Obamas Prager Rede Eine warme Dusche für die Tschechen
An dem geplanten Raketenabwehrschirm in Tschechien will US-Präsident Obama festhalten. Ein Projekt, das in dem kleinen EU-Land mehrheitlich auf Ablehnung stößt. Dennoch ist es Obama gelungen, mit seiner Rede die tschechische Bevölkerung für sich zu gewinnen,
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Als die beiden Töchter der Obamas ihr Kinderzimmer im Weißen Haus bezogen, da fanden sie eine nette Hinterlassenschaft vor: Ihre Vorgängerinnen, die Töchter der Bushs, hatten ihnen einen Brief geschrieben über ihre Zeit als "Präsidentenkinder". Es sei großartig gewesen, so Barbara und Jenna. Sie hätten viele spannende Menschen kennen gelernt, zum Beispiel Vaclav Havel.
Havel - das war der einzige Name, der in dem Brief überhaupt erwähnt war. Und Havel ist wohl auch ein wichtiger Grund, warum US-Präsidenten so häufig das kleine Tschechien besuchen. In den USA ist der frühere tschechische Präsident und Dissident eine Ikone. Die Symbolfigur für den Fall das Eisernen Vorhangs.
Viel Lob für transatlantische Treue
So kam also auch Barack Obama. Und machte alles richtig. Seine Rede war für die Tschechen eine warme Dusche. Nichts ließ er aus - die Erinnerung an den Prager Frühling und die Samtene Revolution, das Lob für Tschechiens transatlantische Treue nach den Anschlägen vom 11. September. Und selbst als Obama kund tat, er werde an den Plänen für einen Raketenabwehrschirm in Tschechien und Polen festhalten, solange der Iran eine Bedrohung darstelle, selbst da gab es Jubel. Obwohl die meisten Tschechen das Projekt ablehnen.
20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entwickelte der neue US-Präsident vor Tausenden Zuhörern auf dem Prager Burgplatz seine Vision einer besseren Welt ohne Atomwaffen. Dass er das in einem kleinen EU-Land getan hat, in einem einst kommunistischen Land, das leidvoll erfahren hat, was es bedeutet, lange darauf warten zu müssen, bis Visionen Wirklichkeit werden - das ist mehr als Show und Pathos. Und die Tschechen hörten sein Versprechen mit gespitzten Ohren: Amerika werde ihrem Land nie den Rücken zukehren.
Ein großer Tag für Tschechien
Es war ein großer Tag für Tschechien. Obwohl die politische Führung des Landes zuvor alles daran gesetzt hat, sich selbst und ihr Land unmöglich zu machen. Die Regierung Topolanek wurde mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht - wegen innenpolitischer Nickeligkeiten. Das Sagen hat jetzt EU-Hasser Vaclav Klaus, der tschechische Präsident. Die EU-Ratspräsidentschaft der Tschechen ist damit am Ende. Eine kaum zu übertreffende Blamage.
Wie haben wohl die Briefings im Weißen Haus ausgesehen? Wir fahren nach Tschechien, Herr Präsident. Das Land hat faktisch keine Regierung mehr, dafür aber einen Präsidenten, der die EU ablehnt und den Klimawandel für eine Erfindung hält. Viel Spaß - machen Sie das Beste draus!
Genau das hat Obama getan. Seine Rede war ein Geschenk. Und die Tschechen haben es auch verdient, nur ihre politische Klasse nicht. Dass die Töchter von Michelle und Barack Obama irgendwann in einem Brief an ihre Nachfolger erklären werden, wie beeindruckend sie ihre Begegnungen mit Vaclav Klaus oder Mirek Topolanek gefunden haben, das ist wohl eher unwahrscheinlich.
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