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Krieg in Nahost ++ Großbritannien will Nahost-Politik ändern ++

Stand: 06.07.2024 23:12 Uhr

Der neue britische Außenminister hat eine Kurskorrektur der Nahost-Politik angekündigt. Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben viele Menschen getötet worden. Die Entwicklungen im Liveblog.

06.07.2024 • 23:12 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden an dieser Stelle den Liveblog - vielen Dank für Ihr Interesse.

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv haben tausende Menschen für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas demonstriert. Teilnehmer der Kundgebung riefen immer wieder: "Abkommen jetzt!", wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa berichtete.

Der Protest sollte nach Angaben der Veranstalter Druck auf die Regierung ausüben, damit sie die Verhandlungen mit der islamistischen Hamas, die sich seit Monaten hinziehen, zu einem positiven Ende bringt.

Menschen protestieren in Tel Aviv gegen die Regierung des israelischen Premierministers Netanyahu.

In Tel Aviv demonstrierten Tausende Menschen demonstrierten für die Freilassung der Geiseln.

Nach einem Luftangriff auf eine Schule im Zentrum des Gazastreifens mit mehreren Toten, hat das israelische Militär erklärt, man habe militante Kämpfer ins Visier genommen, die sich in dem Gebiet aufhielten. "Die israelische Luftwaffe (IAF) hat mehrere Terroristen getroffen, die in Gebäuden im Bereich der UNRWA-Schule Al-Jaouni im zentralen Gazastreifen operieren", hieß es in einer Erklärung mit. Das Militär erklärte, es versuche stets, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten.

Israel hat wiederholt Vorwürfe, wonach Mitarbeiter des UNRWA an dem Terrorangriff im vergangenen Oktober beteiligt waren. Zudem soll die UN-Organisation von Terroristen unterwandert sein. Ein UN-Bericht widersprach jedoch den Vorwürfen. Allerdings veröffentlichte Israel danach Videos, die Hamas-Kämpfer auf einem UNRWA-Gelände zeigen, das sie als Lager oder Rückzugsort benutzen.

Der neue britische Außenminister David Lammy hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters eine Korrektur der britischen Israel-Politik angekündigt. "Ich möchte zu einer ausgewogenen Position zu Israel-Gaza zurückkehren", sagte der Labour-Politiker. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir einen Waffenstillstand wollen, und wir haben das seit Ende vergangenen Jahres gefordert."

Seine Regierung wolle, dass die israelischen Geiseln von der Hamas freigelassen werden. "Aber wenn wir die enormen Verluste an Menschenleben sehen - 38.000 Menschen, Frauen und Kinder - dann müssen die Kämpfe aufhören." Die internationale Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen müsse ankommen. "Ich werde alle diplomatischen Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass wir zu diesem Waffenstillstand kommen."

Lammy vermied eine klare Aussage, ob die britische Regierung israelische Politiker bei einem Besuch auf der Insel verhaften würde, wenn der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen diese Personen einen Haftbefehl ausstellen würde. "Natürlich ist die Frage der Haftbefehle eine Angelegenheit des IStGH-Anklägers", sagte Lammy. Er fügte aber hinzu: "Aber wir waren uns immer darüber im Klaren, dass wir uns an die Regeln der Ordnung und des humanitären Völkerrechts halten müssen."

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes hat wegen des Gazakrieges einen internationalen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beantragt. Sollte dem stattgegeben werden, müssten Regierungen Netanjahu verhaften, wenn dieser in ihre Länder reisen sollte. Ob dies geschehen soll, ist aber auch innerhalb der EU umstritten.

Der neue britische Außenminister David Lammy

Der neue britische Außenminister David Lammy

Bei einem israelischen Angriff auf ein Gebäude für vertriebene Palästinenser sollen nach Angaben einer palästinensischen Nachrichtenagentur mindestens 13 Menschen getötet worden. Bei dem Angriff sei ein Gebäude in Al-Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens getroffen worden, heißt es.

Das israelische Militär erklärte, es prüfe den Bericht.

Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge binnen 24 Stunden mindestens 29 Palästinenser getötet und 100 weitere verletzt worden. Unter den Toten seien fünf Journalisten und vier Polizisten, teilen die von der Terrororganisation Hamas kontrollierten Behörden mit.

