Ein Wasserbassin in der Nähe der Kobaltmine Bou Azzer in Marokko.
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Umstrittener Zulieferer von BMW Arbeiter bestreiken Kobaltmine

Stand: 13.08.2024 18:01 Uhr

BMW lässt in einer Mine in Marokko Kobalt abbauen. Recherchen von NDR, WDR und SZ hatten dort Probleme bei Umwelt- und Sozialstandards offengelegt. Nun wird die Mine bestreikt, offenbar auch wegen schlechter Arbeitsbedingungen.

Von Petra Blum, Catharina Felke, Verena von Ondarza, Sebastian Pittelkow, Benedikt Strunz, Celia Izoard, Amir Musawy, NDR/WDR

"Respektiert das Arbeitsrecht" oder "Du hast ein Recht auf ein würdiges Leben" steht auf den Plakaten in arabischer Sprache, die die Arbeiter bei sengender Hitze hochhalten. Seit Mitte Juli protestieren immer wieder etwa 100 Männer vor dem Bergwerk Bou Azzer und dem Verwaltungsgebäude des Bergbaukonzerns Managem im Süden Marokkos. Das zeigen Videos und Fotos in sozialen Netzwerken.

Das marokkanische Unternehmen ist ein wichtiger Rohstofflieferant für BMW. Managem fördert Kobalt, das BMW für den Bau von Elektroautos benötigt. 2020 schlossen die beiden Firmen einen Liefervertrag über 100 Millionen Euro.

Karte: Mine Bou Azzer, Marokko

Derzeit ist die Produktion in der Mine allerdings eingeschränkt. Seit Beginn der Proteste hat Managem Teile der Mine stillgelegt. Darüber berichten marokkanische Online-Medien. Normalerweise arbeiten dort etwa 1.000 Bergleute. Einige von ihnen streiken nun schon seit Wochen immer wieder tageweise. Laut Unterlagen, die NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung, dem französischen Medium Reporterre und dem marokkanischen Medium Hawamich vorliegen, soll sich auch ein regionaler Abgeordneter im marokkanischen Parlament für die Belange der Bergleute eingesetzt haben.

Ausstehende Löhne

Die Streikenden sind als eine Art Leiharbeiter bei einem Subunternehmen, der Firma Top Farage, angestellt. Saïd (Name geändert) ist einer von ihnen. Er berichtet am Telefon, dass er und seine etwa 250 Kollegen seit Juni keinen Lohn mehr bekommen hätten. Die Firma soll jahrelang keine Sozialversicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiter abgeführt haben, berichten lokale Gewerkschaften. Deshalb wurden offenbar die Konten des Unternehmens gesperrt. Top Farage und der Minenbetreiber Managem äußerten sich auf Anfrage nicht zu den beschriebenen Vorgängen.

Den Streikenden geht es nicht nur ums Geld. Sie beklagen auch schlechte Arbeitsbedingungen. In einem Streikaufruf der Arbeitervertretung Jonction von Ende Juli heißt es, die Minenarbeiter litten unter "Ausbeutung, schweren Unfällen und chronischen Erkrankungen in Folge von erheblichen Mängeln im Arbeits- und Gesundheitsschutz".

"Wenn man seine Schicht beginnt, umarmt man seinen Kollegen, weil man nie weiß, ob man ihn jemals wieder sieht", sagt Saïd. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er in der Mine. Seine Arbeit ist schwer und riskant. 400 Meter unter der Erde legt er Sprengstoff, um den Förderschacht zu erweitern, schlägt mit einem Bohrhammer das kobalthaltige Gestein aus dem Bergwerk. Der Staub, der dabei entsteht, enthält auch Arsen. Sicherheitsstandards und eine entsprechende Ausrüstung sind deshalb wichtig. Früher habe es regelmäßig Gesundheits- und Sicherheitstrainings gegeben, heute nur noch selten, erzählt er. Viele Kumpel bekämen Staublungen oder andere Krankheiten, andere seien unrechtmäßig entlassen worden.

Verpflichtung zur Überprüfung von Hinweisen

"Wenn man untertage arbeitet, hat man immer Angst, einen Unfall zu haben, entlassen zu werden oder kein Geld mehr zu bekommen", sagt Saïd. Prüfen lassen sich diese Angaben nur bedingt. Telefonate und Chats mit anderen Arbeitern und Anwohnern vor Ort stützen jedoch seine Darstellung. Zudem finden sich solche Klagen in Streikankündigungen und offiziellen Mitteilungen von Gewerkschaften und Arbeitnehmervereinen, die NDR, WDR, SZ und den internationalen Partnern vorliegen. Bislang jedoch blieben die Aktionen offenbar erfolglos.

Angesichts der neuen Vorwürfe der Arbeiter über ausbleibende Lohnzahlungen müsste BMW erneut aktiv werden, meint Antje Schneeweiß vom Arbeitskreis kirchlicher Investoren, die mit dem Autobauer über die Zustände in der Mine in Marokko im Gespräch ist. Denn das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen dazu, fundierte Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen zu überprüfen.

