Britische Parlamentswahlen Jetzt hat Johnson die Wahl
Nach seinem Wahlsieg steht Johnson vor der eigentlichen Wahl, welches Großbritannien er will - und welche Beziehung zur EU, sobald der Brexit vollzogen ist. Das ist jetzt nur noch eine Frage von Tagen.
Brexit-Boris‘ wird Johnson in Brüssel gerne genannt. Und sein Erdrutschsieg ist ein Befreiungsschlag für die EU. Dreieinhalb Jahre war der Brexit nur virtuell, jetzt ist der Ausstieg der Briten aus der EU nur noch eine Frage von Tagen. Und das Gewürge und Gezerre um den Scheidungsvertrag, den sogenannten Brexit-Deal, hat ein Ende. Der ist mit dem Triumphsieg von Johnson bereits so gut wie in Kraft.
Ein Jahr bleibt jetzt im Kern erst einmal alles so, wie es ist zwischen dem Vereinigten Königreich und der in der Brexit-Frage vereinigten EU. Doch dann ist alles offen und alles möglich. Denn nach dem Brexit ist vor dem Brexit: Johnson steht nach seinem Triumph vor der schwierigen Wahl, welches Verhältnis zur EU er nach der Scheidung wünscht.
Alternative eins: Möglichst eng und innig, mit Zollunion und umfassendem Freihandelsvertrag und einer klaren Ausrichtung auf den Verbraucherschutz und Umweltauflagen der EU. Alternative zwei: Eine Kampfansage an Brüssel mit einem Großbritannien als einer Mischung aus Trump-Amerika und Singapur, direkt vor der EU-Haustür, mit Chlorhühnchen und Hormonrindern - und der britischen Insel als einem Steuerparadies, das die Konzerne vom europäischen Festland auf die Insel locken soll.
Welches Großbritannien wählt Johnson?
Nach seinem Wahlsieg steht Johnson vor der eigentlichen Wahl, welches Großbritannien er will. Aus EU-Sicht ist sein Erdrutschsieg eine große Chance, dass er seine gewonnene Stärke und Souveränität nutzt, das in der Brexit-Frage gespaltene Königreich zu einigen. Das kann Johnson nur, wenn er sich nicht in eine Trump-Kopie verwandelt - und Großbritannien nicht in eine Legoland-Version der USA. Sondern das geht nur, wenn er mit den vielen Briten die für den Verbleib in der EU waren und immer noch sind, ein Versöhnungsangebot macht, indem er im kommenden Jahr gemeinsam mit der EU zügig und konstruktiv an einem umfassenden Freundschafts- und Freihandelsabkommen arbeitet und er nicht auf einen harten Brexit zusteuert, der Ende kommenden Jahres immer noch möglich ist.
Der Wahlsieg von Boris Johnson ist zugleich eine Verpflichtung an die EU und die Brexit Task Force von Michel Barnier, Boris Johnson und den Briten Brücken zu bauen und ihrerseits alles zu tun, um Johnson nicht in die Arme von Trump zu treiben. Auch die EU hat eine Mitverantwortung dafür, dass Großbritannien ein Vereinigtes Königreich bleibt und sich Schottland und Nordirland nicht eines Tages verabschieden und um Asyl in der EU bitten.
Der Brexit ist mit dem Triumphsieg von Brexit-Boris nicht erledigt. Nach dem Brexit ist vor dem Brexit. Die eigentliche Geschichte zwischen dem Drittstaat Großbritannien und der Europäischen Union beginnt erst.