Menschen fliehen aus dem Norden des Gazastreifens
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Krieg in Nahost ++ Israel ruft in Gaza-Vierteln zur Flucht auf ++

Stand: 23.08.2024 22:51 Uhr

Israel plant einen neuen Militäreinsatz in nördlichen Gebieten des Gazastreifens - und fordert die dortigen Anwohner zur Flucht auf. Bei israelischen Angriffen im Libanon sind mehrere Menschen getötet worden. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen.

23.08.2024 • 22:51 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden an dieser Stelle den Liveblog - vielen Dank für Ihr Interesse.

In Syrien sind nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten bei einem Israel zugeschriebenen Angriff drei Mitglieder proiranischer Milizen getötet worden. Zehn weitere seien verletzt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Syriens Staatsagentur Sana hatte zuvor von sieben verletzten Zivilisten bei den Angriffen im Zentrum des Landes berichtet.

Israels Armee habe unter anderem Verkaufsstellen für Treibstoff in Homs angegriffen, erklärte die Beobachtungsstelle. Diese würden von Syrern mit Verbindungen zur libanesischen Hisbollah-Miliz betrieben. Auf Videos, die die Angriffe zeigen sollen, waren große Explosionen und Rauchwolken zu sehen.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, fordert die Richter in Den Haag zu einer raschen Entscheidung über einen Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu auf. Auch über die ebenfalls beantragten Haftbefehle gegen Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie gegen Hamas-Chef Jahja Sinwar müsse schnell entschieden werden.

"Jede ungerechtfertigte Verzögerung in diesem Verfahren geht zulasten der Opfer", erklärt der Brite in jüngst veröffentlichten Gerichtsunterlagen. Die Verfolgung mutmaßlicher Kriegsverbrechen beider Seiten falle in den Zuständigkeitsbereich des IStGH, Klagen dagegen seien abzuweisen.

Khan hatte internationale Haftbefehle gegen mehrere Hamas-Anführer wegen des Überfalls auf Israel und gegen die beiden israelischen Politiker wegen der Kriegsführung im Gazastreifen beantragt. Die Frage einer Umsetzung eines möglichen Haftbefehls gegen Netanyahu hatte in Deutschland eine scharfe Debatte ausgelöst.

23.08.2024 • 21:01 Uhr

Verletzte bei Angriffen in Syrien

Bei Luftangriffen auf Ziele in Syrien sind laut syrischen Staatsmedien sieben Zivilisten verletzt worden. Die Israel zugeschriebenen Angriffe hätten einer Reihe von Stellungen gegolten, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Sana einen nicht näher genannten Militäroffizier. Die Luftabwehr habe einige der Raketen abgeschossen.

Die der syrischen Opposition nahestehende Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, die Angriffe hätten unter anderem auf ein Waffenlager und einen Kraftstofftank in den Provinzen Homs und Hama abgezielt, die mit der libanesischen Hisbollah-Miliz in Verbindung stünden. Das israelische Militär hat sich noch nicht zu den Berichten geäußert.

Angehörige im Gazastreifen festgehaltener Geiseln aus Israel haben Benjamin Netanyahu schwere Vorwürfe gemacht. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsident ließen sie ihrem Ärger darüber freien Lauf, dass dessen Regierung noch immer keinen Deal für eine Waffenruhe mit der Hamas erzielt hat, der die Freilassung ihrer Verwandten aus der Gewalt der militant-islamistischen Gruppe möglich machen soll.

Netanyahu habe zwar sein Engagement bekräftigt, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um ihre Angehörigen lebend nach Hause zurückzubringen, erklärte die Gruppe Hostages Family Forum, die Verwandte von Geiseln vertritt. Doch entgegnete Jischar Lifschitz, Sohn der Geisel Oded Lifschitz: "Der Begriff 'lebendig' begrenzt das auf einen bestimmten Zeitrahmen". Jischar Lifschitzs Mutter war ebenfalls verschleppt und später wieder freigelassen worden. Oded ist noch immer in der Gewalt der Entführer.

