Festnahmen in Frankfurt am Main Drei Festnahmen, viele offene Fragen
In Frankfurt am Main wurden am 19. Juni drei Männer festgenommen, die mutmaßlich einen Ukrainer ausspähen wollten. Nach Informationen von WDR und SZ fand die Polizei bei ihnen Bargeld, Pässe und GPS-Peilsender. Planten sie einen Mordanschlag?
Die drei Männer, die am 19. Juni beim Café "Celona" in Frankfurt am Main auftauchten, ahnten wohl nicht, dass sie beobachtet wurden. Sie warteten vergeblich auf einen Ukrainer, mit dem sie verabredet waren. Da er aber nicht erschien, zog das Trio wieder ab. Kurz darauf wurde es von Spezialkräften des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) festgenommen.
Seitdem sitzen Robert A., Vardges I. und Arman S. in Untersuchungshaft. In den Sicherheitsbehörden fragt man sich: Ist da ein russisches Agententrio ins Netz gegangen? Konnte möglicherweise in Deutschland eine Entführung oder gar einen Mordanschlag im Auftrag Moskaus verhindert werden?
Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gegen die drei Männer, bei denen es sich um einen Ukrainer, einen Armenier und einen Russen handeln könnte. Ganz sicher sind sich die Ermittler bei der Identität und Herkunft der Verdächtigen allerdings nicht. Vieles an dem Fall ist rätselhaft und wirft Fragen auf.
Falle für den Ukrainer?
Bereits im Frühjahr hatte sich der Ukrainer, das potenzielle Opfer, bei der hessischen Polizei gemeldet. Der Mann hat in den ukrainischen Streitkräften gedient und hält sich seit einiger Zeit in Deutschland auf.
Es habe ihn jemand kontaktiert, soll der Ukrainer der Polizei berichtet haben. Diese Person habe sich als "Yaroslav" vom ukrainischen Geheimdienst vorgestellt und ihn gefragt, ob er in Deutschland eine geheime Operation ausführen wolle: Es soll um das Ausspähen von Russen gegangen sein.
Die ganze Sache kam dem Ukrainer offensichtlich verdächtig vor. Er soll daraufhin Kontakte in der Ukraine gefragt haben, ob ein solcher "Yaroslav" dort bekannt sei. Mehrfach soll man ihm daraufhin versichert haben, dass der ukrainische Geheimdienst ihn nicht kontaktiert habe.
Der hessischen Polizei soll der Ukrainer erklärt haben, er sei überzeugt, dass es sich um eine Falle handele. Er fürchte um sein Leben, denn in Russland stehe er auf einer "Todesliste". Moskau werfe ihm Kriegsverbrechen vor, unter anderem die Exekution von russischen Soldaten in den ersten Kriegstagen im Frühjahr 2022.
Café observiert
Beim hessischen LKA nahm man die Sache sehr ernst. Es wurde ein Gefahrenabwehrvorgang eingeleitet. Der Ukrainer ging in Absprache mit den Ermittlern schließlich zum Schein auf das Angebot des angeblichen Geheimdienstlers aus Kiew ein, bot an, sich für weitere Absprachen persönlich in Frankfurt am Main zu treffen.
Am 19. Juni war es dann so weit. Die Ermittler observierten den verabredeten Treffpunkt, das Frankfurter Café "Celona", und entdeckten tatsächlich eine verdächtige Person, die die Lokalität ausgekundschaftet haben soll. Zwei weitere Verdächtige warteten um die Ecke in einem Auto. Der Ukrainer erschien nicht. "Yaroslav" soll sich daraufhin telefonisch gemeldet haben und ziemlich wütend gewesen sein.
