TV-Duell um Tory-Vorsitz Brexit-Boris abhängig vom guten Willen
Auch nach dem TV-Duell ist Boris Johnson Favorit für den Tory-Vorsitz und das Amt des britischen Premiers. Sein Auftritt zeigt, wie sehr er beim Kernthema Brexit von einem Faktor abhängt: dem guten Willen.
Wenn Boris Johnson jetzt nicht noch einen Riesenbock schießt, dann wird er wohl heute in zwei Wochen neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs sein. Sein Konkurrent Jeremy Hunt konnte gestern Abend nicht den Lucky Punch setzen, den glücklichen K.O.-Schlag, den er gebraucht hätte angesichts des Vorsprungs, den Boris Johnson in den Umfragen bei den konservativen Parteimitgliedern hat.
Johnson bleibt der Favorit
Insofern hat das Streitgespräch vor Millionenpublikum keine Überraschung gebracht. Boris Johnson bleibt der Favorit. Aber ein paar Dinge sind doch noch etwas klarer geworden. Zum Beispiel, wie sehr der Boris-Brexit vor allem von einem einzigen Faktor abhängt, nämlich: Vom guten Willen.
Das Grenzproblem in Nordirland? Dazu gibt es viele technische Möglichkeiten, das kriegen wir schon hin - sagt Johnson. Die Sorgen der Wirtschaft vor einem harten, chaotischen Brexit? Alles nur eine Frage der Vorbereitung - sagt Johnson. Die Verhandlungen mit der EU? Wir haben ja noch das Faustpfand der 39 Milliarden Pfund aus dem Austrittsvertrag, die können wir in einer"kreativen Mehrdeutigkeit" einsetzen - sagt Johnson und meint damit: Wenn die EU uns nicht das gibt, was wir wollen, dann geben wir ihr halt nicht, was sie will. Alles eine Frage des guten Willens.
Zusammengefasst lautet diese Grundhaltung: Wir müssen nur dran glauben, dann wird auch alles gut - vor allem wenn ich, Boris Johnson, erstmal in 10 Downing Street sitze.
Unter Johnson wären die Briten ein pflegeleichter US-Partner
Auch im Umgang mit dem umstrittenen britischen Botschafter in Washington hat sich etwas gezeigt, nämlich: Wie enorm pflegeleicht für Washington der Partner in London zukünftig sein dürfte.
Jeremy Hunt zeigte klare Kante gegenüber Donald Trump und sagte: Wen wir nach Washington schicken, das ist allein unsere Sache in London, und ich werde unseren Botschafter dort lassen, wenn ich Premierminister werde. Boris Johnson dagegen wollte sich auf keinen Fall so festlegen, auch auf mehrmalige Nachfrage nicht. Das zeigt: Wenn es um den großen Freund im Weißen Haus geht, dann zögert Johnson mit den mächtigen Worten, derer er sich sonst so gerne bedient.
EU muss sich auf Johnson einstellen
Überraschen kann das alles nicht. Aber die Europäische Union tut gut daran, sich frühzeitig auf einen Premierminister Johnson einzustellen, der im Zweifel der EU mangelnden guten Willen vorwerfen wird und eher die Nähe zum Partner jenseits des Atlantiks sucht als zu den Nachbarn am Ärmelkanal.