Von den während des Massakers am 7. Oktober 2023 verschleppten 250 Menschen sollen sich noch mehr als 100 im Gazastreifen befinden. Allerdings gehen Israels Behörden inzwischen davon aus, dass etwa ein Drittel der Geiseln nicht mehr am Leben ist.

Nach wiederholten Raketenangriffen aus dem Gazastreifen plant die israelische Armee einen neuen Militäreinsatz - und fordert deswegen die Anwohner mehrerer Viertel im Norden des Gebiets zur Flucht auf. Die Menschen sollen sich in Zufluchtsstätten westlich der Stadt Gaza begeben, wie es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf eines Armeesprechers hieß. Wegen des anhaltenden Beschusses aus der Gegend wolle das Militär dort gegen die islamistische Hamas und weitere Terrororganisationen vorgehen.

Hilfsorganisationen sehen die regelmäßigen israelischen Fluchtaufrufe für Zivilisten im Gazastreifen äußerst kritisch. "Die ständigen Evakuierungsanordnungen zermürben Familien in Gaza und erschweren massiv lebensrettende Hilfe", teilte der Leiter des Berliner Büros des UN-Welternährungsprogramms, Martin Frick, mit. "Fast jeder in Gaza wurde seit Oktober 2023 durch die aufeinanderfolgenden Evakuierungsanordnungen vertrieben."

Auf einem Mitte der Woche vor der Küste des Jemen unter Beschuss geratenen Öltanker sind offenbar drei Feuer ausgebrochen. Entsprechende Berichte seien ihr zugegangen, teilte die britische Behörde für maritime Sicherheit (UKMTO) mit.

Offenbar treibe die einem griechischen Unternehmen gehörende "Sounion" zudem ab - an Bord sind 150.000 Tonnen Rohöl. Das Schiff war am Mittwoch von drei Geschossen getroffen worden, die mutmaßlich von jemenitischen Huthi-Milizen abgefeuert wurden. Es wurde evakuiert und liegt laut dem Unternehmen Delta Tankers im Roten Meer zwischen Eritrea und dem Jemen vor Anker.

In die Gespräche in Kairo über ein Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen kommt offenbar Bewegung. "Es wurden Fortschritte gemacht", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Nun müssten beide Seiten "zusammenkommen und auf die Umsetzung hinarbeiten".

Kirby bezeichnete die gestern in Kairo geführten Gespräche als Vorstufe zu weitergehenden Verhandlungen. Seinen Angaben zufolge nimmt auch CIA-Chef William Burns an der neuen Verhandlungsrunde in der ägyptischen Hauptstadt teil. Die israelische Seite wird von den Geheimdienstchefs David Barnea und Ronen Bar in Kairo vertreten.

Israel und die Hamas verhandeln nicht direkt miteinander; die USA, Katar und Ägypten treten in den indirekten Gesprächen als Vermittler auf. Das israelische Verhandlungsteam war bereits zu der vorangegangenen Verhandlungsrunde nach Doha gereist, die Hamas hingegen lehnte eine Teilnahme ab und schickte offenbar auch keinen Vertreter nach Kairo. Die neuen Gespräche folgen auf den jüngsten Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in der Region sowie ein Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu.

In Kairo führt derzeit eine israelische Verhandlungsdelegation neue Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gaza-Streifen. Laut israelischen Medienberichten sind bei den Verhandlungen in Kairo auch Vertreter der Vermittler USA und Ägypten dabei. Die Hamas nimmt - wie bereits bei vorangegangenen Gesprächen in Doha - offenbar nicht teil.

Während in Kairo neue Gespräche geführt werden, bekräftigte der Hamas-Vertreter Osama Badran die Forderung seiner Organisation. Die Hamas werde "nichts weniger als den Rückzug der Besatzungstruppen (aus dem Gazastreifen), einschließlich Philadelphi" akzeptieren, sagte Badran am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Einer der Streitpunkte der Verhandlungen ist die Dauer der israelischen Armee-Präsenz im Gazastreifen - insbesondere die von Israel beanspruchte dauerhafte Kontrolle der südlichen Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, des sogenannten Philadelphi-Korridors.