Der Mann im Café machte sich daraufhin auf, stieg zu den beiden anderen ins Auto. Sie fuhren davon, bis sie schließlich von der Polizei gestoppt wurden. Im Fahrzeug entdeckten die Ermittler nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) neben Bargeld auch GPS-Peilsender und mehrere Pässe. Darunter wohl gefälschte Ausweise, jedoch auch einen russischen, armenischen und einen ukrainischen Pass, bei denen es sich nach erster Überprüfung offenbar um echte Ausweisdokumente handeln soll.
Ukrainer unter Polizeischutz
Die Ermittlungen in dem Fall laufen derzeit, eingebunden sind mehrere Behörden. Noch immer aber wissen die Sicherheitsbehörden nicht genau, was hinter der merkwürdigen Ausspähaktion steckt, wer die drei Festgenommenen tatsächlich sind und in wessen Auftrag sie unterwegs waren. Die Vermutung ist: Es könnte sich um ein "Hit Team" handeln, das losgeschickt wurde, um den Ukrainer ausfindig zu machen, ihn möglicherweise zu entführen oder sogar zu töten.
Der Anwalt von einem Beschuldigten wollte sich auf Anfrage des Spiegel, der in der vergangenen Woche auch über den Fall berichtet hatte, nicht äußern. Die anderen Anwälte ließen eine Anfrage von WDR und SZ bislang unbeantwortet.
Der Ukrainer, das potenzielle Opfer, befindet sich derweil unter Polizeischutz. Aufgrund seiner Aussagen ermittelt der Generalbundesanwalt inzwischen auch gegen ihn selbst - wegen des Verdachts der Beteiligung an Kriegsverbrechen.
Hybride Kriegsführung
Die Sorge davor, dass Russland seinen hybriden Krieg gegen den Westen auch hierzulande weiter eskaliert, wächst in den Sicherheitsbehörden seit Monaten. Es wird befürchtet, dass Moskaus Geheimdienste mit Sabotageaktionen und Attentaten versuchen könnten, die westliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Auch die NATO warnte jüngst in einem ungewöhnlich deutlichen Statement vor dieser Gefahr. In anderen europäischen Ländern gab es bereits solche Aktionen, hinter denen Russland stecken soll.
Zuletzt wurde in Frankreich ein Mann festgenommen, der in einem Hotel nahe des Pariser Flughafens einen Sprengsatz gebaut haben soll. Dabei kam es zu einer Explosion, der Verdächtige wurde verletzt. Der französische Inlandsgeheimdienst DGSI geht mittlerweile davon aus, dass der Bombenbastler, der früher als Kämpfer für pro-russische Kampfverbände in der Ost-Ukraine aktiv gewesen sein soll, vom russischen Geheimdienst rekrutiert wurde und ein Attentat verüben wollte.
"Wegwerf-Agenten"
In Bayern nahmen Fahnder im Frühjahr zwei Deutsch-Russen fest, darunter auch einen früheren Ukraine-Kämpfer. Sie sollen sich gegenüber einem russischen Geheimdienst bereit erklärt haben, Sabotageanschläge in Deutschland zu verüben. Militärische Einrichtungen sollen bereits ausgespäht worden sein.
Im Februar fiel im Süden Spaniens ein russischer Hubschrauberpilot, der in die Ukraine übergelaufen war, einem Attentat zum Opfer. Er wurde in einem Parkhaus mit mehreren Schüssen getötet. Wer dahinter steckt, ist bislang unklar, die Täter sind auf der Flucht.
In Polen wurden Militärtransporte ausgekundschaftet, vor wenigen Wochen auch ein Einkaufszentrum angezündet. In Tschechien wurde ein Mann festgenommen, der geplant haben soll, im Auftrag Moskaus Linienbusse anzuzünden. In beiden Fällen konnten die Täter ermittelt werden: Es handelte sich unter anderem um Personen, die wohl über das Internet, meist über Telegram, angeworben worden waren. Manche sollen für die Taten bezahlt worden sein. In Sicherheitsbehörden gibt es bereits einen Begriff für Täter wie diese: "Single-Use Agent", also "Wegwerf-Agent".