Flugabwehrsystem "Patriot" der Bundeswehr
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ Deutsche Flugabwehrsysteme für Polen ++

Stand: 20.11.2022 20:57 Uhr

Die deutsche Verteidigungsministerin Lambrecht bietet Polen nach dem Raketeneinschlag Patriot-Abwehrsysteme an. Nahe dem ukrainischen AKW Saporischschja hat es nach Angaben der IAEA wieder mehrere Explosionen gegeben. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen.

20.11.2022 • 23:38 Uhr

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Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Russland dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zufolge bereits rund 4700 Raketen auf Ziele im Nachbarland abgefeuert. "Hunderte unserer Städte sind praktisch niedergebrannt, tausende Menschen wurden getötet, Hunderttausende wurden nach Russland deportiert", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.

Allein am vergangenen Dienstag habe Russland knapp 100 Raketen auf die Ukraine abgefeuert. "Hundert verschiedene Raketen gegen unsere Städte, gegen Wohngebäude, gegen Unternehmen, gegen Kraftwerke", so Selenskyj. Als Folge dieser Angriffe seien mehr als 20 Millionen Menschen zeitweise ohne Stromversorgung gewesen.

Deutschland hat Polen angeboten, Patriot-Raketenabwehrsysteme zur Verfügung zu stellen. Dies solle beitragen, den Luftraum des Landes zu sichern, nachdem vergangene Woche eine Rakete in Polen abgestürzt war, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht der "Rheinischen Post" und dem "Generalanzeiger".

Die Bundesregierung hatte bereits angekündigt, ihrem Nachbarn nach dem Vorfall, der zunächst ein Übergreifen des Ukraine-Krieges über die Grenze befürchten ließ, weitere Hilfe bei der Lufraumüberwachung mit deutschen Eurofightern anzubieten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte erklärt, man habe keine Hinweise darauf, dass der Raketeneinschlag ein vorsätzlicher Angriff war. Nach vorläufigen Analysen sei der Vorfall wahrscheinlich durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden, die gegen russische Angriffe mit Marschflugkörpern eingesetzt worden sei.

Bodengestützte Luftverteidigungssysteme wie Patriot sollen anfliegende Raketen abfangen. Seit Russlands Invasion in der Ukraine im Februar hat die NATO versucht, die Luftverteidigung in Osteuropa zu verstärken. Deutschland hatte 36 Patriot-Einheiten im Land stationiert, als es während des Kalten Krieges Frontstaat der NATO war. Aktuell sind noch zwölf Patriot-Einheiten im Besitz der Bundeswehr, von denen zwei in der Slowakei stationiert sind.

20.11.2022 • 19:25 Uhr

Russische Truppen bauen Abwehr aus

Nach ihrem Rückzug auf das Ostufer des Flusses Dnipro bei Cherson in der Südukraine bauen russische Soldaten dort nach Angaben aus Kiew neue Abwehrstellungen aus. Gleichzeitig seien sie etwa im Bezirk Kachowka vermehrt dazu übergegangen, Fortbewegungsmittel der Zivilbevölkerung zu stehlen, teilte der ukrainische Generalstab mit.

Derartige Raubzüge in besetzten Gebieten seien meist Vorboten weiterer Rückzüge der Truppen. Schon beim Abzug russischer Einheiten aus Isjum in der Region Charkiw im Osten der Ukraine hätten sich die Besatzer an den Fahrrädern der Bevölkerung "bedient", da ihnen der Treibstoff für ihre Fahrzeuge ausgegangen sei, hieß es weiter.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze sagt der Ukraine angesichts der russischen Angriffe auf die Infrastruktur weitere Hilfen zu. "Ja, wir werden von Deutschland aus massiv mithelfen, dass die Ukraine diesem Krieg standhält", sagt Schulze der ARD. "Wir liefern Generatoren. Wir helfen Stromleitungen, Wasserleitungen, Gasleitungen zu reparieren."

20.11.2022 • 16:15 Uhr

Patriarch Kyrill dankt Putin

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat sich erneut hinter Kreml-Chef Wladimir Putin gestellt. Bei einem Gottesdienst an seinem 76. Geburtstag am Sonntag in Moskau sagte er laut Kirchenangaben, er stimme mit Putin bei "sehr wichtigen Fragen der Gegenwart" überein. Er dankte dem Staatschef für die Bedingungen, unter denen die russisch-orthodoxe Kirche heute arbeiten könne. Kyrill I. wünschte sich in der Christ-Erlöser-Kathedrale zugleich Frieden und den Sieg über alle Gegner.

