Überwachungskameras vor einer Flagge der Volksrepublik China in Shanghai.
Hintergrund

Investoren aus Asien Ein neuer Blick auf China

Stand: 07.09.2022 18:36 Uhr

China ist wichtigster Handelspartner der deutschen Wirtschaft. Doch Pekings Weltmachtstreben wirft viele Sicherheitsfragen auf. Investitionen werden daher heute deutlich strenger geprüft - mit Hilfe der Geheimdienste.

Der Deal schien bereits eingetütet: Der Hamburger Hafenbetreiber HHLA möchte 35 Prozent eines Containerterminals verkaufen, und zwar an die chinesische Großreederei Cosco. Dadurch werde die Beziehung gestärkt und Beschäftigung in der Hansestadt gesichert, so die Hamburger. Doch daraus wird womöglich nichts. Robert Habeck (Grüne) soll kürzlich sein Veto eingelegt haben. Der Bundeswirtschaftsminister möchte offenbar verhindern, dass China mit der Investition noch weiter an Einfluss gewinnt. Offiziell wird das bislang nicht bestätigt: Die Prüfung laufe noch, so das Ministerium. Der Hafenbetreiber gibt sich sogar zuversichtlich: Es gebe "konstruktive Gespräche" mit der Bundesregierung.

Mehr Distanz, weniger Abhängigkeit als Ziel

Der Vorgang um den Hamburger Hafen weist auf einen fundamentalen Strategiewechsel hin: Die neue Bundesregierung blickt mit wachen Augen auf ihre Verbindungen zur autoritär geführten Großmacht. Erstmals wird eine China-Strategie erarbeitet - um mehr Distanz zu schaffen und wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren. Peking gilt nicht mehr nur als Handelspartner, sondern verstärkt als Rivale und Gegner. 

Vor allem die Einschätzung der Sicherheitsbehörden ist Regierungskreisen zufolge deshalb wichtiger geworden - wie bei der Prüfung chinesischer Investitionen. Zudem rücken Chinas verdeckte Einflussaktionen zunehmend in den Fokus. Gleichzeitig sucht die Bundesregierung nach neuen Handelspartnern und Verbündeten, etwa in Südostasien und dem pazifischen Raum.

Die Bundesregierung schwenkt damit auf eine harte Linie, die von Staaten wie den USA oder Australien schon länger verfolgt wird. Die US-Amerikanerin Gail Helt arbeitete bis vor ein paar Jahren als Analystin für China bei der CIA. Sie sagt: "China besitzt heute das Potenzial, jedes einzelne Land in der EU unter Druck zu setzen, wenn es will." Wenn Unternehmen einen anderen Kurs einschlagen als von der politischen Führung ausgegeben, dann erhöhe Peking den Druck. Sie müssten dann kooperieren oder Informationen liefern. Jede enge wirtschaftliche Beziehung berge diese Gefahr.  

Finanzkraft für strategische Investitionen

Die Merkel-Ära war noch geprägt von Annäherung. Menschenrechte, die Situation der Uiguren, Hong Kong, die Aggression gegenüber Taiwan, die zunehmende Beschneidung von Presse- und Meinungsfreiheit: Das alles stand auf der Agenda der Bundesregierung hintenan.

Besonders der russische Krieg gegen die Ukraine hat den Blick auf China verändert. Man dürfe jetzt nicht die gleichen Fehler machen wie vor zehn oder fünfzehn Jahren mit Putins Russland, heißt es von Vertretern der Sicherheitsbehörden. Früher war es vor allem Chinas Wirtschaftsspionage, vor der sie warnten. Mittlerweile aber rütteln die Chinesen am Fundament der deutschen Wirtschaft.

Peking nutzt seine Finanzkraft - und kauft Know-How ganz offen ein, investiert massiv in deutsche Konzerne oder übernimmt Firmen gleich komplett. Das kommunistische Regime will Industrie-Supermacht werden, dafür soll strategisch und gezielt investiert werden; inzwischen sogar in kritische Infrastruktur und in wichtige Teile von Lieferketten, wie etwa dem Hamburger Hafen.

Rat der Sicherheitsbehörden

Doch die Hürden für Investitionen durch Ausländer sind hierzulande höher und höher geworden. Die Prüfverfahren wurden strenger, besonders im Rüstungs- oder IT-Sicherheitssektor. Auslöser dafür war die Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea. Erst nach dem Deal fiel der deutschen Politik auf, welche Schlüsselkompetenz damit im Ausland landete. Es ging eben auch um die Nationale Sicherheit.

Heute spielen die Nachrichtendienste eine sehr wichtige Rolle bei solchen Prüfungen. Jeden Monat tauschen sich die beteiligten Ministerien aus, mit dabei sind auch Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) oder des Bundesnachrichtendienstes (BND). Ihr Rat zählt immer dann, wenn es heikel wird, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Sofern es auch eine US-Tochterfirma gibt, hat für diese dann das amerikanische Committee on Foreign Investments in the United States (CFIUS) zu entscheiden.

Seit 2017 gibt es beim Verfassungsschutz eine Arbeitseinheit "Investitionsprüfungen". Die Dienste analysieren, ob ein Deal einem anderen Staat militärische Vorteile bieten könnte. Dafür schauen sich die deutschen Beamten an, welche Personen hinter den Unternehmen stecken und wie eng sie in staatliche Strukturen eingebunden sind. Die Sorge dabei: Das Wissen deutscher Unternehmen wird im Zuge einer Investition aus dem Ausland abgezapft - und landet bei autoritären Regimen schnell beim Staatsapparat. 

Kaum Angaben zu verhinderten Übernahmen

Bei China sind die Rahmenbedingungen klar: Die Gesetze geben eindeutig vor, dass die dortigen Sicherheitsbehörden Zugriff auf Unternehmensinformationen erhalten. So kommt es immer wieder vor, dass Investitionen untersagt werden - oder die Pläne bereits zuvor aufgegeben werden, weil die Prüfung als negatives Signal fürs Geschäft aufgefasst wird. 

Offizielle Angaben über geplatzte Übernahmen gibt es indes kaum. Nur ein paar Fakten veröffentlicht das Ministerium: Die Zahl der Prüffälle insgesamt ist seit 2017 von 66 auf insgesamt 306 im Jahr 2021 gestiegen. Die meisten Investoren kommen danach aus den USA - gefolgt von China. Einschränkungen oder Untersagungen kamen 2021 in sechs der 306 Prüfungen vor. Mehr erfährt man nicht. Weitere Informationen könnten die Beziehungen zu China beeinträchtigen, heißt es.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 90,3 Aktuell am 19. August 2022 um 17:00 Uhr.