Der Luft-Boden-Marschflugkörper "Taurus" bei der ILA auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld (Bild vom 13.09.2012)
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"Taurus"-Marschflugkörper Große Reichweite, große Zerstörungskraft

Stand: 11.08.2023 15:13 Uhr

Der Marschflugkörper vom Typ "Taurus" fliegt hunderte Kilometer weit und kann Bunker sowie andere gut gesicherte Anlagen wie Munitionsdepots zerstören. Genau das macht das Waffensystem für die Ukraine so wertvoll.

Den raketenförmigen Taurus KEPD-350 bezeichnet die Bundeswehr als einen "der modernsten Flugkörper der Luftwaffe". Der Name steht als Abkürzung für die englischen Begriffe "Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System und Kinetic Energy Penetrator and Destroyer".

Als große Stärke des Systems nennt die Bundeswehr die "Bekämpfung von wichtigen Zielen über große Entfernung". Das heißt: Da der Taurus KEPD-350 nach Herstellerangaben eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern hat, müssen Piloten für das Abfeuern nicht in den feindlichen Luftraum eindringen. Das Waffensystem kann derzeit unter anderem mit dem Kampfflugzeug "Tornado" und mit dem "Eurofighter" zum Einsatz kommen.

Die rund fünf Meter langen und fast 1400 Kilogramm schweren Flugkörper sind mit einem eigenen Triebwerk und insgesamt vier voneinander unabhängigen Navigationssystemen ausgestattet. Er orientiert sich dabei anhand von Daten über die Geländebeschaffenheit und gleicht seinen Standort über Bild- und Infrarotsensoren sowie GPS-Daten ab.

480 Kilogramm schweres Sprengkopfsystem

Taurus kann dabei feindliches Radar mit hoher Geschwindigkeit in weniger als 50 Meter Höhe unterfliegen. Damit können sie nur schwer von der gegnerischen Flugabwehr getroffen werden. Beim Aufschlag auf das Ziel sprengt eine erste Ladung eine Lücke in Wand oder Decke der Ziele. Nach Angaben der Bundeswehr können so "stark gehärtete Zielstrukturen" durchbrochen werden. Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem Bunkeranlagen. Dort soll dann das 480 Kilogramm schwere Sprengkopfsystem "Mephisto" explodieren. Der Name steht als Abkürzung für "Multi-Effect Penetrator High Sophisticated and Target Optimized".

Hergestellt wurde der Lenkflugkörper durch die Taurus Systems GmbH. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschland-Tochter des europäischen Rüstungskonzerns MBDA und Saab Dynamics aus Schweden.

Stückpreis: eine Million Euro

Die Bundeswehr verfügt seit 2005 über das System. Damals bestellte das Verteidigungsministerium nach Angaben der Bundeswehr insgesamt 600 Flugkörper. Ein Exemplar kostete damals etwa eine Million Euro. Nach Angaben des FDP-Verteidigungspolitikers Marcus Faber sind inzwischen nur noch 150 Taurus-Marschflugkörper der Luftwaffe einsatzbereit. Er geht aber davon aus, dass die anderen 450 durch den Hersteller für den Export in die Ukraine wieder funktionsfähig gemacht werden könnten.

Reichweite beschränken?

Mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten die Marschflugkörper auch russisches Staatsgebiet erreichen. Dies ließe sich jedoch technisch beschränken. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass die Ukraine mit den weitreichenden Waffensystemen Angriffe auf russischem Territorium ausführen kann. Dabei gibt es mehrere denkbare Möglichkeiten: Das Waffensystem könnte so umprogrammiert werden, dass seine Reichweite eingeschränkt ist und es beispielsweise nur 300 Kilometer weit fliegen kann. Fachpolitiker wie der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter gehen davon aus, dass eine solche Beschränkung der Reichweite technisch möglich wäre. Kiesewetter zufolge dürfte eine Umprogrammierung wenige Wochen dauern.

Eine andere mögliche Einschränkung wäre eine Gebietseinschränkung - dass Taurus also die volle Reichweite ausschöpfen kann, aber nur, solange die Marschflugkörper nicht in russisches Gebiet kommen. Experten halten auch dies für machbar, zweifeln aber an der Sinnhaftigkeit. Fraglich ist bei beiden Varianten der Einschränkung auch, ob Ukrainer sie im Zweifel nicht eigenständig rückgängig machen könnten.

(Quelle: dpa/AFP)

Kai Clement, ARD Berlin, tagesschau, 11.08.2023 16:14 Uhr