Kein neuer Antrag auf staatlichen Notkredit Arcandor ist insolvent

Stand: 10.06.2009 00:09 Uhr

Arcandor gibt sich geschlagen: Der Handels- und Touristikkonzern hat seinen Kampf um staatliche Finanzspritzen aufgegeben und den Weg in die Insolvenz gewählt. Betroffen sind die Tochterfirmen Karstadt, Quelle und Primondo, nicht aber Thomas Cook.

Der angeschlagene Handels- und Warenhauskonzern Arcandor hat seine Bemühungen um staatliche Finanzspritzen aufgegeben und einen Insolvenzantrag gestellt. Beim Amtsgericht Essen sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit eingereicht worden, teilte das Unternehmen mit. Es lägen Anträge für die Gesellschaften Arcandor AG, Karstadt Warenhaus GmbH, Primondo GmbH (alle Essen) und Quelle GmbH (Fürth) vor, bestätigte das Amtsgericht.

Ausgenommen vom Insolvenzverfahren sind laut Arcandor die Touristiksparte Thomas Cook, die Primondo-Specialty Group GmbH mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie der Homeshopping-Sender HSE24.

Das Amtsgericht Essen bestellte den Kölner Anwalt Klaus Hubert Görg zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Er sei für alle vier Insolvenzverfahren der Arcandor AG sowie der drei Töchter zuständig, teilte das Gericht mit. Arcandor strebt eine Sanierung durch ein so genanntes Insolvenzplanverfahren an. Diese Planinsolvenz in Eigenverwaltung soll es dem Unternehmen einfacher machen, sich selbst zu sanieren.

Das Unternehmen ernannte dazu den Düsseldorfer Sanierungsfachmann Horst Piepenburg zum Generalbevollmächtigten, der die operative Führung der Geschäfte bei Arcandor übernehmen soll. Er soll mit Görg zusammenarbeiten. "Heute ist Deutschlands größtes Insolvenzverfahren eingeleitet worden", sagte Piepenburg am Arcandor-Hauptsitz in Essen. In erster Linie gehe es um den Erhalt von Arbeitsplätzen, fügte er hinzu.

Gehälter bis August gesichert

Zahlreiche Beschäftigte verließen nach der Bekanntgabe schweigend und mit gesenkten Köpfen die Arcandor-Zentrale in Essen. Mit zahlreichen Kundgebungen, Demonstrationen und Unterschriftensammlungen hatten zuletzt Tausende Arcandor-Mitarbeiter versucht, Berlin zur Zahlung von Staatshilfe zu bewegen. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick bedankte sich in einer Mitteilung für den Einsatz. "Wir werden auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens darum kämpfen, möglichst viele Arbeitsplätze und Standorte zu erhalten", versprach er. Die Gehälter sind durch die Zahlung von Insolvenzgeld durch die Bundesagentur für Arbeit für Juni, Juli und August gesichert. Im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens werde der operative Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, erklärte Arcandor.

"Schwarzer Tag für die Beschäftigten"

Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Hellmut Patzelt, sprach in den Tagesthemen von einem "rabenschwarzen Tag". Karstadt "hätte nicht in die Insolvenz gehen dürfen", sagte er - das Unternehmen habe im vergangenen halben Jahr "gute Geschäfte" gemacht und "viel Zuspruch" erfahren. Es müsse abgewartet werden, ob die Insolvenz eine Chance sei. Wenn man jetzt nicht strategisch plane, werde es viele Arbeitsplätze kosten.

Die stellvertretende Vorsitzende der gewerkschaft ver.di, Margret Mönig- Raane, kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: "Wer Lösungen will, findet Wege. Wer keine Lösung will, findet Gründe."

Beim traditionsreichen Versandhaus Quelle in Fürth löste die Insolvenz einen Schock aus. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung fürchtet ein "zweites Grundig" für die Region - schon der Niedergang des Elektronikkonzerns hatte Tausende von Arbeitsplätzen gekostet. Mehr über die Insolvenz von Quelle lesen Sie hier.

Regierung lehnt Rettungskredit ab

Am Montag hatte die Regierung einen Antrag auf Hilfen aus dem Deutschlandfonds und den als letzte Chance gehandelten Rettungskredit abgelehnt. Der zuständige Ausschuss sah zunächst die Eigentümer des Konzerns in der Pflicht, deren Beitrag zu einer Sanierung als ungenügend bewertet wurde. Dem Konzern war Zeit gegeben worden, seinen Antrag nachzubessern. Darüber war in der Konzernzentrale in der Nacht auf Dienstag gerungen worden - offenbar ohne tragfähiges Ergebnis. Die vom interministeriellen Ausschuss geforderte Verbesserung des Antrags auf Rettungsbeihilfe sei "nicht erreichbar" gewesen, begründete Arcandor.

Rettungsbeihilfe
Auf der Suche nach neuen Geldquellen bemühte sich Arcandor zuletzt um einen staatlichen Notkredit. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Zuweisungsgeschäft: Die Bundesregierung kann die staatseigene KfW anweisen, einen Kredit zu gewähren. Die EU-Kommission muss die Staatshilfe genehmigen und kann Auflagen machen.
Eine Unterstützung Arcandors aus dem sogenannten Deutschlandfonds, den die Regierung mit dem zweiten Konjunkturpaket aufgelegt hat, kommt für Karstadt nicht infrage: Eine Bedingung dafür ist nämlich, dass die Probleme des Unternehmens erst mit der Wirtschaftskrise im August 2008 begonnen haben.

Arcandor hatte bereits erklärt, dass der Konzern ohne staatliche Unterstützung vor der Pleite stehe. Bis Freitag muss der Konzern eigenen Angaben zufolge Kredite über 650 Millionen Euro verlängern.

Konkurrent in den Startlöchern

Der Konkurrent Metro hatte bereits Interesse an einer Reihe von Karstadt-Häusern angemeldet. Nun will der Handelsriese die Gespräche mit Arcandor über eine Übernahme möglichst schnell fortsetzen. Metro-Sprecher Rüdiger Stahlschmidt sagte: "Wir hoffen wenn die Lage es zulässt, dass wir die Gespräche nächste Woche wieder aufnehmen können." Metros Vorschlag: Die eigene Warenhauskette Kaufhof mit Karstadt vereinigen. "An unserem Konzept zur Übernahme von etwa 60 Karstadt-Standorten und damit zur Rettung der großen Mehrheit der Arbeitsplätze halten wir unverändert fest", betonte der Sprecher. Bei Arcandor mit seinen über 100 Warenhäusern sind insgesamt 56.000 Menschen beschäftigt, bei Karstadt allein etwa 24.000.