Machtkampf der Gewerkschaften Beim Ferienflieger Discover drohen Streiks
Bei der Lufthansa-Tochter Discover könnte es zum Arbeitskampf kommen. Ab morgen startet eine Urabstimmung bis zum 21. August. Die Gewerkschaften UFO und VC fühlen sich hintergangen - durch einen Tarifabschluss mit ver.di.
Bei der Lufthansa-Tochter Discover Airlines bahnt sich ein Arbeitskampf der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) an. Die beiden Gewerkschaften sehen sich vom Discover-Management durch einen überraschenden erstmaligen Tarifabschluss mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ausgebootet.
Mit koordiniertem Vorgehen wollen sie die Airline zwingen, auch mit ihnen die nach langen Gesprächen fast fertigen Tarifverträge zu schließen, wie sie heute ankündigten. Ab morgen sollen die Mitglieder in einer Urabstimmung bis 21. August entscheiden, ob sie dafür streiken wollen. "Ziele sind unsere Tarifverträge mit guten Bedingungen", sagte VC-Chef Andreas Pinheiro.
Streit zwischen den Gewerkschaften
Hintergrund ist der Tarifabschluss von Discover mit der Konkurrenzgewerkschaft ver.di, die nach Einschätzung der beiden nicht berücksichtigten Gewerkschaften nur wenige Mitglieder unter den rund 1.900 Beschäftigten des fliegenden Personals hat. "Da ist eine nicht legitimierte Arbeitnehmervertretung vom Management ins Amt gehoben worden", sagt der UFO-Tarifexperte Harry Jaeger.
Ver.di-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky erklärte, der Abschluss seiner Gewerkschaft mit Disover liege über den Forderungen von VC und UFO. "Der jetzige Konflikt zeigt, dass es beiden deshalb nicht darum geht, mehr für die Beschäftigten zu erreichen, sondern Macht und Bedeutung im Konzern abzusichern." Das nütze der Belegschaft nicht, ver.di erlebe derzeit eine Eintrittswelle bei dem 2021 gegründeten Ferienflieger.
Abschluss ein Erfolg für ver.di
Lufthansa und ver.di haben drei Jahre nach Gründung der Discover Gehalts- und Mantel- Tarifverträge abgeschlossen, die bis Ende 2027 gelten. Darin sind Gehaltserhöhungen, Zulagen und Sonderzahlungen vereinbart. Auch an die betriebliche Altersvorsorge, Dienstpläne oder Krankengeldzuschüsse ist gedacht.
Für ver.di ist der Abschluss ein Erfolg, weil man bislang im Lufthansa-Konzern nur beim Bodenpersonal und in den Eurowings-Kabinen wesentlich vertreten ist. Einen Tarifvertrag für Piloten hat man lediglich bei der Fracht-Beteiligung Aerologic.
UFO und VC könnten jetzt versuchen, über Streiks eigene, konkurrierende Tarifverträge bei der Discover durchzusetzen. Erst dann müsste überprüft werden, welche Gewerkschaft im Unternehmen mehr Mitglieder hat. Eine vorherige Mitgliederzählung habe man vorgeschlagen, ohne dass Lufthansa auf den Vorschlag reagiert habe.
Vergebliche Bemühungen um Tarifabschlüsse
Discover zeigte kein Entgegenkommen bei den Forderungen von VC und UFO. "Wir haben mit ver.di einen Sozialpartner und eine abgeschlossene Tarifierung", erklärte die Airline. "Unser Fokus liegt jetzt darauf, dass der Tarifvertrag umgesetzt wird und wirken kann." Das Unternehmen könne beim positiven Votum der Mitglieder einen Streik nur abwenden, wenn es sich mit VC und UFO einige, erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls.
Dass es mehr um einen Grundsatzstreit im Lufthansa-Konzern als um tarifliche Details geht, machten auch VC und UFO klar. Beide Gewerkschaften bemühten sich lange vergeblich um Tarifabschlüsse mit der Discover-Geschäftsführung. Das führte zu einer Streikwelle der VC und einem Erzwingungsstreik von UFO Anfang des Jahres. Der Airline gelang es, mit Hilfe anderer Fluggesellschaften aus der Lufthansa-Gruppe die Folgen für die Passagiere in engen Grenzen zu halten.
"Sowas ist uns noch nicht untergekommen"
"Seit geraumer Zeit lagen fertige Tarifverträge in der Schublade, aber man ist nicht zu Potte gekommen", sagte UFO-Tarifvorstand Harry Jäger. Dann habe sich der Arbeitgeber trotz noch laufender Gespräche mit ver.di geeinigt. "Sowas ist uns noch nicht untergekommen." Gewerkschafter vermuten, dass die Fäden in der Lufthansa-Zentrale gezogen wurden.
Laut UFO-Chef Joachim Vasquez-Bürger und VC-Chef Pinheiro könnte eine gezielte Strategie des Lufthansa-Konzernvorstands hinter dem Fall Discover stecken. Dass die im Unternehmen etablierten Fachgewerkschaften aus dem Tarifgeschäft herausgedrängt werden sollten, sei "für uns ein großes Problem", sagte Vasquez Bürger.
Vertrauensverlust gegenüber Lufthansa
Womöglich werde es bei City Airlines, der neu gegründeten Fluggesellschaft für Zubringerflüge, genauso gehen. "Das ist keine kleine Frage - Discover und City Airlines gehören in die Hände der Fachgewerkschaften", sagte der UFO-Chef. Die Lufthansa wolle die verschiedenen Flugbetriebe tariflich trennen, um Kosten zu drücken.
Mit VC und UFO an einem Verhandlungstisch in allen Betrieben sei es für sie aber schwerer, die Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen, sagte Pinheiro. VC und UFO sprachen von einem Vertrauensverlust gegenüber dem Lufthansa-Management. "Der Schwarze Peter gehört nicht zu ver.di, der Schwarze Peter gehört ins Lufthansa-Management", so UFO-Tarifvorstand Jäger.
Der Affront schmälere auch die Gesprächsbereitschaft von UFO, der zurzeit mit schwacher Ertragslage kämpfenden Lufthansa-Hauptmarke an anderer Stelle entgegenzukommen. UFO und VC wollen künftig enger zusammenarbeiten, um ihre starke Position im Lufthansa-Konzern zu verteidigen. An Solidaritätsstreiks der Gewerkschaften bei der Kernmarke Lufthansa sei zunächst nicht gedacht, sie werden von der VC aber auch nicht ausgeschlossen.