AfD-Parteitag Geheime Absprache mit Höcke?
Internen Chatnachrichten zufolge hat sich die AfD-Führung offenbar vor der Wahl des neuen Parteivorstands mit Björn Höcke abgesprochen. Für den Verzicht seiner Kandidatur wurde ihm demnach ein anderer einflussreicher Posten in Aussicht gestellt.
Die Parteiführung der AfD hat sich offenbar vor der Bundesvorstandswahl am Wochenende in Riesa mit Björn Höcke abgesprochen. Das geht aus internen AfD-Chatnachrichten hervor, die MDR Thüringen vorliegen. Der Absprache zufolge soll der Thüringer AfD-Chef auf eine Kandidatur für einen Posten im neuen Bundesvorstand verzichtet haben. Im Gegenzug soll Höcke der Vorsitz einer neuen Kommission "zur Vorbereitung einer Parteistrukturreform" in Aussicht gestellt worden sein. Der Fall deutet auf den enormen Einfluss Höckes auf die Bundespartei hin. Zudem zeigen die Reaktionen mehrerer AfD-Bundestagsabgeordneter, wie unversöhnlich sich die verfeindeten Lager in der parteiinternen Auseinandersetzung um die künftige Partei-Programmatik gegenüberstehen.
"Hinter dem Geschehen ein Kalkül"
Ausgeplaudert hat die Angelegenheit Hans-Thomas Tillschneider aus Magdeburg. Nach dem Bundesparteitag in Riesa äußerte sich der AfD-Landtagsabgeordnete in einer geschlossenen AfD-Chatgruppe kritisch zu dessen Ablauf. "Was Teile der Führung zusammen mit der Parteitagsleitung am Sonntag in Riesa abgezogen haben, war nichts anderes als die Fortsetzung des Krieges gegen die eigene Partei. Ich vermute hinter dem Geschehen ein Kalkül."
In seinem Text kritisierte Tillschneider vor allem den Umgang der Delegierten mit einer auch von ihm mitgetragenen Resolution zur "einvernehmlichen Auflösung der EU". Dabei fielen zwei Sätze, die in der AfD-Chatgruppe unverzüglich für Empörung sorgten: "Björn Höcke wurde die Strategiekommission versprochen, für den Fall, dass er nicht für den BuVo kandidiert", schrieb Tillschneider, der mit "BuVo" den Bundesvorstand meint. "Um sicher zu gehen, dass Wort gehalten wird, wollte deshalb das Netzwerk um Björn Höcke, dass die Strategiekommission vor den BuVo-Wahlen beschlossen wird." Gemeint ist die "Kommission zur Vorbereitung einer Parteistrukturreform", die tatsächlich in Riesa eingesetzt werden sollte. Dazu war es aber nicht mehr gekommen, weil der Parteitag am Sonntag wegen des Streits um besagte EU-Resolution vorzeitig abgebrochen worden war.
Der Höcke-Vertraute Hans-Thomas Tillschneider zählt zu den einflussreichsten Partei-Funktionären Sachsen-Anhalts und als eine der Hauptursachen, weshalb das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremen Verdachtsfall beobachtet. In der Vergangenheit hatte der Politiker beispielsweise den Islam in Deutschland mit einem "Baumpilz" verglichen, der "am Stamm der Deutschen Eiche" wuchere. Vielen im gemäßigten AfD-Lager gilt Tillschneider deswegen als Reizfigur.
Empörte Reaktionen im Chat
Entsprechend groß fiel die Aufregung über dessen Text in der AfD-Chatgruppe aus, die aus mehreren Hundert AfD-Funktionären und Mandatsträgern besteht. "Schön, dass man mal von einem Beteiligten in aller Offenheit erfährt, was da so geplant war mit Herrn Höcke", schrieb einer der Chat-Teilnehmer. "Derselbe Höcke, der im Interview sagte, dass er jetzt noch keine Einerspitze wolle, weil das die Partei zerreißen würde. Man muss halt erst noch einen Teil der Partei ausschwitzen, bevor man dann voll durchziehen kann, gell?" Den Begriff "ausschwitzen" hatte Höcke selbst im Jahr 2020 bei einer Veranstaltung in Sachsen-Anhalt mit Blick auf seine innerparteilichen Gegner verwendet.
Ein anderer Funktionär teilte mit: "Herr Tillschneider bestätigt mit seinem Text, was ohnehin jedem vernunftbegabtem Delegierten in Riesa klar gewesen ist. Herrn Höckes gebetsmühlenartige Beschwörungen von Einigkeit sind pure Heuchelei. Offensichtlich 'historisiert' sich die Notwendigkeit für Einigkeit immer genau dann, wenn er und seine Adlaten meinen am Drücker zu sein." Er hoffe, so der Chatteilnehmer, "dass Tino Chrupalla und Alice Weidel nun sehr genau verstanden haben, was sie von Herrn Höcke erwarten" dürfen.
AfD-Statements
Mehrere AfD-Bundestagsabgeordnete bestätigten MDR Thüringen die Echtheit der Chat-Nachrichten. Ein Abgeordneter, der anonym bleiben möchte, teilte auf Anfrage mit: "Dass Tillschneider in seiner grenzenlosen Wut über den unvorhergesehenen Ablauf am Parteitag mit der Wahrheit offen um die Ecke kommt, ist interessant, aber sehr gut. Nun wissen wir, dass das, was uns seitens der Parteiführung als 'Basisdemokratie' versprochen wird, zumindest ganz oben bloße Makulatur ist." Nur Chrupalla und Weidel hätten "einen solchen Deal" abschließen können, "sonst niemand".
Höcke wollte dem MDR Thüringen die Existenz des "Deals" mit der Parteiführung weder bestätigen noch dementieren. Seinen Büroleiter ließ mitteilen: "Dazu wird sich Herr Höcke nicht äußern." Die Bundesgeschäftsstelle der AfD in Berlin antwortete nicht auf eine MDR-Anfrage zu diesem Thema.