Der russische Präsident, Wladimir Putin und der tschechische Präsident Milos Zeman schütteln sich in Sotschi, Russland die Hände. (Archivbild: 21.11.2017)
Exklusiv

Tschechien Der Präsident und der Oligarch

Stand: 22.11.2021 10:37 Uhr

Tschechiens Präsident Zeman ist vielfach mit pro-russischen Positionen aufgefallen. Dass dahinter mehr als Sympathie steht, zeigen Recherchen eines internationalen Journalisten-Netzwerks.

Im Mai 2003 schien Milos Zeman am Ende seiner Karriere zu sein. Nicht mal die Abgeordneten seiner eigenen sozialdemokratischen Partei stimmten bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl für ihn. Nach acht Jahren als Parteichef und vier Jahren als Ministerpräsident zog er die Konsequenz und verabschiedete sich aus der Politik.

Doch seine politischen Ambitionen waren nicht erloschen. Und es fand sich jemand, der ihn zu unterstützen bereit war, weil es in seine Agenda passte: Wladimir Jakunin. In Berlin ist er als der "Eisenbahner" bekannt, weil er von 2005 bis 2015 Präsident der staatlichen Eisenbahngesellschaft Russlands war.

Doch Jakunin war und ist mehr: Einst KGB-Agent, Freund Wladimir Putins, heute Geschäftsmann mit ultra-konservativem Weltbild und politischen Zielen in Westeuropa - ein "Pionier russischer Einflussnahme", wie ihn der russische Politikexperte Alexander Morozow nennt. Recherchen eines internationalen Investigativnetzwerks, an dem unter anderem die tschechische Rechercheplattform Voxpot beteiligt war, zeigen weitgehende Verbindungen nach Westeuropa.

Auftritte bei Konferenzen

Eine Verbindung zu Zeman bahnte sich an, als Jakunin 2002 in seiner damaligen Funktion als stellvertretender Eisenbahnminister Russlands nach Prag reiste - auf der Suche nach einem Ersatzteillieferanten für tschechische Lokomotiven, die die russische Eisenbahn einsetzte. Bei dieser Gelegenheit habe er Jakunin kennengelernt, berichtet der tschechische Geschäftsmann Zdenek Zbytek im Interview mit Voxpot.

Der 69-jährige Zbytek absolvierte zu Sowjetzeiten die Akademie des Generalstabs der Streitkräfte in Moskau. Seit dem Untergang der UdSSR betreibt er Geschäfte im post-sowjetischen Raum. Sein Büro in Prag befindet sich in einem Haus der russischen Botschaft, wie er selbst angab.

Er habe dafür gesorgt, dass Zeman 2003 eine Einladung für das "Rhodos Forum" in Griechenland erhielt, so Zbytek. Organisator dieser alljährlichen Veranstaltung war Jakunins internationale Initiative "Dialog der Zivilisationen". Er habe Jakunin und Zeman einander vorgestellt, so Zbytek. Im darauffolgenden Mai organisierte Zbyteks Businessvereinigung "Klub Russland" mit Jakunins Organisation "Zentrum für den nationalen Ruhm Russlands" eine Wirtschaftskonferenz in Prag, für die sie einen prominenten Sprecher suchten.

Prominent und rhetorisch gewandt

Zeman sei der geeignete Mann dafür gewesen: "Wo Herr Zeman auftauchte, sprach er ohne ein Blatt Papier zu irgendeinem Thema. Er sprach sehr gut Russisch und gut Englisch. Er war also ein Star, ob in Odessa, in Wien, auf Rhodos oder im Břevnov-Kloster in Prag", zählte Zbytek Orte auf, wo Zeman auftrat.

Beim Rhodos-Forum 2007 sei dann die Entscheidung gefallen, dass Zeman noch einmal als Präsidentschaftskandidat antreten soll. Das bestätigte der tschechische Bankier Jan Struz, damals ebenfalls dabei: Sie seien die Initiatoren der Bürgerrechtspartei gewesen, die Zeman 2013 als Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf aufstellte.