Israels Premier Netanyahu warf Badran vor, "keine endgültige Einigung" erzielen zu wollen, deshalb rücke er nicht von seiner Position hinsichtlich des Philadelphi-Korridors ab.

Karte: Gazastreifen mit Philadelphi-Korridor

Kurz nach Beginn des Kriegs gegen die Terrororganisation Hamas hat die israelische Regierung in Berlin angefragt, ob Deutschland bei der Evakuierung von Krankenhäusern im Gazastreifen helfen könne. Das berichtet der Spiegel unter Berufung auf Quellen aus mehreren Ministerien.

Hintergrund waren Informationen, die Hamas habe Stellungen in Tunneln unter Hospitälern bezogen, etwa unter dem Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Eine Evakuierung hätte der israelischen Armee das Vorgehen erleichtert und womöglich zivile Opfer vermieden.

In Berlin reagierte man jedoch skeptisch. Bei einer Besprechung am 9. November 2023 unter Leitung des Auswärtigen Amts mit den Ministerien Inneres, Finanzen, Verteidigung, Bauen und Gesundheit trugen die Beamten vor allem logistische Probleme vor. Etwa, welche Organisation die Aktion durchführen solle. Zudem sollte die Evakuierung über Ägypten laufen - doch in Kairo fürchtete man, eine Vertreibung von Palästinensern zu unterstützen. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, Israel habe zugesichert, dass die Evakuierten nach Ende der Kämpfe zurückkehren könnten.

Ähnliche Anfragen gingen in anderen EU-Staaten ein. Doch Israel verfolgte sie später nicht mehr weiter.

Bei erneuten israelischen Angriffen im Libanon sind nach Behördenangaben mehrere Menschen getötet worden. Bei einem Angriff in Aita al-Dschabal im Südlibanon wurden ein siebenjähriges Kind und ein weiterer Mensch getötet, wie das Gesundheitsministerium in Beirut berichtete. Bei einem anderen Angriff auf den Ort Tayr Harfa unweit der israelischen Grenze im Süden des Libanons wurden demnach außerdem drei Personen getötet.

Laut libanesischen Sicherheitskreisen handelte es sich dabei um Kämpfer der Hisbollah. Die Schiitenmiliz erklärte drei ihrer Kämpfer für tot. Für gewöhnlich führt die Hisbollah nicht weiter aus, wann, wo und wie ihre Mitglieder ums Leben kommen. Das israelische Militär teilte mit, eine Terrorzelle in Tayr Harfa angegriffen und eliminiert zu haben.

23.08.2024 • 13:28 Uhr

Lufthansa fliegt wieder Amman an

Der Lufthansa-Konzern nimmt einzelne Flüge in die Krisenregion Nahost wieder auf. Trotz der anhaltenden Kriegsgefahr zwischen Israel und dem Iran sollen ab dem kommenden Dienstag wieder die Flughäfen Amman in Jordanien und Erbil im Irak angeflogen werden, wie das Unternehmen mitteilte.

Die geltende Sperre für Flüge nach Tel Aviv und Teheran wird indes bis zum 2. September verlängert. In die libanesische Hauptstadt Beirut will die Lufthansa-Gruppe zumindest bis einschließlich 30. September nicht mehr fliegen. 

Ungeachtet der Verhandlungen über ein Waffenruhe-Abkommen gehen die Kämpfe im Gazastreifen weiter. Die israelische Armee tötete nach eigenen Angaben in Nahkämpfen seit Donnerstag Dutzende Gegner. Bei den Gefechten in der Stadt Chan Yunis im Süden des Küstenstreifens und in der Gegend von Deir al-Balah weiter nördlich sei zudem terroristische Infrastruktur zerstört worden. 

