Olaf Scholz spricht im Bundestag.
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Krieg in Nahost ++ Scholz sichert Israel weiter Waffenlieferungen zu ++

Stand: 16.10.2024 14:14 Uhr

Bundeskanzler Scholz hat Israel weitere Waffenlieferungen zugesagt. Nach Warnungen vor einer Aushungerung des nördlichen Gazastreifens meldet Israel den Transport von Hilfsgütern in 50 Lastwagen in das Gebiet. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Israel im Kampf gegen die Terrormilizen Hamas und Hisbollah weitere Waffenlieferungen zugesagt. "Es gibt Lieferungen und wird auch immer weitere Lieferungen geben. Darauf kann sich Israel verlassen", sagte Scholz im Bundestag bei einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel.

Gleichzeitig erklärte der Kanzler, dass es auch weiterhin der humanitären Hilfe für die Menschen in Gaza bedürfe und dass die Regeln des Völkerrechts im Nahost-Krieg eingehalten werden müssten. Es brauche außerdem auch eine Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern, sagte Scholz. Es seien auch Zivilisten in dem Krieg gestorben. Die Humanität gebiete es, mit allen Opfern zu fühlen, sagte Scholz.

Nach Warnungen vor einer Aushungerung des nördlichen Abschnitts des Gazastreifens hat Israel den Transport von Hilfsgütern in 50 Lastwagen in das Gebiet gemeldet. Es handele sich unter anderem um Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente, teilte die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat mit. 

In mehreren Gemeinden im Norden Israels ist erneut Luftalarm ausgelöst worden. Die Sirenen heulten am Mittwoch in den Orten Kfar Giladi und Misgaw Am, wie die Armee mitteilte. Sie liegen unmittelbar an der faktischen Grenze zum Libanon. In der Nacht zuvor sei eine weiter südlich gelegene Region, in der auch die Stadt Safed liegt, mit etwa 50 Raketen aus dem Libanon angegriffen worden, teilte die Armee weiter mit. 

Einige der Geschosse seien abgefangen worden, andere in offenem Gelände eingeschlagen. Die Hisbollah teilte mit, sie habe Raketen auf Safed und drei weitere Orte in der Nähe abgefeuert. Über Opfer oder größere Schäden wurde nichts mitgeteilt.

Der Bürgermeister der Stadt Nabatije im Süden des Libanon ist nach Angaben der dortigen Provinzgouverneurin bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Bürgermeister Ahmad Kahil zähle zu den Opfern des Angriffs vom Mittwoch, sagte die Gouverneurin der gleichnamigen Provinz, Howaida Turk, der Nachrichtenagentur AP.

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen in der Provinzhauptstadt Nabatije fünf Menschen ums Leben. Nach israelischer Darstellung wurden dort Stellungen der Hisbollah in zivilen Gebieten angegriffen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Generalkommissar des UN-Flüchtlingshilfswerks UNWRA ist bei einer Pressekonferenz auch auf Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Hilfswerks und mögliche Verstrickungen in den Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 eingegangen. Hierzu habe es eine gründliche Untersuchung gegeben, die betreffenden UNWRA-Mitarbeiter seien gemeldet, teils bei den Angriffen getötet oder inhaftiert worden, sagte er laut Nachrichtenagentur KNA.

"Mit Blick auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober ist keine Untersuchung mehr offen", betonte Lazzarini. Er hatte direkt nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe erklärt, dass jeder, der möglicherweise in den Terrorakt verwickelt sei, zur Rechenschaft gezogen werde. Deutschland und andere Geberländer hatten temporär ihre Mittel für das Hilfswerk eingestellt.

Philippe Lazzarini

Philippe Lazzarini

Ein 35-jähriger Israeli soll im Auftrag des Irans einen geplanten Mord an einem israelischen Wissenschaftler vorbereitet haben. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet teilte mit, der Einwohner einer Vorstadt von Tel Aviv sei den Sicherheitskräften ins Netz gegangen. Der Mann soll sich im Kontakt mit einem iranischen Spionagenetzwerk bereiterklärt haben, den Wissenschaftler für 100.000 US-Dollar (knapp 92.000 Euro) zu töten. 

Der Tatverdächtige habe bereits eine Waffe und Munition gekauft, teilte Schin Bet mit. Die iranischen Kontaktleute hätten ihm versprochen, ihm direkt nach der Tat zur Flucht nach Russland zu verhelfen. Es sei ein weiterer Fall in einer Serie iranischer Versuche, israelische Bürger für Spionagezwecke zu rekrutieren. 