Auf Anfrage verwies BMW darauf, dass man die aktuellen Berichte, die den Geschäftspartner beträfen, nicht kommentieren wolle. Man nehme externe Hinweise aber generell ernst und gehe diesen im Austausch mit dem Lieferanten nach. Das entspreche dem Prinzip "Befähigung vor Rückzug", welches das deutsche Gesetz vorsehe, erklärte ein Sprecher von BMW. Die marokkanischen Unternehmen Top Farage und der Minenbetreiber Managem ließen eine Anfrage unbeantwortet.

Schon länger in der Kritik

Es ist nicht der erste Protest und Streik, der sich gegen die Zustände in der Mine richtet. Recherchen von NDR, WDR, SZ sowie weiterer Medien hatten im November 2023 schwerwiegende Umweltprobleme an der Mine aufgedeckt. Demnach wiesen Proben, die Reporter aus dem Fluss unterhalb des Bergwerks entnommen haben, eine Arsenkonzentration von mehr als 18.000 Mikrogramm pro Liter auf. Der Arsen-Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Trinkwasser liegt bei zehn Mikrogramm pro Liter. Wissenschaftler hatten damals erklärt, es bestehe "sofortiger Handlungsbedarf".

BMW hatte daraufhin eigene Untersuchungen bei einem sogenannten Auditor beauftragt. Das Ergebnis bestätigte Umweltprobleme. Allerdings hätten die Prüfer einen Bezug zum Minenbetrieb weder herstellen noch ausschließen können, teilte BMW mit. Im Anschluss hatte BMW mit dem Minenbetreiber Baumaßnahmen an der Mine vereinbart, um das Abfall- und Wassermanagement zu verbessern.

Wie unabhängig wurde geprüft?

Unternehmenschef Oliver Zipse betonte bei der Hauptversammlung im Mai, dass die Audits zur Überprüfung der Zustände in der Mine unabhängig durchgeführt worden seien. Neue Recherchen der Medien werfen nun aber Fragen auf, wie unabhängig die Prüfer tatsächlich waren. Denn laut dem Managem-Geschäftsbericht aus dem Jahr 2023 erhielt SRK neben der Prüfung auch andere Aufträge von Managem. So schätzte SRK als eines von mehreren Consultingunternehmen die Rohstoffmengen für den Minenbetreiber.

Andreas von Angerer, Vertreter der Investorengemeinschaft Shareholders for Change, die zusammen ein Vermögen von rund 35 Milliarden Euro verwalten, sieht darin einen möglichen Interessenkonflikt: "Wir würden erwarten, dass BMW sich die Unabhängigkeit über klare Compliance-Regeln garantieren lässt", sagt von Angerer, etwa indem andere Abteilungen das Audit übernehmen als die, die sonst für Managem tätig ist.

SRK Consulting teilt auf Anfrage mit, dass das Audit von ihren Niederlassungen in Kanada und Großbritannien durchgeführt worden sei. Die kanadische Niederlassung von SRK hatte auch die Schätzungen der Rohstoffmengen für Managem durchgeführt. Dennoch bestreitet SRK einen Interessenkonflikt. Die Niederlassungen in Kanada und Großbritannien hätten nur geringfügige Geschäftsbeziehungen zu Managem.

Die Erlöse durch Geschäfte mit dem marokkanischen Minenbetreiber hätten in den vergangenen fünf Jahren lediglich bei weniger als 0,5 Prozent (Großbritannien) beziehungsweise weniger als 0,1 Prozent (Kanada) gelegen. SRK Consulting sei seit Jahrzehnten auf Bergbauthemen spezialisiert und als eine international führende Beratungsfirma mit einer Vielzahl an Minenbetreibern weltweit in einer geschäftlichen Beziehung. BMW habe die wirtschaftliche Unabhängigkeit von SRK Consulting überprüft und sich diese vertraglich bestätigen lassen.

BMW-Untersuchungen unter Verschluss

Auch die sozialen Bedingungen an der Mine hatte BMW nach den ersten Medienberichten überprüfen lassen. Im November hatten die Reporter auch über gravierende Verletzungen von Arbeits- und Sozialstandards berichtet. Dazu hatten sie damals mit zahlreichen aktiven und ehemaligen Minenarbeitern sowie mit Gewerkschaftern vor Ort gesprochen. Wie BMW vor wenigen Wochen mitteilte, hätten sich diese Vorwürfe nach der Überprüfung durch den Auditor RBA nicht bestätigt. Es hätten sich lediglich kleinere Verstöße bei der Einhaltung von Sozialstandards gezeigt. 

BMW kündigte an, unter anderem die Zeiterfassung der Mitarbeiter zu verbessern und die Abstände der Erste-Hilfe-Sets zu verkleinern. Bis heute lehnt BMW eine umfangreiche Veröffentlichung der eigenen Untersuchungen zu den sozialen Standards und den Umweltbelastungen an der Mine ab, auch auf mehrfache Nachfrage. Auch der Auditor, die Responsible Business Alliance, möchte keine Details zum Audit nennen, betont jedoch, ein Audit sei ein umfassender Prozess, der auch eine Überprüfung von Verbesserungsvorschlägen beinhalte. Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen.

Bereits nach der ersten Berichterstattung der Medien hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) angekündigt, den Fall des marokkanischen Zulieferers zu prüfen. Auf Anfrage erklärte die Behörde nun, sich nicht zu Einzelunternehmen und zu seinen Kontroll- und Prüfprozessen zu äußern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. November 2023 um 11:36 Uhr in der Sendung "Umwelt und Verbraucher".