China-Deal im Hamburger Hafen HHLA soll gegen Vorgaben verstoßen haben
Der Hamburger Hafenbetreiber HHLA hat es nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums versäumt, ein Containerterminal rechtzeitig als besonders schützenswert zu registrieren - das zeigen Recherchen von NDR, WDR und SZ. Den geplanten Deal mit China könnte das platzen lassen.
Wer in Deutschland kritische Infrastruktur (Kritis) betreibt, also eine Einrichtung, die etwa von großer Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit Strom oder Trinkwasser ist, der muss sich beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) registrieren. So sieht es die Kritis-Verordnung vor. Damit soll gewährleistet werden, dass besondere Sicherheitsstandards eingehalten werden, um die Einrichtung und damit die öffentliche Sicherheit besser zu schützen.
Eine solche Regel gilt auch für Häfen, die immens wichtig sind für die deutsche Wirtschaft - allen voran der Hamburger Hafen. Eine der dortigen Betreibergesellschaften, die HHLA, könnte es jedoch nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) im vergangenen Jahr versäumt haben, das Containerterminal Tollerort (CTT) zum richtigen Zeitpunkt als kritische Infrastruktur beim BSI zu registrieren.
Geplante Teilübernahme gefährdet
Genau diese verspätete Einstufung könnte nun dafür sorgen, dass ein geplanter Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco am Hamburger Hafen, der seit Monaten von der Bundesregierung geprüft wird, womöglich nicht mehr zustande kommt.
In einem aktuellen Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, das NDR, WDR und SZ vorliegt, wählt das Haus von Robert Habeck deutliche Worte: Demnach hätte die HHLA die Pflicht gehabt, sich mit dem Terminal bis zum 2. April 2022 beim BSI registrieren zu lassen. Ein maßgeblicher Schwellenwert mit Blick auf die Umschlagsmenge an dem Terminal seit bereits 2021 überschritten worden.
Mögliche Ordnungswidrigkeit
Erfolgt sei diese Registrierung als Kritis erst im Januar 2023 "nach Aufforderung durch das BSI", wie es in dem Schreiben heißt. Das Ministerium schreibt weiter: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Registrierung nicht vornimmt, handelt ordnungswidrig."
Für die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens sei das BSI verantwortlich. Das für das BSI zuständige Innenministerium antwortete bisher nicht auf die Anfrage, ob ein solches Verfahren durchgeführt werde.
Einstufung Voraussetzung für den Deal
Im Raum steht damit die brisante Frage, ob die HHLA im Laufe des Prüfprozesses durch die Bundesregierung eine falsche Einstufung gemacht hat. Mit der Annahme, es handele sich bei dem Terminal eben nicht um kritische Infrastruktur, hatte die Bundesregierung im vergangenen Oktober eine mögliche Cosco-Beteiligung von 24,9 Prozent an Tollerort erlaubt. Diese Einigung war in der Ampelkoalition heftig umstritten gewesen.
Das Kanzleramt von Olaf Scholz wollte eigentlich einen Erwerb von 35 Prozent des Containerterminals Tollerort durch den chinesische Konzern Cosco erlauben. Sechs andere Ministerien und besonders Vertreter von Grünen und FDP waren dagegen. Schließlich einigte sich die Regierung auf eine Teiluntersagung und mögliche 24,9 Prozent. Auf Bitten der beiden Erwerbsparteien läuft beim Bundeswirtschaftsministerium eine Prüfung der neuen Erwerbsverträge.
Befürworter des China-Deals in Hamburg, darunter SPD-Chef Lars Klingbeil oder Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), hatten Sicherheitsbedenken damals für unbegründet erklärt und unter anderem argumentiert, bei besagtem Hafenterminal handele es sich schließlich nicht um kritische Infrastruktur. China bekomme daher keinerlei Zugriff auf relevante Systeme.
In der vergangenen Woche hatten NDR, WDR und SZ erstmals berichtet, dass das Hafenterminal mittlerweile durch das BSI als Kritis und damit als besonders schützenswert eingestuft sei.
Betreiber sieht keine Unregelmäßigkeiten
Die HHLA hat anders als das Wirtschaftsministerium bislang keine Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung des Terminals gesehen. In der vergangenen Woche hatte eine Sprecherin erklärt, dass im Zuge einer Änderung der Kritis-Verordnung eine neue Kategorie eingeführt worden sei. Da Tollerort in diese Kategorie falle, sei das CTT wie alle anderen Hamburger HHLA-Terminals Anfang 2023 als kritische Infrastruktur registriert worden.
Die HHLA widerspricht dem Wirtschaftsministerium auf Anfrage: "Die Position des Bundeswirtschaftsministeriums ist aus Sicht der HHLA sachlich und rechtlich unbegründet. Die HHLA hat alle beteiligten Behörden im laufenden Investitionsprüfverfahren über die Umschlagsmengen am CTT jederzeit umfassend und transparent informiert."
Allgemein hatte die HHLA zum Investitionsvorhaben zuletzt erklärt, man habe in den Verträgen mit Cosco alle von der Bundesregierung gemachten Auflagen umgesetzt. Man warte jetzt nur noch auf eine Rückmeldung des Bundeswirtschaftsministeriums. Die HHLA erklärte außerdem, Cosco würde mit einer Beteiligung am Terminal Tollerort "keinen Zugriff und keine Entscheidungsrechte erlangen - ebenso wenig wie in Bezug auf Grund und Boden des Terminals".
Entscheidung wieder offen
Wie geht es nun weiter? Die Entscheidung der Bundesregierung vom Oktober 2022, eine Erlaubnis einer niedrigeren Investition von 24,9 Prozent zu erteilen, so heißt es in dem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten, "beruhte auf der Annahme, dass HHLA CTT nicht Kritis-Betreiber ist". Nun könnte allerdings die geplante Investition der Chinesen noch kippen.
Denn die Grundvoraussetzungen haben sich nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums geändert. Das Ministerium prüfe nun "die Auswirkung der neuen Erkenntnisse" auf die damalige Entscheidung, steht in dem Papier an das Parlament. Über diesen Abschnitt des Schreibens berichtete zuerst die dpa. Bei kritischer Infrastruktur müsse demnach laut Außenwirtschaftsverordnung schon beim geplanten Erwerb von nur zehn Prozent Anteilen strenger geprüft werden.
Bürgermeister wirbt weiter für Einstieg
Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher wirbt derweil sogar in den USA für den Einstieg Coscos. Laut Medienberichten war das Verfahren gerade Thema bei einem Treffen mit der US-Politikerin Nancy Pelosi. Demnach habe er versucht, Pelosi von dem Geschäft zu überzeugen: Er habe versichert, dass bei einer Cosco-Beteiligung die Infrastruktur zu hundert Prozent in öffentlicher Hand bleibe.