Zeman war von weiteren Personen mit guten Kontakten nach Russland umgeben, darunter dem Autor Alexej Kelin. Dieser sagte Voxpot, es sei Bitterkeit über die verlorene Präsidentschaftswahl 2003 gewesen, die Zeman für eine Orientierung nach Russland geöffnet habe. Jakunin wiederum sei ein gewiefter Psychologe. Er habe erkannt, dass ein rachsüchtiger alter Mann die richtige Person für ihn sei. "Also finanzierten sie seinen Wahlkampf, luden Experten ein, die den Wahlkampf professionell und zeitlich planten."

Wer finanzierte den Wahlkampf?

Wahlkampfunterstützung aus Russland verneinte Zbytek allerdings ebenso wie Zemans Wirtschaftsberater und früherer Wahlkampforganisator Martin Nejedly. Als Geschäftsmann führte Nejedly in den 2000er-Jahren die Firma Lukoil Aviation Czech, die er in Vereinbarung mit dem russischen Ölkonzern Lukoil gegründet hatte und Fluggesellschaften in Tschechien mit Kerosin versorgte.

Nejedly zufolge war weder russisches Geld noch eine russische Agentur in den Wahlkampf involviert. Das sei mehrfach untersucht worden. Doch wie die Wahlkampagne für 2013 und die danach finanziert wurden, ist bis heute nicht ganz geklärt. Zeman gab damals an, viele Kleinspenden von bis zu 4000 Kronen sammeln zu wollen. Tatsächlich setzte sich aber der Großteil des Wahlkampfbudgets aus Spenden von mehr als 100.000 Kronen zusammen. Eine Recherche der Medienplattform aktualne.cz ergab, dass einige der angegebenen Spender kein Geld gegeben hatten. Die eigentliche Geldquelle blieb demnach unbekannt.

Auftritte im Sinne Russlands

Bemerkenswert sind Zemans Positionen als Präsident eines Landes, das historisch geprägt ist von der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 durch die Sowjetunion und die "Samtene Revolution" 1989. Als Ministerpräsident führte Zeman Tschechien noch in die NATO und die EU.

Als Präsident jedoch bestritt er - entgegen Erkenntnissen der NATO und der tschechischen Geheimdienste - eine Präsenz russischer Truppen in der Ukraine. 2016 schloss er aus, dass Russland die annektierte Halbinsel Krim an die Ukraine zurückgeben muss, dies wiederum im Widerspruch zur damaligen Regierung Tschechiens. Entsprechend forderte er die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland.

Im April 2021 äußerte er Zweifel, als die Sicherheitsbehörden Belege vorlegten, wonach der russische Militärgeheimdienst GRU hinter Explosionen in einem Waffen- und Munitionslager stehen könnte. Seine Worte trieben Tausende Menschen zum Protest auf die Straße. Sie warfen ihm die Verbreitung russischer Desinformation vor. Er sei ein Sicherheitsrisiko für Tschechien.

Innenpolitisch sorgte er immer wieder für Reibereien, zuletzt nach der Parlamentswahl Anfang Oktober. Schließlich vergab er einen Monat später, allerdings auch bedingt durch einen Krankenhaushaltaufenthalt, den Auftrag zur Regierungsbildung an Petr Fiala, Anführer eines Oppositionsbündnisses und erklärter Befürworter der EU.

Favorisiert hatte er den bisherigen Regierungschef Andrej Babis. Diesem wünscht er nun eine neue Rolle: Sollte er selbst vom Präsidentenamt zurücktreten müssen, wünsche er sich Babis als Nachfolger. Das, erzählte Babis der Öffentlichkeit, habe ihm Zeman gesagt.

Mitarbeit: Paul Toetzke und Vojtech Bohac (Voxpot)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 11. Mai 2017 um 17:45 Uhr.