten Züge von sogenannten "Rolling Stock Companies". Auch diese privaten Unternehmen, denen die Züge gehören, werden subventioniert. Die Infrastruktur - also Schienen, Brücken und Tunnel - gehört hingegen Network Rail, einem Unternehmen, das nicht gewinnorientiert arbeitet und sich in Staatshand befindet.
In Nordirland ist das Bahnsystem noch verstaatlicht
In den restlichen Landesteilen des Vereinigten Königreichs läuft es anders. In Nordirland ist das Bahnsystem verstaatlicht. In Schottland und Wales sind die Regionalregierungen für den Betrieb der Züge verantwortlich.
Derzeit gibt es 28 verschiedene Bahnunternehmen im Vereinigten Königreich, die in der Regel vorrangig eine bestimmte Region bedienen. Teilweise werden diese auch von ausländischen Staatsunternehmen betrieben. Arriva zum Beispiel betrieb als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn unter anderem die London Overground und die Grand Central Railway. Vor knapp einem Jahr verkaufte die DB das Unternehmen an einen Investor. Auch Hongkong und Italien sind mit staatlichen Bahnunternehmen in Großbritannien aktiv.
Kaum Wettbewerb in Deutschland
Bei der Deutschen Bahn hingegen ist es umgekehrt: Der bundeseigene Konzern betreibt einen Großteil des deutschen Schienennetzes sowie die Züge. Im Fernverkehr ist die Deutsche Bahn praktisch alleine auf den Schienen. Kleiner wird ihr Marktanteil im Regional- und Nahverkehr. Kritiker bemängeln, dass echter Wettbewerb dabei ausbleibe.
Die Unionsparteien plädieren deswegen für die Zerschlagung des Konstrukts: Das Schienennetz soll in Staatshand bleiben, die rollenden Abteilungen bei der Deutschen Bahn. Das ermögliche privaten Konkurrenten, das Schienennetz stärker als bisher zu nutzen.
Versprechen nicht aufgegangen?
Aus Sicht der britischen Gewerkschaften sind die Zerschlagungs- und Privatisierungsversprechen der konservativen Regierung nicht aufgegangen. Immer wieder kritisieren sie, dass die privaten Bahnunternehmen vor allem an Profitmaximierung und Gewinnausschüttung an Anteilseigner interessiert seien, anstatt die Ticket-Einnahmen ins Bahnsystem zu reinvestieren. Das Personal werde ausgebeutet, bei Wartungen gespart. Passagiere wiederum kritisieren unübersichtliche und zu teure Ticketpreise. Wettbewerb findet auch hier praktisch nicht statt, da die Unternehmen jeweils vorrangig eine bestimmte Region bedienen.
Mehr als einmal musste die britische Regierung auch schon die Reißleine ziehen, nachdem Kunden unter ständigen Störungen litten. 2018 verstaatlichte sie zum Beispiel die East Coast Main Line, 2020 die nordenglische Northern Rail, 2021 den Betrieb der London South Eastern Railway. Und als durch die Corona-Lockdowns die Passagierzahlen drastisch einbrachen, schritt die Regierung wieder ein und zahlte den Unternehmen für den Betrieb der Strecken eine feste Summe aus der Staatskasse.
Hoffnung liegt auf großer neuer Gesellschaft
Die neue Labour-Regierung will die Bahn nun teilweise wieder verstaatlichen. Der Gesetzentwurf, der mittlerweile im Oberhaus liegt, sieht vor, dass der Betrieb durch private Anbieter endet, wenn die bestehenden Verträge auslaufen oder eine vertraglich vereinbarte Kündigungsklausel gezogen werden kann.
In einem zweiten Schritt will die Regierung den Staatskonzern Great British Railways schaffen. Er soll die Infrastruktur übernehmen, die Züge aber weiterhin von den privaten "Rolling Stock Companies" mieten. Ziel sei ein weitestgehend einheitliches System, das wieder zuverlässige Dienstleistungen schaffe, so die Regierung. Sie glaubt, mit diesem Modell am Ende sogar Geld zu sparen.