Explosion in Tschechien Russische Agenten und ihre Spuren
Russlands Regierung weist Vorwürfe Tschechiens zur Urheberschaft der Explosion in einem Waffenlager zurück - eine übliche Antwort aus Moskau. Die Spuren aber passen zu früheren Aktivitäten russischer Agenten in Europa.
Es sei ein "feindseliger Schritt" und eine weitere "antirussische Aktion", mit der die tschechische Regierung den USA gefallen wolle - so lautete die Antwort des Außenministeriums in Moskau auf die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten aus Tschechien.
Während Tschechien und bei der Gelegenheit auch Polen im russischen Fernsehen als US-Vasallen dargestellt wurden, blieb der konkrete Vorwurf der tschechischen Regierung im Raum stehen: Es gebe einen "begründeten Verdacht auf die Beteiligung russischer Agenten des Militärgeheimdienstes GRU an der Explosion des Munitionslagers in Vrbetice im Jahr 2014", lautete die Erklärung von Regierungschef Andrej Babis für die Ausweisung der 18 Russen. Er verwies auf "eindeutige Beweise unserer Sicherheitsorgane".
Mit Blick auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung ließe sich das Argument anführen, Babis wolle womöglich von innenpolitischen Problemen und Skandalan um seine Person als Geschäftsmann ablenken. Dagegen spricht jedoch, dass sich Staatspräsident Milos Zeman der Regierung anschloss. Dessen Sprecher Juri Ovcacek betonte auf Twitter, der Präsident habe alle Informationen zum Fall erhalten: "Die höchsten Verfassungsorgane arbeiten zusammen." Letzteres beteuerte er nochmals in einem weiteren Tweet.
Offensichtlich waren die Belege der Ermittler so stark, dass sich auch Zeman überzeugen ließ, der sich in den vergangenen Jahren pro-russisch zeigte. So kritisierte er Sanktionen gegen die Führung in Moskau wegen des Konflikts in der Ukraine und der Vergiftung.
Auch ein politischer Gegner von Babis, der Präsident des Senats, Milos Vystrcil, schloss sich an: "Es ist notwendig, darauf klar, selbstbewusst und hart zu reagieren." Es könne sich um einen Akt von Staatsterrorismus handeln.
Verbindung zu Attentat auf Waffenhändler?
Tatsächlich gibt es recht konkrete Angaben zu Verdächtigen und Hintergründen der Explosion am 16. Oktober 2014 in Vrbetice, bei der zwei Personen getötet wurden. Regierungschef Babis sagte, Ziel sei eine bereits bezahlte Lieferung an einen bulgarischen Waffenhändler gewesen. Das tschechische Nachrichtenmagazin "Respekt" veröffentlichte dessen Namen: Emilian Gebrew. Er habe 2014 ein Waffengeschäft für die Ukraine organisiert. Bulgariens Außenministerin Ekaterina Zahariewa bestätigte im staatlichen Fernsehsender BNT, dass in einer Ermittlungsversion Gebrew als Käufer der Lieferung vorkommt. Eine andere Version beziehe sich auf eine Waffenlieferung nach Syrien.
Auf Gebrew wurde 2015 in Sofia ein Giftattentat verübt, das er überlebte. Im Januar 2020 klagten bulgarische Staatsanwälte in Abwesenheit drei Russen an. Den bulgarischen Ermittlern zufolge befand sich das Gift am Griff von Gebrews Auto.
GRU-Spezialeinheit 29155
Das erinnert an die Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergej Skripal und seiner Tochter 2018 in Großbritannien, wo sich ebenfalls Gift an einem Türgriff befunden haben soll. In der Tat veröffentlichte die tschechische Polizei am Samstagabend Fahndungsfotos zweier Männer mit den Decknamen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow, die bereits von diesem Fall bekannt sind. Der tschechischen Polizei zufolge waren sie wenige Tage vor der Explosion im Munitionslager nach Tschechien gereist.
Regierungschef Babis nannte zudem die Spezialeinheit 29155 des russischen Militärgeheimdienstes GRU, für die Petrow und Boschirow arbeiten sollen und die mit weiteren Aktivitäten in Europa in Verbindung gebracht werden - etwa mit Destabilisierungsversuchen in Moldau und einem Putschversuch in Montenegro.
Auch berichtete die Zeitung "Le Monde" im Dezember 2019 mit Bezug auf französische Geheimdienste, dass Agenten der Einheit zwischen 2014 und 2018 mehrfach die Region Haute-Savoie in den französischen Alpen besucht hätten, unter ihnen Petrow und Boschirow sowie Denis Sergejew. Letzterer war nach Angaben der bulgarischen Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Vergiftung des Waffenhändlers Gebrew in Sofia und soll das Attentat auf die Skripals geleitet haben.
Weitere Einheiten des GRU werden mit Cyberhacking-Aktionen in Verbindung gebracht, darunter auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag. Niederländische Behörden veröffentlichten 2018 Fotos, Passdaten und Kameraaufnahmen von GRU-Agenten in den Niederlanden.
Da auch Behörden anderer Staaten in den vergangenen Jahren begannen, Untersuchungsergebnisse zu Spionageaktivitäten zu veröffentlichen, ergibt sich zunehmend ein genaueres Bild von den Reiseaktivitäten russischer Agenten. Dazu kommen Rechercheergebnisse von Medien und Organisationen wie Bellingcat.
Die russische Führung weist bislang sämtliche Vorwürfe dieser Art zurück, auch wenn die Beweislast erdrückend scheint. Sie verliert dennoch Unterstützer auch innerhalb der EU. In Tschechien kommt noch hinzu, dass der Einkauf russischer Impfstoffe stärker denn je in Frage gestellt wird, ebenso die Beteiligung der russischen Firma Rosatom an einem Atomkraftwerk.