Handel mit China Das ewige Problem der Abhängigkeit
Der heutige virtuelle EU-China-Gipfel wird überschattet vom Ukraine-Krieg und Pekings Positionierung zu Russland. Vor dem Hintergrund stehen auch die Handelsbeziehungen zu China auf dem Prüfstand.
Seit 2016 ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Im vergangenen Jahr wurden zwischen den beiden Ländern Waren im Wert von 245 Milliarden Euro gehandelt. Eine neue Umfrage des Münchner ifo-Instituts zeigt jedoch: Fast jede zweite deutsche Industriefirma möchte ihre Abhängigkeit von China verringern und ihre Importe von dort zurückfahren.
"Schockwirkung" durch den Ukraine-Krieg
Drei Gründe sind für diese neue Zurückhaltung ausschlaggebend: "Der mit Abstand wichtigste Punkt ist stärker zu diversifizieren, um eine einseitige Abhängigkeit von China zu vermeiden", sagt Andreas Baur, ifo-Handelsökonom und Co-Autor der Umfrage. "An zweiter Stelle wurden gestiegene Frachtkosten genannt, außerdem die Störanfälligkeit im Transport, die man auch im Zuge der Corona-Pandemie erfahren hat." An dritter Stelle stehe die politische Unsicherheit: "Die Unternehmen fühlen, dass es vielleicht in den vergangenen Jahren zu größeren Unsicherheiten gekommen ist", so Baur.
Zum Zeitpunkt der ifo-Umfrage hatte Russland die Ukraine noch nicht überfallen. Die Innovationsökonomin Carolin Häussler von der Universität Passau glaubt, dass der Ukraine-Krieg die Absetzbewegung deutscher Unternehmen aus China verstärken könnte. "Der Ukraine hat sicherlich eine Schockwirkung erzielt", sagt sie. "Er führt dazu, dass vieles überprüft und kritischer gesehen wird und dass man versucht, mehr über andere Länder zu beschaffen." Häussler plädiert dafür, sich stärker auf Europa zu konzentrieren und so die deutsche Abhängigkeit von China zu reduzieren.
Warnung vor einem "Klumpenrisiko"
Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance and Management hingegen findet nicht, dass Deutschland zu abhängig von China sei. "Ich würde von wechselseitiger Abhängigkeit sprechen, wir sind beide aufeinander angewiesen - und daran sehe ich auch nichts Schlechtes." Löchel findet den Standpunkt, dass Handel auch Wandel anschiebe, immer noch gültig - selbst nach Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Das sehen die Wissenschaftler des Merics Instituts in Berlin anders. Sie sagen, dass die geopolitischen Risiken in der Volksrepublik China zugenommen hätten. Für sie kommen zu viele Risiken zusammen: Unterdrückung von Menschenrechten, Einschränkung der Meinungsfreiheit, eine sehr rigide Corona-Politik. Doch Innovationsökonomin Häussler sieht die Probleme noch woanders - und zwar in Form eines "Klumpenrisikos": "Vor allem im Hinblick auf den Bezug gewisser Güter und insbesondere in Bezug auf den Rohstoffhandel", so Häussler. Als Beispiel nennt sie die sogenannten seltenen Erden; Rohstoffe, die zu 90 Prozent aus China stammen.
Keine Beziehungen - keine Sanktionsmöglichkeiten
Abhängigkeitsprobleme mögen auf der einen Seite bestehen - aber Wirtschaftsbeziehungen eröffneten auch immer neue Möglichkeiten, findet ifo-Ökonom Baur. "Wenn man gar keine wirtschaftlichen Verbindungen mehr hätte mit China, oder jetzt mit Russland, könnte man auch keine Sanktionen im schlimmsten Fall verhängen."
Es gibt also viele strittige Themen mit dem wichtigen Handelspartner auf dem EU-China-Gipfel. Das größte Problem dürfte jedoch die ambivalente Rolle Pekings angesichts des Ukraine-Kriegs sein. Auch die deutsche Wirtschaft wird den Gipfel sehr aufmerksam beobachten.