Das israelische Militär erklärt, es habe seine Militäroperation fortgesetzt, mehrere bewaffnete Palästinenser getötet, Waffen sichergestellt und unterirdische Bauten zerstört. Dies deute "auf einen erneuten Versuch des Feindes, sich in dem Gebiet eine Basis zu errichten" hin. Im Viertel Schedschaija in der Stadt Gaza seien mehrere bewaffnete Hamas-Mitglieder getötet worden, die Soldaten angegriffen hätten. Zudem habe man eine Raketenbasis der Hamas ausgeschaltet, die sich in einem für humanitäre Zwecke ausgewiesenen Gebiet befunden habe.

In einem als "humanitäre Zone" ausgewiesenem Gebiet in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des Küstenstreifens griffen israelische Einsatzkräfte Armeeangaben zufolge zudem gezielt einen dort versteckten Raketenwerfer der Hamas an. Auch in Rafah im Süden des Gebiets gehen die Kämpfe Armeeangaben zufolge weiter. Dort seien, "mehrere Terrorzellen, die eine Bedrohung darstellten" eliminiert worden, teilte das Militär mit.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

In die Bemühungen um die Freilassung israelischer Geiseln in der Gewalt der radikal-islamischen Hamas kommt Bewegung. Nach indirekten Verhandlungen zwischen der palästinensischen Gruppierung und Israel am Freitag bestätigte heute ein hochrangiges Hamas-Mitglied gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, man habe die Forderung fallen gelassen, dass Israel sich zunächst zu einem dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen verpflichten müsse. Demnach sei nun in einer ersten, auf sechs Wochen begrenzte Phase eines Abkommens ein befristeter Waffenstillstand vorgesehen, der Lieferungen von Hilfsgütern ermöglichen und den Abzug der israelischen Truppen garantieren solle.

16 Tage nach Beginn der ersten Phase sollten Gespräche über die Freilassung israelischer Geiseln, darunter auch Soldaten und männliche Zivilisten, beginnen, sagte das Hamas-Mitglied weiter. Grundlage der Gespräche ist ein von US-Präsident Joe Biden Ende Mai vorgelegter Plan, der die Freilassung von etwa 120 Geiseln der Hamas und einen Waffenstillstand umfasst. Zunächst sind in zwei Phasen die schrittweise Freilassung der Geiseln, ein Rückzug der israelischen Streitkräfte und eine Freilassung palästinensischer Gefangener aus israelischer Haft geplant. Eine dritte Phase beinhaltet den Wiederaufbau Gazas und die Übergabe der Leichen toter Geiseln.

Israelische Kampfjets und Drohnen haben in der Nacht mehrere Ziele der Hisbollah im Südlibanon angegriffen. Wie die Armee auf X schrieb, befand sich darunter ein Gebäude in Kfar Kila, das die Terrororganisation nutzen soll. Weitere Operationen fanden demnach in Bint Dschubail und Yarine statt.

Bei Angriffen der Hisbollah in Nordisrael waren in der Nacht laut Armee zwei Soldaten leicht verletzt worden.

Die Karte zeigt Israel und Libanon mit Kafr Kila, Bint Dschubail und Yarine

Der akute Treibstoffmangel im kriegsgeplagten Gazastreifen verursacht nach UN-Angaben Stromausfälle in Krankenhäusern und bedroht das Leben von Neugeborenen und Nierenpatienten. Zudem gebe es in der brütenden Sommerhitze Auswirkungen auf die Wasserversorgung und und sanitäre Einrichtungen. Die Vereinten Nationen und ihre Partner seien wegen des Treibstoffmangels gezwungen, "unmögliche Entscheidungen" zu treffen, schrieb der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, am Freitag im Netzwerk X.

Die zunehmende Intensität der Gefechte zwischen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und Israel erhöht aus Sicht der Vereinten Nationen die Gefahr einer Ausweitung zu einem Krieg. "Eskalation kann und muss verhindert werden", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Freitag.

Er verwies auf um sich greifenden Beschuss entlang der Blauen Linie, einer von den Vereinten Nationen gezogenen Demarkationslinie zwischen Israel und dem Libanon, am Donnerstag. Vorausgegangen war die Tötung eines ranghohen Hisbollah-Kommandeurs durch Israel am Mittwoch. "Wir wiederholen, dass die Gefahr einer Fehlkalkulation, die zu einem plötzlichen und größeren Flächenbrand führt, real ist", sagte Dujarric. "Eine politische und diplomatische Lösung ist der einzige gangbare Weg nach vorn."

Oppositionsführer Gantz hat Regierungschef Netanyahu Unterstützung für einen Waffenruhe-Deal zugesichert. Die israelischen Unterhändler sind nach Friedensgesprächen in Doha wieder abgereist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Juli 2024 um 23:23 Uhr.