John Eastman Eine Schlüsselfigur hinter Trumps Putsch-Plänen
Die Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol bringen ans Licht, wer dem abgewählten Präsidenten Trump Ideen gab, wie er an der Macht bleiben könnte. Unter ihnen: ein Jurist mit Kontakten tief in erzkonservative Kreise.
John Eastman war bislang ein wenig auffälliger Jurist in den USA. Im Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zur Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 wurde nun bekannt, dass der Professor und Dekan an der juristischen Fakultät an der Chapman University in Kalifornien Geschichte schreiben wollte. Sein Ziel: Donald Trump an der Macht zu halten, obwohl dieser laut Stimmenauszählungen die Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 verloren hatte. Dazu lieferte er Trump Ideen, das Ergebnis auf juristischem Wege anzufechten - dies auch gegen den Willen anderer Mitstreiter Trumps.
Druck auf Abgeordnete
Eastman reichte vor dem Obersten Gericht Beschwerden gegen die Wahl ein und war an der Anfechtung des Ergebnisses im Bundesstaat Pennsylvania beteiligt. In Arizona versuchte er, Einfluss zu nehmen. Der Sprecher des dortigen Repräsentantenhauses, der Republikaner Russell Bowers, berichtete dem Ausschuss von einer Aufforderung Eastmans, Trumps Plan zur Erstellung neuer Wählerlisten zu folgen und dies dann durch die Gerichte klären zu lassen. Doch Bowers lehnte ab: Er habe seinen Eid nicht brechen wollen. Und Trumps Leute hätten keine Belege für angeblichen Wahlbetrug vorgelegt.
Eastman kommunizierte zudem mit der konservativen Aktivistin Virginia Thomas, wie aus Mails hervorgeht, die der Ausschuss kürzlich erhielt. Auch sie wollte Abgeordnete in Arizona beeinflussen, den Sieg Bidens wegen Betrugs für nichtig zu erklären und eine "saubere Liste von Wahlmännern" aufzustellen. Ihr Ehemann Clarence Thomas stimmte als einziger Richter am Obersten Gerichtshof dagegen, dass der Untersuchungsausschuss zum 6. Januar Unterlagen von Trump einsehen darf, die bei der Nationalen Archivverwaltung gelagert sind. Eastman arbeitete US-Medien zufolge einst als Sekretär von Clarence Thomas am Obersten Gerichtshof.
"Den Verstand verloren?"
Eastman lieferte zudem die Idee, dass Vizepräsident Mike Pence am 6. Januar im Kongress die Wahlresultate aus mehreren Bundesstaaten für ungültig erklären und Trump im Amt bestätigen könnte. Angesichts dieses Plans fragte Eric Herschmann, ein weiterer juristischer Berater Trumps, Eastman, ob er "den Verstand verloren" habe und die "Stimmen von 78 Millionen Menschen im Land für ungültig erklären" wolle. Dies geht aus einer Aufzeichnung hervor, die im Ausschuss vorgespielt wurde.
Der pensionierte Bundesrichter Michael Luttig wies Pence darauf hin, dass seine Rolle bei der Bestätigung der Wahlergebnisse der einzelnen Bundesstaaten an diesem 6. Januar lediglich zeremonieller Natur sei. Der Plan Eastmans sei "in jeder Hinsicht falsch". Da Pence sich dieser Ansicht anschloss und die Forderung Trumps und Eastmans zurückwies, jagten die Eindringlinge im Kapitol auch ihn, aufgestachelt von Trump.
Sprecher beim ultrakonservativen "Weltkongress der Familien"
Eastmans berufliche Laufbahn lässt auf den ersten Blick nicht vermuten, dass er als 62-Jähriger zum Rechtsbruch aufrufen könnte. Er promovierte an der Chicago Law School, arbeitete für mehrere Bundesgerichte und war als Anwalt vor dem Obersten Gericht zugelassen. Als Professor in Kalifornien lehrte er Verfassungsrecht. Politisch fiel er insoweit auf, als er einmal für die Republikaner kandidierte und rechtskonservativ geprägte Aufsätze zu juristischen Themen veröffentlichte.
