Chinas Beteiligung Kippt der Einstieg beim Hamburger Hafen?
Das Kanzleramt hatte den Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns beim Hamburger Hafen fast schon durchgesetzt: Doch nun gilt das Container-Terminal Tollerort nach Informationen von NDR, WDR und SZ doch als kritische Infrastruktur. Kippt der Deal?
Im Streit um den möglichen Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Container-Terminal ist die Bundesregierung mit neuen Tatsachen konfrontiert: Nach einer Recherche von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" stuft das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Terminal Tollerort mittlerweile als kritische Infrastruktur und damit als besonders schützenswert ein.
Die korrigierte Einstufung bedeutet nicht, dass das Geschäft nun automatisch untersagt wird. Aber für die Bundesregierung stellt sich die politisch heikle Frage, ob sie das Geschäft mit Cosco genehmigen will.
Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) als Betreiberin des Terminals bestätigte die Recherche auf Anfrage. Demnach gelte das Terminal Tollerort seit Anfang 2023 als kritische Infrastruktur, und zwar als "Betrieb einer Umschlaganlage in See- und Binnenhäfen mit einer Frachtmenge von 3,27 Millionen Tonnen pro Jahr". In Tollerort liegt der jährliche Umschlag deutlich darüber. In Abstimmung mit dem BSI habe man das Terminal als kritische Infrastruktur registriert, erklärte eine HHLA-Sprecherin.
Auf Anfrage verwiesen Kanzleramt und Wirtschaftsministerium auf das fürs BSI zuständige Innenministerium. Dort hieß es, dass man sich zu Einstufungen nicht äußere, etwa aus Sicherheitsgründen. Nach Veröffentlichung der Recherche von NDR, WDR und SZ erklärte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums: "Da sich die Voraussetzungen geändert haben, prüfen wir als BMWK die Auswirkungen auf den Sachverhalt".
Terminal bislang keine kritische Infrastruktur
In der Vergangenheit war das Container-Terminal Tollerort nicht als kritische Infrastruktur betrachtet worden. Für Befürworter des Cosco-Einstiegs war dies im vergangenen Jahr ein zentrales Argument. So hatte SPD-Chef Lars Klingbeil erklärt, es gehe "um eine Minderheitenbeteiligung an einem Terminal" und "nicht darum, dass man die Chinesen in die kritische Infrastruktur reinlässt".
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betonte seinerseits: "Weder China noch andere Länder sollten Zugriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland haben." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte allgemein erklärt, es sei ein berechtigtes Anliegen zu sagen, dass es keinen falschen Einfluss auf Infrastrukturen geben dürfe. "Das ist in diesem Fall in keiner Weise gegeben."
Prüfung verzögerte sich
Warum die strengere Einstufung des Terminals durch das BSI offenbar erst jetzt vorgenommen wurde, ist noch unklar: Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ soll es in der Vergangenheit Schwierigkeiten beim Informationsfluss zwischen BSI und Hamburger Hafenbetreiberfirma HHLA gegeben haben. In Berliner Regierungskreisen sorgte das offenbar schon im vergangenen Jahr für Unmut. Die HHLA ging darauf auf Anfrage nicht ein, sondern teilte mit, dass die Neu-Einstufung erfolgt sei, weil sich eine gesetzliche Verordnung geändert habe.
Laut Internetseite des BSI gelten jene Organisationen oder Einrichtungen als kritische Infrastruktur, die eine besondere Bedeutung für das "staatliche Gemeinwesen" besitzen. Bei Ausfall oder Beeinträchtigung würden "nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten".
HHLA befürwortet Investition
Der Hamburger Hafen ist einer der größten in Europa mit herausragender Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. HHLA-Chefin Angela Titzrath betonte zuletzt die Bedeutung des möglichen Einstiegs von Cosco. Die Bundesregierung müsse sich der Verantwortung für den Hamburger Hafen bewusst sein. Die HHLA strebt die Beteiligung von Cosco an, um auch künftig Ladung an die Hansestadt zu binden. China sei mit Abstand größter Handelspartner des Hafens.
Wie die HHLA zuletzt erklärte, habe man in den Verträgen mit Cosco alle von der Bundesregierung gemachten Auflagen umgesetzt und warte nun nur noch auf eine Rückmeldung des Bundeswirtschaftsministeriums. Die HHLA erklärte nun zudem, Cosco würde mit einer Beteiligung am Terminal Tollerort "keinen Zugriff und keine Entscheidungsrechte erlangen - ebenso wenig wie in Bezug auf Grund und Boden des Terminals".
Streit in der Bundesregierung um Cosco-Beteiligung
Das Kanzleramt hatte das chinesische Investitionsvorhaben im vergangenen Jahr zur Chefsache gemacht. Nach Informationen von NDR und WDR wollte das Haus von Olaf Scholz die Beteiligung gegen das Votum der sechs Fachministerien sowie der EU-Kommission durchsetzen. Der Streit wurde schließlich durch ein Machtwort des Kanzleramts vorerst entschieden.
Da die Ministerien sich nicht gegen das Kanzleramt durchsetzen konnten, einigte sich das Kabinett im Oktober, dass Cosco statt wie geplant 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Terminals lediglich 24,9 Prozent erwerben könne.
Cosco schon heute weltgrößter Terminalbetreiber
Der Hamburger Hafen wäre nicht der erste, bei dem China investiert hat. Tatsächlich befinden sich laut Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) rund zehn Prozent der Hafenkapazitäten Europas in Coscos Händen, zum Beispiel bei Hamburgs Konkurrenten in Rotterdam oder Antwerpen. Das chinesische Unternehmen gilt schon heute als weltgrößter Terminalbetreiber.
Experten des China-Instituts Merics hatten schon früh gewarnt, dass ein Einstieg in Hamburg durchaus Risiken für die Sicherheit Deutschlands bergen könnte, da Cosco von Chinas Machthabern für die Umsetzung ihrer politischen Strategie genutzt werde.
In den USA gab es zuletzt Medienberichte, wonach das US-Verteidigungsministerium offenbar chinesische Technologie an amerikanischen Häfen, etwa Kräne und deren Computersysteme, als potenzielles Sicherheitsrisiko erachtet. Demnach bestehe die Sorge, dass chinesische Geheimdienste über den Zugang zu den IT-Systemen von Häfen an sensible Informationen über den Transport von militärischen Gütern für US-Operationen oder an verbündete Nationen gelangen könnten. Das Außenministerium in Peking wies solche Vorwürfe als "überzogen paranoid" zurück.
Umgang mit China weiter umstritten
Der Umgang mit China ist innerhalb der Bundesregierung umstritten. Noch immer fehlt zum Beispiel eine China-Strategie, die im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt worden war. Im Kabinett stehen vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) für einen strengeren Kurs gegenüber China. Das Land solle nicht mehr nur als einer der wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner der Bundesrepublik, sondern zunehmend als Kontrahent und etwaiges Sicherheitsrisiko betrachtet werden.
Im Fall Russland habe man gesehen, wie verwundbar Deutschland sei, wenn ein autokratisches Regime mit einem Mal die eigenen Interessen durchsetzt, heißt es von jenen, die im Umgang mit China auf eine größere Unabhängigkeit pochen. Das Kanzleramt wiederum will offenbar mehr das Verbindende zu China betonen.
In dieser Woche will Außenministerin Baerbock nach China reisen. Ob es bei den Gesprächen auch um den Hamburger Hafen gehen wird, ist unklar. Von chinesischer Seite aber könnte es durchaus einige Fragen zum deutschen Prüfvorgang und einer endgültigen Entscheidung der Bundesregierung geben.