Kyrill I. steht seit 2009 an der Spitze der weltgrößten orthodoxen Kirche. Er ist ein wichtiger Verbündeter Putins. Kyrills Predigten für den russischen Einmarsch in die Ukraine sorgen seit Monaten international für Empörung. Großbritannien, Litauen und Kanada haben ihn wegen seiner Unterstützung des russischen Angriffskriegs mit Sanktionen belegt.

Für die unter den Folgen des Ukraine-Kriegs besonders leidende Republik Moldau wird am Montag in Paris eine internationale Geberkonferenz organisiert. Dabei geht es um weitere Hilfszusagen für die zwischen Rumänien und der Ukraine liegende ehemalige Sowjetrepublik. An dem Treffen beteiligt sind Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), ihre französische Amtskollegin Catherine Colonna sowie die Außenminister von Rumänien, Bogdan Aurescu, und Moldau, Nicu Popescu. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Moldaus Präsidentin Maia Sandu sprechen zum Abschluss des Treffens.

Moldau wurde im Juni mit der Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten erklärt. In Land mit seinen 2,6 Millionen Einwohnern kamen zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Hunderttausende Flüchtlinge. Davon sind 90.000 weiter im Land, deshalb benötigt es Unterstützung. Außerdem leidet die Bevölkerung unter einer hohen Inflation und stark gestiegenen Gaspreisen.

In Polen ist das zweite der beiden Todesopfer des Raketeneinschlags im Grenzgebiet zur Ukraine mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt worden. Die Beerdigung des 59-jährigen Traktorfahrers in dem kleinen Dorf Przewodow fand auf Wunsch der Angehörigen ohne Beteiligung des Militärs statt, wie die Nachrichtenagentur PAP berichtete.

Bereits am Samstag war das erste Opfer in Przewodow beerdigt worden, eine Ehrenkompanie der polnischen Armee hatte dem 60-jährigen Lagerverwalter das letzte Geleit gegeben. In dem Dorf nur sechs Kilometer von der Grenze zur Ukraine war am Dienstag eine Rakete eingeschlagen. Zurzeit geht der Westen davon aus, dass es eine ukrainische Flugabwehrrakete war, die zur Verteidigung gegen Angriffe des russischen Militärs eingesetzt wurde.

Ein Besattungsteam steht im polnischen Przewodow neben einem Leichenwagen-

Auch der zweite Mann, der bei dem Raketeneinschlag im polnischen Grenzdorf Przewodow ums Leben gekommen ist, ist in dem Ort beerdigt worden.

Am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja hat es nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wieder mehrere starke Explosionen gegeben. IAEA-Experten vor Ort hätten von Dutzenden Einschlägen in der Nähe und auf dem Gelände der größten europäischen Atomanlage berichtet, teilte die Behörde mit. Die Vorfälle am Samstag und Sonntag hätten eine Periode relativer Ruhe in der von Russland besetzten Anlage abrupt beendet, sagte Generaldirektor Rafael Grossi laut Mitteilung. IAEA-Experten sahen die Explosionen demnach teils von ihren Fenstern aus. Das Management der Anlage habe Schäden an einigen Gebäuden, Systemen und Geräten gemeldet. Die Schäden beeinträchtigten aber bislang nicht die nukleare Sicherheit. Es habe keine Verletzten gegeben.

Das russische Verteidigungsministerium beschuldigte die ukrainischen Streitkräfte, das Kernkraftwerk seit Samstag massiv mit Artillerie zu beschießen. "Wer auch immer dahintersteckt: Es muss umgehend aufhören", verlangte IAEA-Chef Rafael Grossi. Das AKW ist in den vergangenen Monaten bei schweren Kämpfen mehrfach unter Beschuss geraten. Die Ukraine und Russland geben sich gegenseitig die Schuld.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar sind nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft mehr als 8300 Zivilisten getötet worden. Unter ihnen seien 437 Kinder, teilte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin nach Angaben des Internetportals "Unian" vom Sonntag mit. Mehr als 11.000 Menschen seien in dem fast neun Monate andauernden Krieg verletzt worden. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte Kostin zufolge aber höher liegen, da ukrainische Behörden zu einigen von Russland besetzten Gebieten noch keinen Zugang hätten.

Die ukrainischen Behörden registrierten den Angaben zufolge mehr als 45.000 Kriegsverbrechen. 216 Personen seien als mutmaßliche Kriegsverbrecher gemeldet worden, darunter 17 russische Kriegsgefangene. Von 60 Personen angeklagten Personen seien bisher zwölf verurteilt worden.

