Bezahlbarer Wohnraum Mehr Sozialwohnungen - aber wie?
Es gibt immer weniger Sozialwohnungen in Deutschland - obwohl doch das Gegenteil politisch gewünscht ist. Wie kann das sein? Und lösen zusätzliche Milliarden das Problem?
Kaum jemand würde widersprechen: Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Die Kosten für Miete und Nebenkosten steigen. Umso wichtiger sind Maßnahmen der Politik, um die Kosten sozialverträglich zu halten. Doch was hilft am meisten?
Jahrzehntelang wurde in Politik und Ökonomie über zwei unterschiedliche Konzepte gestritten: die direkte Förderung von Menschen mit geringen Einkommen durch Zuschüsse wie das Wohngeld und die indirekte Förderung durch die Bereitstellung von Sozialwohnungen. Deren Zahl ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen, auf knapp 1,1 Millionen. Zum Vergleich: In den 1980er-Jahren gab es in der alten Bundesrepublik fast vier Millionen Sozialwohnungen, 2010 waren es in ganz Deutschland noch 1,66 Millionen.
Die Sache mit der Sozialbindung
Der Hintergrund für den Rückgang: Sozialwohnungen fallen nach einer bestimmten Zeit aus der Sozialbindung. Das heißt, sie können nach 15, 25 oder 40 Jahren ohne staatliche Auflagen frei vermietet werden - je nachdem, wie dies zu Beginn der Förderung festgelegt wurde. Und da die Zahl der Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, derzeit deutlich höher ist als die Zahl der neu entstandenen Sozialwohnungen, nimmt die Zahl der Sozialwohnungen unterm Strich ab.
Nach Einschätzung des Deutschen Mieterbunds kann das nicht so weitergehen. Mieterbund-Chef Lukas Siebenkotten fordert daher, den noch vorhandenen Bestand an Sozialwohnungen aus der aktuell befristeten Bindung in eine dauerhafte Bindung zu überführen. Das Problem: Die Wohnungsgesellschaften haben damit kalkuliert, dass sie die Sozialwohnungen nach einer bestimmten Zeit frei am Markt vermieten können. Es ist daher fraglich, ob eine nachträgliche Änderung rechtlich überhaupt möglich ist.
Mieterbund fordert 50 Milliarden-Programm
Dazu kommt: Korrekturen bei der Dauer der Mietpreisbindung könnten den Neubau unattraktiver machen - dabei lag die Zahl der neu geschaffenen Sozialwohnungen im vergangenen Jahr mit rund 22.000 weit unter der Zielmarke von 100.000, die sich die Bundesregierung gesetzt hat. Der Mieterbund fordert daher im Einklang mit anderen Verbänden vom Bund ein 50 Milliarden-Programm, um den Sozialen Wohnungsbau anzukurbeln - in Form eines schuldenfinanzierten Sondervermögens.
Eine Summe, die deutlich über den rund 18 Milliarden liegt, die das Bauministerium dafür bis 2027 ausgeben möchte. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat die Mittel dafür erhöht, ist aber skeptisch, dass mehr staatliche Förderung automatisch zu mehr Wohnungsbau führt. Wenn man Märkte mit begrenzten Kapazitäten in kurzer Zeit mit unglaublich viel Geld flute, so die Einschätzung von Geywitz, würden nicht automatisch die Kapazitäten größer, vielmehr werde nur die Inflation angeheizt.
Direkte Förderung über das Wohngeld
Die SPD-Politikerin setzt daher auf eine Kombination bei der Förderung: auf zusätzliche Mittel für den Wohnungsbau, aber auch auf die direkte Förderung von Menschen mit niedrigen Einkommen durch das Wohngeld. Das wurde erst zu Jahresbeginn deutlich ausgeweitet. Die durchschnittliche Zahlung von bisher rund 190 Euro im Monat soll aufgrund neuer Fördersätze auf rund 370 Euro steigen. Nach Ausgaben von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 wird nun mit mehr als fünf Milliarden Euro gerechnet - hälftig aufgeteilt auf Bund und Länder.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Förderung durch das Wohngeld und dem Sozialen Wohnungsbau besteht darin, dass das Wohngeld regelmäßig überprüft wird. Wer dagegen mit einem niedrigen Einkommen in eine staatlich geförderte Wohnung einzieht, kann hier womöglich auch dann noch bleiben, wenn die Anspruchsvoraussetzungen später nicht mehr vorliegen.
Weniger Vorschriften, geringere Standards?
Die Bedingungen für den Sozialen Wohnungsbau sowohl für Bauherren als auch für Mieter sind je nach Bundesland höchst unterschiedlich. Der Grundgedanke bei der Förderung für investitionswillige Unternehmen besagt, dass die Mieteinnahmen, auf die sie während der Sozialbindung verzichten, durch Zuschüsse und zinsverbilligte Darlehen ausgeglichen werden. Die Kosten dafür sind pro Wohnung zuletzt aber stark gestiegen - wegen der höheren Baukosten, aber auch wegen der höheren Auflagen durch die Politik. So sind nach Berechnungen des Pestel-Instituts die reinen Baukosten zwischen 2000 und 2022 um fast 100 Prozent gestiegen; bei Berücksichtigung staatlicher Anforderungen lag die Kostensteigerung sogar bei 123 Prozent.
Aus Sicht der Baubranche muss die Politik hier ansetzen. Nicht jede Auflage beim Klimaschutz sei unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten hilfreich. Ganz in diesem Sinn fordert auch der FDP-Politiker Daniel Föst als Konsequenz aus den Zahlen zum Sozialen Wohnungsbau ein Umdenken bei Vorschriften und Baustandards. Die Bauministerin müsse nun zügig handeln, Bauen vereinfachen, Standards reduzieren und damit die Bremse beim Neubau lösen.
Zusätzliche Milliarden allein werden das Problem also nicht lösen. Vernachlässigen darf die Politik das Thema aber nicht - schließlich steckt gerade in der auch mit der Zuwanderung verbundenen höheren Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen viel sozialer Sprengstoff.