Im Streit über israelische Angriffe auf UN-Friedenstruppen im Libanon verschärft sich der Ton zwischen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. In einem Telefonat hatte Macron nach Angaben des Élysée-Palasts seine Empörung über die Angriffe vorgebracht. Israel müsse sofort aufhören, die Blauhelmsoldaten zum Ziel zu nehmen, habe er gesagt. Israel betont, es nehme keinesfalls UN-Truppen zum Ziel und wirft wiederum der libanesischen Hisbollah vor, diese als Schutzschilde zu missbrauchen. 

Französische Medien berichteten zudem von einer Mahnung Macrons in Richtung Netanyahu: Dieser solle nicht vergessen, dass Israel durch eine Entscheidung der UN gegründet worden sei, sagte Macron den Berichten zufolge bei einer Kabinettssitzung. Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sich von den Entscheidungen der Vereinten Nationen zu distanzieren. Französische Medien bezogen sich bei der Aussage auf Teilnehmer der Sitzung. Der Élysée-Palast äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht. 

Netanyahu hielt öffentlich dagegen, Israel sei keinesfalls durch einen UN-Beschluss gegründet worden, sondern durch den Sieg im arabisch-israelischen Krieg, der 1948 begann. 

Der Chef des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, warnt angesichts des bevorstehenden Winters vor einer Hungersnot im umkämpften Gazastreifen. "Hunger und Unterernährung sind leider sehr wahrscheinlich", sagte Lazzarini bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Die Lage in Gaza sei dramatisch, das Leid enorm. Rund eine Million Minderjähriger seien traumatisiert, mehr als 600.000 Schulkinder erhielten keine Bildung, berichtete Lazzarini. Das Hilfswerk sei ihm zufolge kurz vor dem Punkt, an dem es nicht mehr helfen könne.

Falls es der israelischen Regierung gelinge, die Arbeit des Hilfswerks in Gaza zu verbieten, wie es derzeit versucht werde, drohe nicht nur die letzte mögliche Versorgung der Menschen wegzubrechen - es könne auch die Arbeit von anderen UN-Organisationen weltweit bedrohen, so Lazzarini.

Dabei sei der Hunger in dem palästinensischen Küstenstreifen "menschengemacht", sagte Lazzarini und forderte, die Lastwagen-Konvois mit Nahrungsmitteln über die Grenzposten in den Gazastreifen passieren zu lassen. Vor allem Kinder seien in einer hoffnungslosen Lage, sie lebten zwischen Abwässern und Müll.

Die USA haben von Israel laut Medienberichten gefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, sonst hätte das Konsequenzen - auch für Waffenlieferungen. In dem Brief, der an israelische Journalisten geleaked wurde, finden die USA ungewöhnlich deutliche Worte, berichtet ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann.

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu den israelischen Luftangriffen in Beirut und zur aktuellen Lage in Israel

tagesschau24, 16.10.2024 09:00 Uhr

Die israelische Luftwaffe hat nach Behördenangaben zahlreiche Angriffe auf die Stadt Nabatijeh im Süden des Libanon geflogen. Es habe am Morgen mindestens elf Angriffe auf die Stadt und ihre Umgebung gegeben, sagte Gouverneurin Howaida Turk der Nachrichtenagentur AFP. Durch die Angriffe habe sich ein "Feuer-Ring" rund um Nabatijeh gebildet. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters meldete das libanesische Gesundheitsministerium, dass bei den Angriffen fünf Menschen getötet wurden.

Bereits am Wochenende war das Geschäftszentrum von Nabatijeh bei einem israelischen Luftangriff zerstört worden.

Der iranische Außenminister Abbas Araghchi hat mit einer "entschiedenen" Antwort Teherans gedroht, falls Israel den Iran als Vergeltung für einen iranischen Raketenangriff angreifen sollte. "Der Iran tut zwar alles, um den Frieden und die Sicherheit in der Region zu wahren, ist aber auch auf eine entschiedene und zu bedauernde Reaktion auf jegliche Abenteuer Israels vorbereitet", sagte Araghchi in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär António Guterres, wie Araghchis Büro mitteilte. 

Vertreter der Europäischen Union und der Golfstaaten beraten bei einem Gipfeltreffen am Nachmittag in Brüssel über die Lage im Nahen Osten. Ziel sind nach Angaben hochrangiger EU-Beamter gemeinsame Bemühungen, eine weitere Eskalation der Konflikte in der Region zu verhindern. "Beide Seiten sind deswegen besorgt", sagte ein EU-Beamter. An dem Treffen nehmen Staats- und Regierungschefs der sechs Staaten des Golf-Kooperationsrates teil, zu dem Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Die EU wird unter anderen durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren Außenbeauftragten Josep Borrell vertreten.