Die russischen Streitkräfte verlegen nach Erkenntnissen des ukrainischen Generalstabs aus dem Gebiet Cherson abgezogene Einheiten in die Gebiete Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. In Luhansk richteten die russischen Besatzer zusätzliche Kontrollpunkte ein, um Deserteure zu identifizieren und festzunehmen, teilte der ukrainische Generalstab mit. Die russische Armee greife zwar massiv mit Raketen an, es sei aber wahrscheinlich noch zu früh, von einer neuen Großoffensive zu sprechen, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, dem Internetportal "Ukrajinska Prawda" zufolge im ukrainischen Fernsehen. Es komme aber im Donbass in der Ostukraine zu schweren Kampfhandlungen.

Die russischen Truppen hatten erst vor kurzem die Großstadt Cherson und das umliegende Gebiet nordwestlich des Flusses Dnipro geräumt und sich unter dem Druck der ukrainischen Streitkräfte auf die östliche Seite des Dnipro zurückgezogen. Seit Samstag konnten ukrainische Einheiten dem Generalstab zufolge zahlreiche russische Angriffe in den Gebieten Luhansk und Donezk abwehren.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Estland unterstützt die von Russland angegriffene Ukraine bei der Wiederherstellung seiner kriegszerstörten Transportinfrastuktur. Nach Angaben des Außenamts in Tallinn wird das baltische EU- und NATO-Land 27 Linienbusse des öffentlichen Nahverkehrs an Kiew übergeben. Die Fahrzeuge sollen im November und Dezember geliefert werden, teilte das Ministerium mit. Estland hatte bereits zuvor im Sommer 17 gebrauchte Busse in die Ukraine geschickt. 

"Um der ukrainischen Gesellschaft zu helfen, parallel zum Krieg möglichst menschenwürdig zu funktionieren, muss die Ukraine nicht nur militärisch und politisch, sondern auch mit humanitärer Hilfe unterstützt werden", sagte Außenminister Urmas Reinsalu. Mit den gespendeten Bussen könne ein notwendiger Beitrag geleistet werden, um die Menschen in der Ukraine im Alltag zu unterstützen.

In Privatinitiative hat der estnische Ableger des Lions Clubs zudem mit Spendengeldern 13 Stromgeneration gekauft. Sie sollen in den kommenden Tagen an Schulen und Kindereinrichtungen geschickt werden, die in Notunterkünften in der Ukraine arbeiten, teilte ein Vertreter der gemeinnützigen Organisation estnischen Medienberichten zufolge mit.

Russland hat laut einem US-Medienbericht ein Abkommen mit dem Iran geschlossen, um iranische Angriffsdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine im eigenen Land herzustellen. Derzeit werde daran gearbeitet, die Produktion binnen Monaten in Gang zu bringen, schrieb die "Washington Post" unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Die Vereinbarung sei Anfang November im Iran ausgehandelt worden.

Russland setzte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits Hunderte sogenannte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ "Shahed-136" ein. Sie können einige hundert Kilometer weit fliegen, kreisen eine Zeit lang über einem Zielgebiet und stürzen dann mit einer Sprengladung auf ein Ziel herab. Die russische Armee setzt die Drohnen unter anderem für Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur ein. Mit einer eigenen Produktion könnte Russland die Attacken ausweiten.

Aktuell sei die iranische Seite dabei, Konstruktionsunterlagen und Schlüsselkomponenten für die Produktion zu übergeben, schrieb die "Washington Post". Sie bezog sich auf drei Regierungsbeamte. Sie seien mit Geheimdienst-Erkenntnissen vertraut, die amerikanischen und anderen westlichen Geheimdiensten vorlägen.

Die Ukraine sieht die Versorgung mit Strom im Land trotz der zahlreichen russischen Angriffe auf die Stromerzeugungsinfrastruktur unter Kontrolle. "Wir dementieren die in sozialen Netzwerken und Online-Medien verbreiteten Panikmeldungen und versichern Ihnen, dass die Lage zwar schwierig, aber unter Kontrolle ist", erklärte das ukrainische Ministerium für Energie. Zuvor hatten die Kiewer Behörden erklärt, dass eine vollständige Abschaltung des Stromnetzes in der Hauptstadt nach den russischen Angriffen nicht auszuschließen sei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. November 2022 um 10:00 Uhr in den Nachrichten.