Mangel an günstigem Wohnraum Verbände fordern 910.000 neue Sozialwohnungen
Die Bundesregierung hinkt ihren eigenen Zielen beim sozialen Wohnungsbau weit hinterher. Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass Milliarden Euro falsch ausgegeben werden. Verbände fordern einen Kurswechsel.
In Deutschland fehlen dem Bündnis "Soziales Wohnen" zufolge mehr als 910.000 Sozialwohnungen. Der Zusammenschluss aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden beruft sich dabei auf eine Studie des Pestel-Instituts, die von dem Bündnis in Auftrag gegeben worden war. Neue Sozialwohnungen kommen vor allem Menschen mit kleinen Einkommen zugute.
Der Studie zufolge gab es Ende 2022 rund 1,088 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Das Bündnis hält es für notwendig, dass bis 2030 bundesweit zwei Millionen Sozialwohnungen zur Verfügung stehen. Das entspräche in etwa dem Stand aus dem Jahr 2007. Bund und Länder hätten die Förderung von solchen Wohneinheiten massiv vernachlässigt, kritisierte "Soziales Wohnen".
Bündnis fordert Steuererleichterung bei Neubauten
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Um das zu erreichen, sollen Bund und Länder nach Ansicht des Bündnisses umgehend 50 Milliarden Euro zur Förderung von sozialem Wohnraum bereitstellen. Außerdem solle die Mehrwertsteuer beim Neubau von Sozialwohnungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden.
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen angepeilt, davon sollte ein Viertel aus Sozialwohnungen bestehen. 2023 wurden dem Bündnis "Soziales Wohnen" zufolge aber nur rund 30.000 Sozialwohnungen fertiggestellt, in den Vorjahren waren es rund 25.000 gewesen.
Hier fehlen besonders viele Sozialwohnungen
Die Regierung räumte im vergangenen Jahr ein, dieses selbstgesetzte Ziel zu verfehlen. Als Gründe wurden die Folgen des Ukraine-Krieges aber auch knappe Baumaterialien, der Fachkräftemangel und gestiegene Zinsen genannt.
Besonders viele Sozialwohnungen fehlen laut der neuen Studie - in absoluten Zahlen - in Baden-Württemberg (rund 206.000 Wohnungen), Bayern (rund 195.000), Berlin (rund 131.000) und Niedersachsen (rund 109.000). Hamburg und Nordrhein-Westfalen hingegen stünden mit rund 4.400 bzw. 4.500 fehlenden Sozialwohnungen vergleichsweise gut da.
"Immer höhere staatliche Zuschüsse führen ins Leere"
"Die Lage am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter zu: Steigende Mieten, kaum Neubau und keine Besserung in Sicht", sagte Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Die Krise mit immer höheren staatlichen Zuschüssen für das Wohnen zu lösen, führe ins Leere.
Insgesamt gab der Staat nach Angaben der Studienmacher 2023 erstmals mehr als 20 Milliarden Euro für die Unterstützung bedürftiger Menschen beim Wohnen aus: gut 15 Milliarden Euro für die Kosten der Unterkunft, die überwiegend von den Job-Centern gezahlt werden, und mehr als fünf Milliarden Euro für Wohngeld. Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau in den vergangenen Jahren bei rund vier Milliarden Euro pro Jahr, heißt es in der Studie.
Kritik: Staat fördert "Missverhältnis"
"Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit fünf Mal so hoch wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen", sagte Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut. Grund für das "deutliche Missverhältnis" sei das langjährige Missmanagement des Bundes. "Er hat den Sozialwohnungsbau - also die Objektförderung - bis vor kurzem auf ein Minimum heruntergefahren und damit drastisch steigende Ausgaben für die Kosten der Unterkunft und für das Wohngeld - also für die Subjektförderung - provoziert."
Sozialwohnungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Mieten staatlich reguliert sind. Sie stehen nur Menschen zur Verfügung, bei denen die Behörden besonderen Bedarf sehen, weil sie kleine Einkommen haben. Nach einer bestimmten Zeit können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden, weshalb die Zahl der Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren stetig abnahm.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version der Meldung hieß es vonseiten des Bündnisses "Soziales Wohnen", die "Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit acht Mal so hoch wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen". Korrekt ist die Angabe, dass die Sozialausgaben fürs Wohnen fünf Mal so hoch sind wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen. Das Bündnis hat seine Angaben in einer berichtigten Pressemitteilung geändert.
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