Darüber hinaus ist er jedoch Vorstandschef der "National Organization for Marriage", die sich nach eigenen Angaben für den "Schutz der Ehe" und damit gegen die gleichgeschlechtliche Ehe einsetzt. Ihr Ziel sei es, Initiativen in den einzelnen Bundesstaaten miteinander zu vernetzen. Die 2007 gegründete Organisation stand immer wieder in der Kritik für ihre LGBTQ+-feindliche Haltung und daneben für mangelhafte Angaben zur Finanzierung und über Verbindungen zu religiösen Organisationen.
Mitgründer der Organisation ist Brian S. Brown, der zugleich Präsident der in den USA beheimateten Organisation "World Congress of Families" ist. Diese wurde in den 1990er-Jahren von Amerikanern und Russen gegründet, die sich für das "traditionelle Familiensystem", gegen Geburtenkontrolle und LGBTQ+-Rechte einsetzten. Zu den Förderern wurden auf russischer Seite die Geschäftsleute Konstantin Malofejew und Wladimir Jakunin gezählt, beide dem Kreml nahe stehend und im Einsatz für die Verbreitung des russisch-orthodoxen Glaubens in der Welt.
Als Sprecher beim "Weltkongress der Familien" 2019 in Verona aufgeführt: Der US-Anwalt John Eastman.
Für das letzte Treffen des "Weltkongresses der Familien" vor der Corona-Pandemie 2019 in Verona sind sowohl Brown als auch Eastman als Redner aufgeführt. Daneben finden sich Personen wie Italiens Ex-Innenminister Matteo Salvini, gegen den unter anderem wegen möglicher Parteispenden aus Russland ermittelt wird. Auf der Rednerliste steht auch der pro-russische Politiker Igor Dodon, damals Präsident Moldaus, inzwischen wegen Korruptionsverdacht angeklagt.
Zu den Sponsoren der Veranstaltung zählte die LGBTQ+-feindliche und antifeministische Organisation CitizenGo. In deren Kuratorium saß unter anderem Alexej Komow, Geschäftspartner des in den USA sanktionierten Malofejew. Komows Name wurde nach Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar von der Website entfernt. Daneben finden sich der wegen Korruption verurteilte italienische Politiker Luca Volonte sowie Brown. Die "National Organization for Marriage" von Brown und Eastman ist ebenfalls als Sponsor des Kongresses in Verona aufgeführt.
Auftritte bei Fox News
Einem größeren Publikum wurde Eastman mit Auftritten beim US-Sender Fox News bekannt, wo er die Ermittlungen zu einer möglichen Einflussnahme Russlands auf die Präsidentschaftswahl 2016 scharf kritisierte.
2019 unterstellte er Kamala Harris, sie sei keine Amerikanerin. Harris kandidierte damals an der Seite von Joe Biden für den Posten der US-Vizepräsidentin. Dies erinnert an jene falsche Behauptung, Barack Obama sei nicht in den USA geboren, die Trump gern gegen seinen Vorgänger nutzte. Trump lobte Eastman daraufhin als "sehr qualifizierten, sehr talentierten Anwalt" und lud ihn ins Weiße Haus ein.
Dass er nach der Abwahl Trumps dessen Vorhaben für einen Verbleib im Präsidentenamt unterstützte, wurde ihm nun zum Verhängnis. Seinen Professoren-Posten verlor er bereits. Trump verweigerte ihm die Begnadigung, um die er in einer E-Mail an Trumps Anwalt Rudy Giuliani gebeten hatte und die dem Untersuchungsausschuss vorliegt. Ihm droht ein Strafverfahren. Derweil versucht er durch verzögerte Herausgabe von Dokumenten, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu behindern.