Trends auf der IAA Leise surrend oder mit lautem Gebrüll?
Sie wünschen - die Autoindustrie liefert: Egal ob emissionsfreie Elektroflitzer oder doch lieber PS-strotzende Sportwagen, auf der IAA in Frankfurt findet sich alles. Nach einem durchwachsenen Autojahr wirkt eine ganze Branche orientierungslos - und hat Angst davor, erneut eine Zukunftstechnologie zu verschlafen. Am Morgen wurde die Messe für das Publikum eröffnet.
Von Niels Nagel, tagesschau.de
Auch wenn Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, nicht müde wird zu betonen, dass die IAA 2009 die "grünste IAA aller Zeiten" sei, wird es so sein wie immer: Ausgerechnet um die PS-Boliden werden sich Menschentrauben versammeln und vom Mythos Automobil schwärmen. Bestes Beispiel: Der Audi R8 Spyder - ein offener Roadster mit mehr als 500 PS unter der Haube. Höchstgeschwindigkeit: über 300 Stundenkilometer.
Doch damit das ökologische Gewissen nicht zu sehr drückt, präsentiert der Ingolstädter Autobauer nur wenige Meter vom neuen Sportflitzer entfernt seinen neusten Prototyp in Sachen Elektromobil: einen R8 mit Elektromotor, den e-tron. Obwohl elektrobetrieben, soll er künftig in 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h sprinten und eine Reichweite von knapp 250 Kilometern haben. Bei gemäßigter Fahrweise natürlich.
Okölogisch korrekter Sportwagen. Die Audi Studie e-tron. Wann er in Serie geht ist offen.
"Eher Teil der Unterhaltungsindustrie"
Das klingt nach schöner neuer Autowelt: emissionsfreie Elektroautos, die in Sachen Spaß und Fahrvergnügen den heutigen Modellen in nichts nachstehen. Doch mit der Realität hat das bislang wenig zu tun. "Solche Prototypen sind eher ein Teil der Unterhaltungs- und nicht so sehr der Automobilindustrie", sagt Autoexperte Willi Diez im Gespräch mit tagesschau.de. Es handle sich dabei um absolute Nischenprodukte.
Vielleicht sind es aber auch Hoffnungsschimmer für eine tief verunsicherte Autoindustrie, die immer noch nie genau weiß, wohin die Reise künftig gehen wird. Nur eines scheint klar: Ein Jahr wie 2009, mit seinen stetigen Hochs und Tiefs, möchte so schnell kein Automanager mehr erleben.
Zwar verhinderte die Abwrackprämie, insbesondere bei den Herstellern kleinerer Modelle, das Schlimmste - doch es gab auch vermehrt schlechte Nachrichten: Hersteller wie General Motors und Chrysler mussten Insolvenz anmelden, Porsche hat seine Unabhängigkeit verloren und bei BMW und Daimler gibt es seit geraumer Zeit Kurzarbeit. Nicht zu vergessen der Rüsselsheimer Autobauer Opel, der auch nach dem geplanten Einstieg von Magna noch keinesfalls gerettet ist.
Auslastung liegt weltweit bei gut 60 Prozent
Für 2010 rechnet Autoexperte Diez zwar mit einem leichten Wachstum, was den weltweiten Automobilmarkt angeht, der Konsolidierungsprozess sei aber immer noch nicht abgeschlossen. Aktuell schon kränkelnde Unternehmen können im nächsten Jahr vollends verschwinden. Einer der Gründe: Schon in wirtschaftlich normalen Zeiten waren die Fabriken und Belegschaften nur zu drei Vierteln ausgelastet, mittlerweile liegt die Auslastung nur noch bei gut 60 Prozent - mit sinkender Tendenz. Rund um den Globus wäre die Autoindustrie in der Lage, in diesem Jahr fast 100 Millionen Autos zu produzieren. Verkauft werden jedoch nur halb so viele.
Wer im Kampf um die Marktanteile der Zukunft überleben will, muss sich also nach neuen Strategien umschauen. Und der Trend ist klar: Das Elektroauto gilt als das Maß aller Dinge. Wie noch niemals zuvor werden auf der Frankfurter Autoschau von nahezu allen Herstellern Elektro- und Hybridmodelle in die Messehallen gerollt.
