Ermittlungen gegen Hildmann Staatsanwaltschaft enttarnt Spitzel
Bei den Ermittlungen gegen den Verschwörungsideologen Attila Hildmann hat es offenbar einen Maulwurf gegeben. Nach ARD-Recherchen wird eine Mitarbeiterin der Berliner Generalstaatsanwaltschaft verdächtigt, Informationen an ihn weitergegeben zu haben.
Eine Mitarbeiterin der Berliner Justiz wird verdächtigt, Daten aus der Behörde an den Verschwörungsideologen und Antisemiten Attila Hildmann weitergegeben zu haben. Gegen Hildmann laufen seit vergangenem Jahr Strafverfahren wegen zahlreicher Taten, darunter Volksverhetzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Hildmann soll sich derzeit in der Türkei aufhalten.
Seit Februar fahnden die Behörden wegen dessen Flucht mit einem Haftbefehl nach dem Autor von Vegan-Kochbüchern. Dass ein solcher Haftbefehl gegen Hildmann vorliegt, war zunächst durch eine rechte Internetplattform bekannt gemacht worden, die offenbar aus Hildmanns engstem Umfeld betrieben wurde. Auch Hildmann selbst soll das Dokument bekommen haben.
Verdächtige fristlos gekündigt
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigte nun auf Anfrage, dass gegen eine ehemalige Angestellte aus der IT-Abteilung der Behörde wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und der versuchten Strafvereitelung ermittelt werde. Der Mitarbeiterin wurde laut Behörde fristlos gekündigt.
Nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste und des Rechercheformats STRG_F, das der NDR für funk produziert, handelt es sich bei der ehemaligen Mitarbeiterin der Generalstaatsanwaltschaft um die 32-jährige M. aus Berlin. Sie soll Hildmann angeblich Anfang des Jahres in der Türkei besucht haben. Dies behauptet ein ehemaliger Weggefährte von Hildmann, Kai Enderes, im Interview mit Kontraste und STRG_F. M. habe auch den Haftbefehl an Hildmann weitergegeben, behauptet Enderes.
Enderes unterstützte Hildmann nach eigenen Angaben von Sommer 2020 bis Mitte dieses Jahres vor allem in technischen Angelegenheiten, etwa beim Aufbau von Kanälen auf dem Messenger-Dienst Telegram. Vor allem über Telegram verbreitet Hildmann seine Verschwörungserzählungen und antisemitische Propaganda. Wegen einer Vielzahl volksverhetzender Taten wird gegen Hildmann ermittelt.
Im "Querdenken"-Umfeld polizeilich aufgefallen
Auf die Spur der Mitarbeiterin M. kam die Generalstaatsanwaltschaft dadurch, dass die 32-Jährige mehrfach bei Polizeieinsätzen aufgefallen sein soll. Unter anderem stellte die Polizei M. im Umfeld eines Aktivisten der Querdenker-Szene fest. Daraufhin habe die Generalstaatsanwaltschaft im Mai überprüft, auf welche Daten die damalige System-Administratorin in letzter Zeit zugegriffen habe, sagt Sprecher Martin Steltner auf Anfrage. "Es ergaben sich unberechtigte Abfragen zu verschiedenen Personen der rechtsextremen und der Querdenker-Szene", so Steltner. Daraufhin wurde im Juli die Wohnung der Verdächtigen M. in Berlin durchsucht und es wurden Datenträger sichergestellt.
Auch auf Unterlagen zum Ermittlungsverfahren gegen Hildmann soll M. zugegriffen haben. Nach derzeitigem Ermittlungsstand bestehe der Verdacht, dass die Verdächtige abgefragte Daten "möglicherweise auch an den Beschuldigten Hildmann weitergegeben hat", so Behördensprecher Steltner.
Hildmann floh bereits vor Haftbefehl
Wegen der frühzeitigen Ausreise Hildmanns, bereits vor dem Erlass des Haftbefehls, geht die Generalstaatsanwaltschaft nicht davon aus, dass die Weitergabe der Informationen die Ursache für Hildmanns Flucht war. Diese hätte Hildmann "nur nachträglich Gewissheit über das tatsächliche Vorliegen eines Haftbefehls gegeben", sagt Steltner. Dies bestätigt auch der einstige Hildmann-Vertraute Enderes. Bereits Ende des Jahres 2020 sei er mit Hildmann aus Deutschland ausgereist - auf Basis einer Vermutung, dass es womöglich demnächst zu einer Festnahme kommen könnte.
Die Justiz will nun Konsequenzen aus den Datenskandal in der Generalstaatsanwaltschaft ziehen. Es soll zukünftig umfassender erfasst werden, wer wann auf welche Dokumente zugegriffen hat. Außerdem prüft die Strafverfolgungsbehörde, wie man die Daten in sensiblen Ermittlungsverfahren besser vor unberechtigtem Zugriff schützen kann, sagt ein Sprecher der Berliner Justizverwaltung.
Die ehemalige Justizmitarbeiterin M. wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Auch Hildmann selbst äußerte sich im Interview mit STRG_F und Kontraste nicht zu den Vorwürfen gegen M. Zu den Ermittlungen gegen ihn selbst räumte Hildmann ein, dass er als Volksverhetzung strafbare Äußerungen getätigt habe. In die Bundesrepublik werde er nicht zurückkehren, kündigte Hildmann an.