Auch Israels Luftwaffe habe in die Kämpfe eingegriffen und unter anderem Stellungen beschossen, von denen aus Raketen auf Israel abgefeuert worden seien. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete von mehreren getöteten Zivilisten infolge israelischer Angriffe. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israelische Evakuierungsanordnungen und das Kampfgeschehen im Gazastreifen haben seit Beginn des Kriegs 90 Prozent der 2,1 Millionen Einwohner des Küstengebiets zu Binnenflüchtlingen gemacht. Das berichtet der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in den palästinensischen Gebieten, Muhannad Hadi.

Die israelischen Evakuierungsanordnungen gefährdeten Zivilisten, statt sie zu schützen, sagte er. "Sie zwingen Familien, erneut zu fliehen, oft unter Beschuss und mit den wenigen Habseligkeiten, die sie tragen können, in ein immer kleiner werdendes Gebiet", das überfüllt und unsicher sei, sagte Hadi.

Das humanitäre Völkerrecht verlange den Schutz von Zivilisten, sagte Hadi. Der Weg für alle beteiligten Kriegsparteien sei "so klar wie dringend: Zivilisten schützen, Geiseln freilassen, humanitären Zugang erleichtern, einer Waffenruhe zustimmen."

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat sich in Chicago auch kurz zur Lage im Nahen Osten geäußert. Sie betonte, dass sie immer für Israels Recht auf Selbstverteidigung eintreten werde. US-Präsident Joe Biden und sie selbst arbeiteten Tag und Nacht daran, den Krieg im Gazastreifen zu beenden.

"Was in den letzten zehn Monaten in Gaza geschehen ist, ist verheerend. So viele unschuldige Menschen haben ihr Leben verloren, verzweifelte, hungrige Menschen, die immer wieder in Sicherheit fliehen. Das Ausmaß des Leids ist herzzerreißend", sagte sie.

Harris wolle sich weiter dafür einsetzen, dass "die Geiseln freigelassen werden, das Leiden in Gaza ein Ende hat und das palästinensische Volk sein Recht auf Würde, Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung wahrnehmen kann".

Palästinenservertreter wollen die UN-Vollversammlung über eine neue Resolution zur israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete abstimmen lassen. Geplant sei, im September eine Resolution einzubringen, die ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs festschreibt, laut dem die israelische Siedlungspolitik gegen das Völkerrecht verstößt und auch die fortgesetzte Präsenz Israels in den besetzten Gebieten rechtswidrig ist.

Der palästinensische UN-Botschafter Rijad Mansur sagte dem UN-Sicherheitsrat, dass die rechtlich nicht bindende Resolution maßgeblich sei, um die Besatzung zu beenden. "Wir haben es satt, zu warten", sagte er. Israels UN-Botschafter Danny Danon, der nach Mansur zu Wort kam, ging auf den Plan der Palästinenser nicht ein.

Die US-Armee hat nach eigenen Angaben drei Drohnen der jemenitischen Huthi zerstört - zwei davon über dem Roten Meer. Die Flugkörper hätten eine direkte Gefahr dargestellt. Es wurde nicht gesagt, wie die Drohnen zerstört wurden.

Die Huthi-Miliz greift immer wieder Handelsschiffe mit Drohnen und Raketen an. Viele Reedereien meiden inzwischen die Route durch das Rote Meer.

Israel hat neue Evakuierungsanordnungen für den Gazastreifen erlassen. Diese betreffen auch einen Teil der humanitären Zone, in der Zivilisten Schutz suchen sollen. Der israelische Militärsprecher Avichay Adraee veröffentlichte die Evakuierungsanordnungen in sozialen Medien.

Palästinenser östlich von Chan Yunis wurden aufgefordert, sich nach Westen in Richtung der Küste zu begeben. Viele Beobachter sagen allerdings, es gebe keinen Ort, an dem Zivilisten wirklich sicher seien.

In Ägypten sind laut Medienberichten Unterhändler für die Gespräche zur Beendigung des Gaza-Kriegs eingetroffen. Die amerikanische UN-Botschafterin denkt, dass ein Waffenruhe-Abkommen "in Sicht" sei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. August 2024 um 13:03 Uhr.