Neben dem Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen sowie dem Konflikt zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz soll es in den Beratungen auch um die Handelsbeziehungen, die Energieversorgung und die Klimakrise gehen.

Nachdem die Gegend tagelang von Angriffen verschont geblieben war, hat ein israelischer Luftangriff am frühen Morgen die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut getroffen. Das berichten mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Augenzeugen. Diese hörten demnach eine Explosion und sahen eine Rauchwolke. Man habe ein Waffendepot der Hisbollah angegriffen, teilte das israelische Militär mit. Zuvor hatte Israel die Bewohner eines Gebäudes in dem Viertel im Kurznachrichtendienst X aufgefordert, es sofort zu verlassen. Es würden in Kürze Ziele der Hisbollah angegriffen werden.

Israel hat seine Luftangriffe im Süden des Libanons und auf die Bekaa-Ebene intensiviert. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur berichtete, bei einem Luftangriff auf den Ort Kana in der Provinz Tyrus sei am Dienstag mindestens ein Mensch ums Leben gekommen. Mindestens 30 weitere seien verletzt worden. Es wurde vermutet, dass sich noch viele Menschen unter Trümmern befanden.

In derselben Provinz gab es dem Bericht zufolge unter anderem auch Angriffe auf die Dörfer Al-Kasimija, Ain Baal, Aita al-Dschabal, Madschalson und Al-Mansuri. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, bei einem israelischen Luftangriff auf den Ort Rijak in der Bekaa-Ebene seien fünf Menschen getötet worden, darunter drei Kinder. 16 weitere Menschen seien verletzt worden.

Die israelische Armee hat rund 50 Geschosse gemeldet, die in der Nacht auf Mittwoch aus dem Libanon auf Nordisrael abgeschossen worden seien. "Einige Geschosse wurden abgefangen und heruntergefallene Geschosse wurden in der Gegend identifiziert", erklärte das Militär. Opfer meldete die Armee nicht. Die Hisbollah-Miliz im Libanon erklärte ihrerseits, sie habe "eine große Raketensalve" auf die nordisraelische Stadt Safed abgefeuert. 

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ein Brief hochrangiger US-Beamter, in dem sie Israel aufforderten, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, werde von Israel geprüft, sagte ein israelischer Beamter in Washington der Nachrichtenagentur Reuters. "Israel nimmt diese Angelegenheit ernst und beabsichtigt, die in diesem Brief geäußerten Bedenken mit unseren amerikanischen Kollegen zu besprechen", sagte er demzufolge.

Die Vereinigten Staaten hätten Israel mitgeteilt, dass sie im nächsten Monat Maßnahmen ergreifen müssen, um die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern, andernfalls drohten mögliche Beschränkungen der US-Militärhilfe, heißt es in dem Brief.

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid spricht sich dafür aus, bei dem geplanten Vergeltungsschlag gegen den Iran die Ölfelder des Landes ins Visier zu nehmen. "Wir sollten mit den Ölfeldern beginnen", sagte er der Jerusalem Post. Das würde der Wirtschaft der Islamischen Republik schaden, begründete er seine Forderung. 

Am Dienstag hatte die Washington Post berichtet, dass sich Israel bei einem Schlag gegen den Iran auf militärische Einrichtungen konzentrieren und Atom- und Ölanlagen verschonen will. Vor zwei Wochen hatten Irans Revolutionsgarden rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat gefeuert. Israel kündigte daraufhin Vergeltung an.

Der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, hat die Kriegsschäden durch die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen auf 14 bis 20 Milliarden Dollar beziffert. Die Zerstörungen durch Israels Bombardierung des Südlibanon dürften diese regionale Summe noch erhöhen, sagte Banga auf einer Veranstaltung in Washington. Der Krieg habe bisher nur relativ geringe Auswirkungen auf die Weltwirtschaft gehabt, aber eine erhebliche Ausweitung des Konflikts würde andere Länder, die einen größeren Beitrag zum globalen Wachstum leisten, einschließlich Rohstoffexporteure, mit hineinziehen.

Im Libanon stehen laut UN-Flüchtlingshilfswerk etwa ein Viertel des Landes unter israelischem Evakuierungsaufruf. Bei einem Anschlag in Israel wurde nach Behördenangaben ein Polizist getötet. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen.