Wohnungsbau Ziel verfehlt
Die Bundesregierung wird ihr Wohnungsbauziel in diesem Jahr deutlich verfehlen. Auch für 2023 sieht es düster aus. Ministerin Geywitz will aber nicht schwarz sehen - sondern gegensteuern.
Noch hat Torsten Bach viel zu tun. Der Unternehmer sitzt am Schreibtisch, gebeugt über Bauzeichnungen. Seine Firma in Potsdam baut Dachgeschosse, Büros und Wohnungen aus. Lange Zeit lief das Geschäft gut, doch nun befürchtet er leere Auftragsbücher. "Die Leute halten ihr Geld zusammen, wissen nicht was kommt. Viele warten ab und schauen, ob sie es sich leisten können. Andere stornieren ihre Aufträge wieder", berichtet er.
Wie Bach geht es derzeit vielen Betrieben in der Branche. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe verkündete kürzlich, dass die Baukonjunktur in allen Bereichen einbreche. Für kommendes Jahr rechnet der Verband mit einem Umsatzrückgang von sieben Prozent. Besonders beim Wohnungsbau geht der Verband von starken Verlusten aus.
Kein Aufbruch weit und breit
Dabei sollte der Trend eigentlich in die andere Richtung gehen. Als die Ampelregierung vor gut einem Jahr ihre Arbeit aufnahm, war es eines ihrer prominentesten und meist zitierten Ziele: 400.000 Wohnungen sollten in Deutschland jedes Jahr entstehen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Die Ampel schuf sogar erstmals seit 1998 wieder ein eigenständiges Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Ministerin wurde Klara Geywitz (SPD).
Einen "Aufbruch in der Bau-, Wohnungs-, und Stadtentwicklungspolitik" sollte es laut Koalitionsvertrag geben. Doch der Aufbruch lässt auf sich warten und vom Ziel der 400.000 Wohnungen ist die Regierung weit entfernt. Mit weniger als 290.000 fertiggestellten Wohnungen für 2022 rechnen die Verbände der Baubranche, darunter Architektenkammern, Bauindustrie oder Immobilienwirtschaft. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft geht gar von nur etwa 250.000 neuen Wohnungen aus. Endgültige Daten werden erst im Mai 2023 vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht.
Die Prognose für die kommenden Jahre sieht noch trüber aus. Laut Wohnungswirtschaft könnte die Anzahl der neuen Wohnungen 2023 auf 200.000 sinken. "Wir sind in Deutschland aktuell nicht mehr in der Lage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", fasst Verbandspräsident Axel Gedaschko die Situation aus seiner Sicht zusammen. Wenn nichts Bedeutendes passiere, setze sich die Entwicklung fort.
Die Gründe sind vielfältig - und kaum kontrollierbar
Die Gründe für den Negativtrend sind vielfältig. Zur aktuellen Energiekrise kommen Materialknappheit, Lieferkettenprobleme und eine inflationsbedingte Kostenexplosion hinzu. Außerdem fehlen Fachkräfte, da geht es dem Bau nicht anders als vielen weiteren Bereichen der Wirtschaft. Das Problem: Viele der Faktoren sind extern und stehen in Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Das Bundesbauministerium habe darauf keinen Einfluss, heißt es in einer Stellungnahme.
Um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, habe das Ministerium zahlreiche Maßnahmen ergriffen. So verweist Geywitz' Haus in einer Bilanz unter anderem auf konjunkturelle Impulse, die ab dem neuen Jahr zur Geltung kämen. 14,5 Milliarden Euro gebe der Bund bis 2026 für den sozialen Wohnungsbau aus, kofinanziert durch die Länder. 1,1 Milliarden Euro würden im kommenden Jahr für die Neubauförderung bereitgestellt. Zudem investiere man in die Digitalisierung und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.
Das neu gegründete "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" mit Partnern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft habe sich auf insgesamt 187 Maßnahmen geeinigt. So soll das Baurecht vereinfacht und das Aufstocken und Verdichten von Häusern ermöglicht werden. "Wir müssen die Produktivität steigern durch Digitalisierung in den Bauämtern, durch serielle und modulare Bauweisen", lässt sich Geywitz zitieren.
Kaum Besserung in Sicht
In der Baubranche dürfte man das gerne hören. Nicht erst seit dem aktuellen Negativtrend fordern die Verbände Deregulierung und verbesserte Förderbedingungen. Doch trotz aller Ankündigungen und Maßnahmen bleibt die Stimmung am Markt verhalten. 74 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau gehen laut einer aktuellen Umfrage von einer Verschlechterung der Geschäftsentwicklung aus.
Auch Unternehmer Bach aus Potsdam bleibt skeptisch. "Die Leute sind verunsichert. Die Kreditzinsen steigen, die Versicherungskosten steigen, die Nebenkosten steigen", fasst er die Lage zusammen. Selbst große kommunale Wohnungsbaugesellschaften stornieren vielerorts Aufträge und halten sich zurück. Die Neubauziele der Bundesregierung dürften während wirtschaftlich unsicherer Zeiten infolge von Ukraine-Krieg und Inflation - aber auch darüber hinaus - nur schwer erreichbar bleiben.