HHLA und Cosco Soll Hamburg nur der Anfang sein?
Dem Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Hafen könnten gemeinsame Projekte in anderen Ländern Europas folgen. Das geht nach Recherchen von NDR und WDR aus einem internen Dokument der Bundesregierung hervor.
Angela Titzrath hat keinen Hehl aus ihrer Überzeugung gemacht, dass China und Hamburg in Zukunft enger zusammenwachsen sollten. Die Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sprach auf einer Delegationsreise nach Shanghai im August 2019 von den wirtschaftlichen Chancen, die durch verstärkte Kooperationen und Verflechtungen für die Hansestadt entstünden. Hamburg solle, so Titzrath laut Berichten damals, das "Ende der neuen Seidenstraße werden". Geleitet wurde die Reise von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Drei Jahre später nun ist man kurz davor, näher zusammenzurücken: Chinas Staatsreederei Cosco könnte schon bald als Anteilseigner beim Hamburger Hafen einsteigen. Die Verhandlungen laufen. Wie sich jetzt zeigt, könnte dies erst der Anfang einer größer angelegten deutsch-chinesischen Kooperation auch woanders in Europa sein. Das geht aus einer internen Analyse der Bundesregierung hervor, die sich auf drei Vereinbarungen zwischen Cosco und dem Terminalbetreiber HHLA in den vergangenen Jahren beziehen.
Laut der Analyse der Bundesregierung sollen beide eine strategische Partnerschaft anstreben, die sich auch auf den Ostsee- und den Mittelmeerraum erstrecken könnte. So soll in einer internen Vereinbarung bereits 2020 eine künftige Beteiligung der HHLA an einem Cosco-Terminal im Mittelmeer erwogen worden sein - zum Beispiel im griechischen Piräus, wo Cosco Mehrheitseigner ist.
Kein Kommentar zu "Marktgerüchten"
In einer Gesellschaftervereinbarung sollen die Firmen laut dem Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium zudem vereinbart haben, nach einer Gelegenheit zu suchen, sich an einem Terminal in Polen zu beteiligen. Den internen Angaben zufolge kämen die Häfen in Danzig und Gdynia in Betracht. Cosco ist bereits an mehreren europäischen Häfen beteiligt, bislang aber nicht im Ostseeraum.
Das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich nicht zu konkreten Nachfragen. Es teilte mit, man wolle unternehmerische Entscheidungen wie jene der HHLA nicht kommentieren. Die HHLA wiederum dementierte den Punkt, dass sie mit dem chinesischen Partner in der Gesellschaftervereinbarung etwaige Pläne für Polen ins Auge gefasst habe. "Das trifft nicht zu", erklärte ein Sprecher.
Zu den Überlegungen fürs Mittelmeer hieß es, dass man "Marktgerüchte" grundsätzlich nicht kommentiere. Zur Frage einer "strategischen Partnerschaft" antwortete der Sprecher, dass man sich zu Inhalten von Verträgen und Absprachen mit Partnern nicht öffentlich äußere.
Über die angestrebte Beteiligung Coscos bei Tollerort hinaus gebe es keine Absprachen über weitere Projekte - zumindest keine verbindlichen. Cosco antwortete nicht auf Fragen.
Warnung vor "Erpressungspotenzial"
An der Betreibergesellschaft des Containerterminals Tollerort im Hamburger Hafen sollte Cosco ursprünglich einen Anteil von 35 Prozent erhalten. Die Bundesregierung genehmigte dem chinesischen Unternehmen dann Ende Oktober eine Beteiligung von 24,9 Prozent. Innerhalb der Bundesregierung setzte sich das Kanzleramt gegen erheblichen Widerstand durch, wie NDR und WDR recherchiert hatten. Die sechs zuständigen Fachministerien hatten den Einstieg komplett untersagen wollen, weil China dann zu starken Einfluss und "Erpressungspotenzial" hätte.
Bislang ist nicht bekannt, ob die HHLA und Cosco das Geschäft unter den neuen Vorzeichen eingehen und inwiefern bisherige Abmachungen weiterhin gelten.
Zwei Vereinbarungen
Die beiden Firmen sollen in den vergangenen Jahren zwei sogenannte "Memoranda of Understanding" (MoU) abgeschlossen haben - eines im August 2020 und ein zweites im September 2021. Nach Angaben der Regierung sollen die Dokumente "ein gemeinsames Verständnis der Erwerbsparteien zu möglichen künftigen Kooperationsvorhaben im Rahmen einer 'strategischen Partnerschaft' festhalten". Die Vereinbarungen seien jedoch "zum weit überwiegenden Teil rechtlich unverbindlich".
Rechtlich verbindlich soll laut Analyse der Bundesregierung nur jener Aspekt aus dem Memorandum von 2021 sein, wonach Cosco die größtmöglichen Anstrengungen zur Auslastung des Hamburger Terminals verspricht. Cosco ist bereits der wichtigste Kunde am Containerterminal Tollerort (CTT). 2021 betrug der Anteil am dort umgeschlagenen Volumen 65 Prozent und am Umsatz 70 Prozent.
Gemeinsame Logistikprojekte
In beiden Dokumenten der Firmen soll das gemeinsame Verständnis festgehalten sein, dass es in Zukunft weitere Kooperationen zwischen der HHLA und dem chinesischen Konzern Cosco in anderen Bereichen geben soll. Dazu gehören etwa Bahnverkehr oder die Entwicklung weiterer Logistikprojekte. Beide Dokumente sollen für weitere mögliche Projekte auch Verweise auf die "Neue Seidenstraße" enthalten.
Bei diesem Großprojekt geht es um das Ziel Chinas, weit über das eigene Land hinaus Handels- und Infrastruktur-Netze aufzubauen. "China versucht, eine ständige Präsenz an strategischen Punkten der weltweiten maritimen Infrastruktur zu erlangen", heißt es in der Regierungsanalyse. Cosco spiele dabei eine maßgebliche Rolle.
Die HHLA wiederum wies in der Vergangenheit darauf hin, dass sie die "Seidenstraßen-Initiative" als Chance sehe und sie "unternehmerisch mitgestalten" wolle, wie es etwa im Unternehmensmagazin des Hamburger Terminalbetreibers von 2019 heißt. Die HHLA verweist dabei auch auf ihren Erwerb eines Mehrzweckterminals in Muuga in Estland, der laut HHLA als nördlichster Punkt der "Seidenstraße" im Gespräch gewesen sei.
HHLA will "mitgestalten"
Die HHLA erklärte nun auf Anfrage, dass man die "Seidenstraßen-Initiative" als ein Instrument betrachte, das Asien und Europa besser verbinde. "Als europäischer Logistikdienstleister will die HHLA an einem starken europäischen Netzwerk partizipieren und dieses auch mitgestalten", so ein Sprecher.
Die Bundesregierung arbeitet aktuell an einer eigenen China-Strategie. In dem Entwurf des Auswärtigen Amts spielen auch Investitionen in Häfen eine Rolle. Diese seien von "besonderer Sensibilität". Die "Seidenstraßen-Initiative" sei für China ein "wichtiges Instrument, seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in vielen Ländern auszubauen". Das Auswärtige Amt hatte sich bis zuletzt gegen einen Einstieg Coscos in Hamburg gestemmt. Die Haltung wurde im Bundeskabinett sogar in einer Protokollnotiz festgehalten.