Das von der Bundesregierung formulierte Ziel - bis 2020 sollten etwa eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen rollen - scheint die Hersteller zu locken. Autoexperte Diez sieht den "Hype" um das Elektroauto kritisch. Es sei zwar positiv, dass die Hersteller verstärkt in neue, alternative Antriebe investieren würden, doch wecke die Industrie mit ihren Ankündigungen Erwartungen, die kurzfristig nicht erfüllbar seien. Vielmehr sollten die Autobauer den Trend in Richtung Ökologie bei den klassischen Antriebskonzepten vorantreiben. Hier gebe es immer noch ein Einsparpotenzial zwischen 25 und 40 Prozent.
Glaubt, dass im kommenden Jahr noch weitere Automarken Schwierigkeiten bekommen. Autoexperte Willi Diez.
Serienreife Elektromobile sind auf der IAA Fehlanzeige
Doch das Elektroauto ist en vogue, und so sind aktuell auf der IAA vor allem Studien, Prototypen und Testmodelle zu sehen. Heute schon serienreife Elektroautos sucht man vergeblich. Tatsächlich rechnen die meisten Experten mit wettbewerbsfähigen Elektroautos nicht vor dem Jahr 2020 - und dann auch nur, wie jüngst eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey gezeigt hat, mit einem Marktanteil von etwa neun Prozent.
Doch bis dahin ist noch jede Menge Entwicklungsarbeit zu leisten: Nach wie vor sind insbesondere die Batterien der Schwachpunkt der neuen Technologie. Sie halten nur kurz, sind schwer und in ihrer Herstellung teuer. So müssen pro Kilowattstunde (kWh) Speicherkapazität eines modernen Lithium-Ionen-Akkus derzeit Herstellungskosten von 600 bis 800 Euro veranschlagt werden. Der jetzt auf der IAA vorgestellte Elektro-Smart kommt auf 14kWh - macht also rund 9800 Euro Batteriekosten. Ob das die Kunden bereit sind zu bezahlen, ist alles andere als sicher.
Günstig ist anders. Allein die Herstellungskosten der Batterie eines Elektro-Smart belaufen sich auf knapp 10.000 Euro.
Umweltgewissen wird an der Kasse ausgeblendet
Denn auch wenn in Umfragen immer mehr Käufer den Umweltschutz als ein wichtiges Kaufargument angeben, wird das Umweltgewissen spätestens an der Kasse wieder ausgeblendet. Das belegt die aktuelle Aral-Studie "Trends beim Autokauf 2009". Die Neigung, für verbrauchsarme Fahrzeuge mehr zu bezahlen, ist gegenüber 2007 sogar gesunken. Für 28 Prozent der Befragten kommen Mehrkosten generell nicht in Frage, 2007 waren es nur 21 Prozent. Doch auch bei den Zahlungswilligen ist die Schmerzgrenze bei 500 Euro an Mehrkosten erreicht. Nur acht Prozent der Studienteilnehmer wären bereit, für ein ökologisch vertretbares Auto bis zu 1500 Euro extra zu bezahlen.
Elektromobil muss nicht umweltfreundlich sein
Zumal selbst das Umweltschutz-Argument von Experten nicht uneingeschränkt akzeptiert wird. Elektroautos seien nur dann umweltfreundlich, wenn der Strom, mit dem sie betrieben werden, aus regenerativen Quellen stamme, sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck im tagesschau.de-Interview. Auf der Grundlage des heutigen Strommixes sei Elektromobilität sogar schlecht. Warum trotz dieser Bedenken gerade die deutschen Autohersteller die Entwicklung von Elektroautos aktuell so massiv forcieren, hat für Autoexperte Diez auch psychologische Gründe: "Die wollen sich nicht noch einmal vorwerfen lassen, eine Zukunftstechnologie verschlafen zu haben."
Ende der 80er-Jahre hatten die deutschen Autohersteller der Einführung des Katalysators lange Zeit skeptisch gegenüber gestanden. Als 1997 Toyota mit dem Prius ein Fahrzeug mit Hybrid-Antrieb anbot, unterschätzen die deutschen Auto-Ingenieure die neue Technologie ebenfalls. Hochnäsig verwiesen damals Vertreter von Daimler, VW, BMW, Porsche und Audi auf die Überlegenheit ihrer Dieselmotoren, die bei Autobahnfahrten deutlich sparsamer seien und obendrein mehr Fahrspaß böten. Das soll sich nun auf keinen Fall wiederholen - egal ob sinnvoll oder nicht.