Bürgschaften für Arcandor Die EU senkt den Daumen
Die Aussichten Arcandors auf eine Staatsbürgschaft sind deutlich gesunken. Wirtschaftsminister Guttenberg nannte die Pläne des Touristik- und Handelskonzerns "zumindest ausbaufähig" - und ein klares Nein der EU zu Hilfen aus dem Deutschlandfonds mache die Lage noch schwieriger.
Während in Nürnberg mehrere Tausend Beschäftigte des Arcandor-Konzerns noch für Staatshilfen demonstrierten, kam aus Brüssel offenbar ein klares Nein: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erklärte, nach einer "sehr klaren Ansage" der Wettbewerbskommissarin Nellie Kroes gebe es kaum Möglichkeiten für den Karstadt-Mutterkonzern, über den Deutschlandfonds Kredite zu kommen.
Kroes habe erklärt, nach Brüsseler Einschätzung habe sich der Konzern bereits vor dem Juli 2008 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Die Probleme wären dann nicht der aktuellen Krise geschuldet, und Arcandor könnte darum nicht von der Lockerung der EU-Regeln für bestimmte Hilfsprogramme der Mitgliedstaaten profitieren. Die Bundesregierung hatte den 115 Milliarden Euro schweren sogenannten Deutschlandfonds für Firmen aufgelegt, die unmittelbar durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind.
Guttenberg: Arcandor-Pläne "zumindest ausbaufähig"
Guttenberg sagte, er habe selbst mit Kroes gesprochen. Mit der Einschätzung der Kommission falle "ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil des Weges in den Deutschlandfonds weg". Außerdem seien die Aussagen des Konzerns zur Zukunftsfestigkeit seines Sanierungskonzepts "zumindest ausbaufähig", sagte der CSU-Politiker - vor allem was Beiträge von Banken oder Eigentümer betreffe. Er habe Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick geraten, andere Wege zur Rettung des Kaufhauskonzerns zu prüfen. Infrage käme etwa eine Rettungsbeihilfe, die aber von der EU genehmigt werden müsse und sehr strenge Kriterien beinhalte, unter anderem eine mindestens 30-prozentige Kapazitätsanpassung und Beteiligung an Restrukturierungskosten. "Das wäre auch mit einem sehr hohen Arbeitsplatzabbau verbunden", erklärte Guttenberg.
Kritik von Steinbrück und Seehofer
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) widersprach Guttenberg nur wenige Minuten später in dieser Einschätzung. "Belassen wir es erstmal bei einem objektiven und vorurteilsfreien Prüfungsverfahren", sagte Steinbrück. "Jede öffentliche Vorabfestlegung halte ich für falsch." Die Instrumente, die geschaffen worden seien, sollten nun auch angewendet werden. Es müsse geprüft werden, ob Arcandor schon vor Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen sei.
Kritik kam auch aus Guttenbergs Partei: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagte, er habe "überhaupt kein Verständnis, wenn die Kommission von vornherein die Türen zuschlagen" wolle. Die Bundesregierung müsse unverzüglich erneut mit der EU-Kommission verhandeln, forderte der CSU-Politiker. Er könne die Einschätzung, Arcandor habe sich schon vor Juli 2008 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, nicht nachvollziehen.
Die Frist läuft am 12. Juni ab
Der Karstadt-Mutterkonzern hat nur noch wenige Tage Zeit, um seine Finanzierungsprobleme zu lösen. Die Forderungen, dass sich die Arcandor-Eigner finanziell an der Rettung beteiligen sollen, waren zuvor immer lauter geworden.
Ohne Staatshilfe, die Arcandor-Konzernchef Karl-Gerhard Eick vor kurzem beantragt hatte, droht dem angeschlagenen Kaufhaus- und Reise-Konzern mit den Marken Karstadt, Quelle und Thomas Cook ab dem 12. Juni die Insolvenz. Das Unternehmen, das zu diesem Termin eine Anschlussfinanzierung benötigt, fordert Bundesbürgschaften über 650 Millionen Euro sowie KfW-Kredite über 200 Millionen Euro. Karstadt-Chef Stefan Herzberg begründete die Existenznot des Mutterkonzerns Arcandor mit der Krise. "Wir haben hier eine Situation, die uns durch die Finanzkrise vom Kapitalmarkt abschneidet", sagte Herzberg dem Deutschlandradio Kultur. "Wir konnten vorher die Probleme selber lösen. Jetzt, durch den mangelnden Zugang zum Kapitalmarkt, sind wir dazu nicht in der Lage." Der Konzern kündigte nach der EU-Absage an, "weiterhin alle Möglichkeiten zu prüfen".